Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierundvierzigstes Kapitel.
könnte, in der die Schiffe zu fahren pflegen. Hier
blieb mir nichts anderes übrig als zu stehlen. Jch
eignete mir zwei von den Absorptionsbüchsen der
Martier an, mehr konnte ich nicht fortschaffen. Trübes
Wetter -- wir hatten ja freilich keine Nacht -- be-
günstigte mein Vorhaben durch ein starkes Schnee-
gestöber, sodaß kein Martier, der nicht durch sein
Amt gezwungen war, sich auf dem Dache der Jnsel
sehen ließ. So gelang es mir leichter, als ich glaubte,
mich in das noch gänzlich unbesetzte Schiff einzuschleichen,
dessen Wächter in einer der Kajüten beschäftigt war.
Es war ein ausnehmend geräumiges Bot, und ich fand
meine Zuflucht, wie damals Saltner, zwischen und hinter
dem Stoff, den Saltner für Heu hielt, der aber, wie
Sie jetzt wissen werden, den besondern Zwecken der
Diabarieverteilung dient. Bei gutem Glück rechnete
ich, da noch drei Stunden bis zur Abfahrt des Schiffes
waren, in acht oder neun Stunden in England zu sein
und dann das Schiff ebenso unbemerkt verlassen zu
können. Und wirklich, -- hatte man mich noch nicht
vermißt oder nicht im Schiffe gesucht -- das Schiff
erhob sich. Stunde auf Stunde verging, und ich
schlummerte von Zeit zu Zeit in meinem dunkeln Ge-
fängnis ein. Nun sagte mir meine Uhr, daß wir in
England sein müßten. Aber aufs neue verging Stunde
auf Stunde, ohne daß das Schiff zur Ruhe kam. Jch
bemerkte die Bewegung natürlich nur an dem leichten
Geräusch des Reaktionsapparats und dem Zischen der
Luft. So oft ich aus Sparsamkeit mit dem Sauerstoff-
atmen aufhörte, fühlte ich alsbald, daß wir noch immer

Vierundvierzigſtes Kapitel.
könnte, in der die Schiffe zu fahren pflegen. Hier
blieb mir nichts anderes übrig als zu ſtehlen. Jch
eignete mir zwei von den Abſorptionsbüchſen der
Martier an, mehr konnte ich nicht fortſchaffen. Trübes
Wetter — wir hatten ja freilich keine Nacht — be-
günſtigte mein Vorhaben durch ein ſtarkes Schnee-
geſtöber, ſodaß kein Martier, der nicht durch ſein
Amt gezwungen war, ſich auf dem Dache der Jnſel
ſehen ließ. So gelang es mir leichter, als ich glaubte,
mich in das noch gänzlich unbeſetzte Schiff einzuſchleichen,
deſſen Wächter in einer der Kajüten beſchäftigt war.
Es war ein ausnehmend geräumiges Bot, und ich fand
meine Zuflucht, wie damals Saltner, zwiſchen und hinter
dem Stoff, den Saltner für Heu hielt, der aber, wie
Sie jetzt wiſſen werden, den beſondern Zwecken der
Diabarieverteilung dient. Bei gutem Glück rechnete
ich, da noch drei Stunden bis zur Abfahrt des Schiffes
waren, in acht oder neun Stunden in England zu ſein
und dann das Schiff ebenſo unbemerkt verlaſſen zu
können. Und wirklich, — hatte man mich noch nicht
vermißt oder nicht im Schiffe geſucht — das Schiff
erhob ſich. Stunde auf Stunde verging, und ich
ſchlummerte von Zeit zu Zeit in meinem dunkeln Ge-
fängnis ein. Nun ſagte mir meine Uhr, daß wir in
England ſein müßten. Aber aufs neue verging Stunde
auf Stunde, ohne daß das Schiff zur Ruhe kam. Jch
bemerkte die Bewegung natürlich nur an dem leichten
Geräuſch des Reaktionsapparats und dem Ziſchen der
Luft. So oft ich aus Sparſamkeit mit dem Sauerſtoff-
atmen aufhörte, fühlte ich alsbald, daß wir noch immer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="264"/><fw place="top" type="header">Vierundvierzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
könnte, in der die Schiffe zu fahren pflegen. Hier<lb/>
blieb mir nichts anderes übrig als zu &#x017F;tehlen. Jch<lb/>
eignete mir zwei von den Ab&#x017F;orptionsbüch&#x017F;en der<lb/>
Martier an, mehr konnte ich nicht fort&#x017F;chaffen. Trübes<lb/>
Wetter &#x2014; wir hatten ja freilich keine Nacht &#x2014; be-<lb/>
gün&#x017F;tigte mein Vorhaben durch ein &#x017F;tarkes Schnee-<lb/>
ge&#x017F;töber, &#x017F;odaß kein Martier, der nicht durch &#x017F;ein<lb/>
Amt gezwungen war, &#x017F;ich auf dem Dache der Jn&#x017F;el<lb/>
&#x017F;ehen ließ. So gelang es mir leichter, als ich glaubte,<lb/>
mich in das noch gänzlich unbe&#x017F;etzte Schiff einzu&#x017F;chleichen,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Wächter in einer der Kajüten be&#x017F;chäftigt war.<lb/>
Es war ein ausnehmend geräumiges Bot, und ich fand<lb/>
meine Zuflucht, wie damals Saltner, zwi&#x017F;chen und hinter<lb/>
dem Stoff, den Saltner für Heu hielt, der aber, wie<lb/>
Sie jetzt wi&#x017F;&#x017F;en werden, den be&#x017F;ondern Zwecken der<lb/>
Diabarieverteilung dient. Bei gutem Glück rechnete<lb/>
ich, da noch drei Stunden bis zur Abfahrt des Schiffes<lb/>
waren, in acht oder neun Stunden in England zu &#x017F;ein<lb/>
und dann das Schiff eben&#x017F;o unbemerkt verla&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
können. Und wirklich, &#x2014; hatte man mich noch nicht<lb/>
vermißt oder nicht im Schiffe ge&#x017F;ucht &#x2014; das Schiff<lb/>
erhob &#x017F;ich. Stunde auf Stunde verging, und ich<lb/>
&#x017F;chlummerte von Zeit zu Zeit in meinem dunkeln Ge-<lb/>
fängnis ein. Nun &#x017F;agte mir meine Uhr, daß wir in<lb/>
England &#x017F;ein müßten. Aber aufs neue verging Stunde<lb/>
auf Stunde, ohne daß das Schiff zur Ruhe kam. Jch<lb/>
bemerkte die Bewegung natürlich nur an dem leichten<lb/>
Geräu&#x017F;ch des Reaktionsapparats und dem Zi&#x017F;chen der<lb/>
Luft. So oft ich aus Spar&#x017F;amkeit mit dem Sauer&#x017F;toff-<lb/>
atmen aufhörte, fühlte ich alsbald, daß wir noch immer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0272] Vierundvierzigſtes Kapitel. könnte, in der die Schiffe zu fahren pflegen. Hier blieb mir nichts anderes übrig als zu ſtehlen. Jch eignete mir zwei von den Abſorptionsbüchſen der Martier an, mehr konnte ich nicht fortſchaffen. Trübes Wetter — wir hatten ja freilich keine Nacht — be- günſtigte mein Vorhaben durch ein ſtarkes Schnee- geſtöber, ſodaß kein Martier, der nicht durch ſein Amt gezwungen war, ſich auf dem Dache der Jnſel ſehen ließ. So gelang es mir leichter, als ich glaubte, mich in das noch gänzlich unbeſetzte Schiff einzuſchleichen, deſſen Wächter in einer der Kajüten beſchäftigt war. Es war ein ausnehmend geräumiges Bot, und ich fand meine Zuflucht, wie damals Saltner, zwiſchen und hinter dem Stoff, den Saltner für Heu hielt, der aber, wie Sie jetzt wiſſen werden, den beſondern Zwecken der Diabarieverteilung dient. Bei gutem Glück rechnete ich, da noch drei Stunden bis zur Abfahrt des Schiffes waren, in acht oder neun Stunden in England zu ſein und dann das Schiff ebenſo unbemerkt verlaſſen zu können. Und wirklich, — hatte man mich noch nicht vermißt oder nicht im Schiffe geſucht — das Schiff erhob ſich. Stunde auf Stunde verging, und ich ſchlummerte von Zeit zu Zeit in meinem dunkeln Ge- fängnis ein. Nun ſagte mir meine Uhr, daß wir in England ſein müßten. Aber aufs neue verging Stunde auf Stunde, ohne daß das Schiff zur Ruhe kam. Jch bemerkte die Bewegung natürlich nur an dem leichten Geräuſch des Reaktionsapparats und dem Ziſchen der Luft. So oft ich aus Sparſamkeit mit dem Sauerſtoff- atmen aufhörte, fühlte ich alsbald, daß wir noch immer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/272
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/272>, abgerufen am 22.11.2024.