Das wäre die Ansicht bei unsern Beamten? Dagegen würde ich mich doch recht ernstlich erklären."
"Da es mir einmal so -- wie man hier redet -- herausgefahren ist, so mag es denn auch gesagt sein", erwiderte Hil, "obwohl ich erst in meinem Bericht davon sprechen wollte, weil ich Jhnen erst darin die formellen Belege für meine Beobachtungen geben kann. Es ist allerdings eine Gefahr da, eine moralische, die Jhnen in der Auswahl der Beamten ganz besondere Vorsicht auferlegen wird. Es ist mir im allgemeinen aufgefallen, daß die Jnstruktoren nach einigen Monaten nicht mehr die Ruhe und das heitere Gleichmaß der Gesinnung haben, die wir an den Numen gewohnt sind. Der Umgang mit den Menschen, wenigstens in der autokratischen Stellung, die sie einnehmen, wirkt -- verzeihen Sie den Ausdruck -- gewissermaßen ver- rohend, und das äußert sich zunächst in der Sprech- weise, in einer Geringschätzung der ästhetischen Form, weiterhin in einer Ueberschätzung der eigenen Be- deutung, schließlich in einer schon das ethisch Statt- hafte überschreitenden Selbstherrlichkeit. Ja, ich habe leider einzelne Fälle beobachtet, wo man direkt von einer Psychose sprechen kann, ich möchte sie geradezu den "Erdkoller" nennen."
"Aber ich bitte Sie, da muß sofort eingeschritten werden. Darüber werden Sie mir eingehend berichten."
"Als Arzt, gewiß. Das andere wird Sache der revidierenden Unterkultoren sein, wenn nicht gar des Residenten. Denn es können politische Verwicklungen entstehen. Bis jetzt ist die Sache noch verhältnis-
Sechsundvierzigſtes Kapitel.
Das wäre die Anſicht bei unſern Beamten? Dagegen würde ich mich doch recht ernſtlich erklären.‟
„Da es mir einmal ſo — wie man hier redet — herausgefahren iſt, ſo mag es denn auch geſagt ſein‟, erwiderte Hil, „obwohl ich erſt in meinem Bericht davon ſprechen wollte, weil ich Jhnen erſt darin die formellen Belege für meine Beobachtungen geben kann. Es iſt allerdings eine Gefahr da, eine moraliſche, die Jhnen in der Auswahl der Beamten ganz beſondere Vorſicht auferlegen wird. Es iſt mir im allgemeinen aufgefallen, daß die Jnſtruktoren nach einigen Monaten nicht mehr die Ruhe und das heitere Gleichmaß der Geſinnung haben, die wir an den Numen gewohnt ſind. Der Umgang mit den Menſchen, wenigſtens in der autokratiſchen Stellung, die ſie einnehmen, wirkt — verzeihen Sie den Ausdruck — gewiſſermaßen ver- rohend, und das äußert ſich zunächſt in der Sprech- weiſe, in einer Geringſchätzung der äſthetiſchen Form, weiterhin in einer Ueberſchätzung der eigenen Be- deutung, ſchließlich in einer ſchon das ethiſch Statt- hafte überſchreitenden Selbſtherrlichkeit. Ja, ich habe leider einzelne Fälle beobachtet, wo man direkt von einer Pſychoſe ſprechen kann, ich möchte ſie geradezu den „Erdkoller‟ nennen.‟
„Aber ich bitte Sie, da muß ſofort eingeſchritten werden. Darüber werden Sie mir eingehend berichten.‟
„Als Arzt, gewiß. Das andere wird Sache der revidierenden Unterkultoren ſein, wenn nicht gar des Reſidenten. Denn es können politiſche Verwicklungen entſtehen. Bis jetzt iſt die Sache noch verhältnis-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0310"n="302"/><fwplace="top"type="header">Sechsundvierzigſtes Kapitel.</fw><lb/>
Das wäre die Anſicht bei unſern Beamten? Dagegen<lb/>
würde ich mich doch recht ernſtlich erklären.‟</p><lb/><p>„Da es mir einmal ſo — wie man hier redet —<lb/>
herausgefahren iſt, ſo mag es denn auch geſagt ſein‟,<lb/>
erwiderte Hil, „obwohl ich erſt in meinem Bericht<lb/>
davon ſprechen wollte, weil ich Jhnen erſt darin die<lb/>
formellen Belege für meine Beobachtungen geben kann.<lb/>
Es iſt allerdings eine Gefahr da, eine moraliſche, die<lb/>
Jhnen in der Auswahl der Beamten ganz beſondere<lb/>
Vorſicht auferlegen wird. Es iſt mir im allgemeinen<lb/>
aufgefallen, daß die Jnſtruktoren nach einigen Monaten<lb/>
nicht mehr die Ruhe und das heitere Gleichmaß der<lb/>
Geſinnung haben, die wir an den Numen gewohnt<lb/>ſind. Der Umgang mit den Menſchen, wenigſtens in<lb/>
der autokratiſchen Stellung, die ſie einnehmen, wirkt<lb/>— verzeihen Sie den Ausdruck — gewiſſermaßen ver-<lb/>
rohend, und das äußert ſich zunächſt in der Sprech-<lb/>
weiſe, in einer Geringſchätzung der äſthetiſchen Form,<lb/>
weiterhin in einer Ueberſchätzung der eigenen Be-<lb/>
deutung, ſchließlich in einer ſchon das ethiſch Statt-<lb/>
hafte überſchreitenden Selbſtherrlichkeit. Ja, ich habe<lb/>
leider einzelne Fälle beobachtet, wo man direkt von<lb/>
einer Pſychoſe ſprechen kann, ich möchte ſie geradezu<lb/>
den „Erdkoller‟ nennen.‟</p><lb/><p>„Aber ich bitte Sie, da muß ſofort eingeſchritten<lb/>
werden. Darüber werden Sie mir eingehend berichten.‟</p><lb/><p>„Als Arzt, gewiß. Das andere wird Sache der<lb/>
revidierenden Unterkultoren ſein, wenn nicht gar des<lb/>
Reſidenten. Denn es können politiſche Verwicklungen<lb/>
entſtehen. Bis jetzt iſt die Sache noch verhältnis-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[302/0310]
Sechsundvierzigſtes Kapitel.
Das wäre die Anſicht bei unſern Beamten? Dagegen
würde ich mich doch recht ernſtlich erklären.‟
„Da es mir einmal ſo — wie man hier redet —
herausgefahren iſt, ſo mag es denn auch geſagt ſein‟,
erwiderte Hil, „obwohl ich erſt in meinem Bericht
davon ſprechen wollte, weil ich Jhnen erſt darin die
formellen Belege für meine Beobachtungen geben kann.
Es iſt allerdings eine Gefahr da, eine moraliſche, die
Jhnen in der Auswahl der Beamten ganz beſondere
Vorſicht auferlegen wird. Es iſt mir im allgemeinen
aufgefallen, daß die Jnſtruktoren nach einigen Monaten
nicht mehr die Ruhe und das heitere Gleichmaß der
Geſinnung haben, die wir an den Numen gewohnt
ſind. Der Umgang mit den Menſchen, wenigſtens in
der autokratiſchen Stellung, die ſie einnehmen, wirkt
— verzeihen Sie den Ausdruck — gewiſſermaßen ver-
rohend, und das äußert ſich zunächſt in der Sprech-
weiſe, in einer Geringſchätzung der äſthetiſchen Form,
weiterhin in einer Ueberſchätzung der eigenen Be-
deutung, ſchließlich in einer ſchon das ethiſch Statt-
hafte überſchreitenden Selbſtherrlichkeit. Ja, ich habe
leider einzelne Fälle beobachtet, wo man direkt von
einer Pſychoſe ſprechen kann, ich möchte ſie geradezu
den „Erdkoller‟ nennen.‟
„Aber ich bitte Sie, da muß ſofort eingeſchritten
werden. Darüber werden Sie mir eingehend berichten.‟
„Als Arzt, gewiß. Das andere wird Sache der
revidierenden Unterkultoren ſein, wenn nicht gar des
Reſidenten. Denn es können politiſche Verwicklungen
entſtehen. Bis jetzt iſt die Sache noch verhältnis-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/310>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.