Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtundvierzigstes Kapitel.
im Zimmer auf und ab, während Kathrin lamentierte,
und dachte seinen Entschluß genau durch. Er dachte
an die Warnung Schauthalers und an die Begegnung
mit Oß und sagte sich, daß er selbst keinen Augenblick
sicher sei. Aber die Mutter durfte er nicht ohne die
größte Gefahr für ihre Gesundheit länger in ihrer
Angst und Einsamkeit lassen. Er mußte sie und zu-
gleich sich in Sicherheit bringen. Er war in Sicher-
heit, sobald er das Gebiet verlassen hatte, das Oß
unterstellt war. Die Jnstruktoren der Nachbargebiete
würden solchen ungesetzlichen Forderungen nicht nach-
geben, außerdem konnte er sich auch einige Zeit im
Verborgenen halten. Er mußte sich nur hüten etwas
zu thun, was von der Oberbehörde der Nume aus
verboten war, denn dadurch hätte er sich auf der ganzen
Erde der Verfolgung ausgesetzt. Sonst aber kam es
allein darauf an, den Bezirk von Oß zu vermeiden, bis
dieser abgesetzt war. Dieser Bezirk erstreckte sich über
das westliche Südtirol, fiel aber nicht mit der öster-
reichischen Landesgrenze zusammen, sondern reichte nur
bis an die Grenzen des deutschen Sprachgebiets. Diese
lief in wenigen Stunden Entfernung im Westen,
Süden und Osten über die Berge. Dahinter war
italienisches Sprachgebiet, das einem Kultor in Rom
unterstand. Ueber diese Grenze mußte er zunächst
und auf der Stelle.

Saltner ging an die Hausthür, die er verschloß,
ebenso verschloß er, soweit dies Kathrin nicht schon
gethan hatte, die Fensterläden. Aus einer Kassette in
seinem Schreibtisch nahm er Papiere, die er zu sich

Achtundvierzigſtes Kapitel.
im Zimmer auf und ab, während Kathrin lamentierte,
und dachte ſeinen Entſchluß genau durch. Er dachte
an die Warnung Schauthalers und an die Begegnung
mit Oß und ſagte ſich, daß er ſelbſt keinen Augenblick
ſicher ſei. Aber die Mutter durfte er nicht ohne die
größte Gefahr für ihre Geſundheit länger in ihrer
Angſt und Einſamkeit laſſen. Er mußte ſie und zu-
gleich ſich in Sicherheit bringen. Er war in Sicher-
heit, ſobald er das Gebiet verlaſſen hatte, das Oß
unterſtellt war. Die Jnſtruktoren der Nachbargebiete
würden ſolchen ungeſetzlichen Forderungen nicht nach-
geben, außerdem konnte er ſich auch einige Zeit im
Verborgenen halten. Er mußte ſich nur hüten etwas
zu thun, was von der Oberbehörde der Nume aus
verboten war, denn dadurch hätte er ſich auf der ganzen
Erde der Verfolgung ausgeſetzt. Sonſt aber kam es
allein darauf an, den Bezirk von Oß zu vermeiden, bis
dieſer abgeſetzt war. Dieſer Bezirk erſtreckte ſich über
das weſtliche Südtirol, fiel aber nicht mit der öſter-
reichiſchen Landesgrenze zuſammen, ſondern reichte nur
bis an die Grenzen des deutſchen Sprachgebiets. Dieſe
lief in wenigen Stunden Entfernung im Weſten,
Süden und Oſten über die Berge. Dahinter war
italieniſches Sprachgebiet, das einem Kultor in Rom
unterſtand. Ueber dieſe Grenze mußte er zunächſt
und auf der Stelle.

Saltner ging an die Hausthür, die er verſchloß,
ebenſo verſchloß er, ſoweit dies Kathrin nicht ſchon
gethan hatte, die Fenſterläden. Aus einer Kaſſette in
ſeinem Schreibtiſch nahm er Papiere, die er zu ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="346"/><fw place="top" type="header">Achtundvierzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
im Zimmer auf und ab, während Kathrin lamentierte,<lb/>
und dachte &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß genau durch. Er dachte<lb/>
an die Warnung Schauthalers und an die Begegnung<lb/>
mit Oß und &#x017F;agte &#x017F;ich, daß er &#x017F;elb&#x017F;t keinen Augenblick<lb/>
&#x017F;icher &#x017F;ei. Aber die Mutter durfte er nicht ohne die<lb/>
größte Gefahr für ihre Ge&#x017F;undheit länger in ihrer<lb/>
Ang&#x017F;t und Ein&#x017F;amkeit la&#x017F;&#x017F;en. Er mußte &#x017F;ie und zu-<lb/>
gleich &#x017F;ich in Sicherheit bringen. Er war in Sicher-<lb/>
heit, &#x017F;obald er das Gebiet verla&#x017F;&#x017F;en hatte, das Oß<lb/>
unter&#x017F;tellt war. Die Jn&#x017F;truktoren der Nachbargebiete<lb/>
würden &#x017F;olchen unge&#x017F;etzlichen Forderungen nicht nach-<lb/>
geben, außerdem konnte er &#x017F;ich auch einige Zeit im<lb/>
Verborgenen halten. Er mußte &#x017F;ich nur hüten etwas<lb/>
zu thun, was von der Oberbehörde der Nume aus<lb/>
verboten war, denn dadurch hätte er &#x017F;ich auf der ganzen<lb/>
Erde der Verfolgung ausge&#x017F;etzt. Son&#x017F;t aber kam es<lb/>
allein darauf an, den Bezirk von Oß zu vermeiden, bis<lb/>
die&#x017F;er abge&#x017F;etzt war. Die&#x017F;er Bezirk er&#x017F;treckte &#x017F;ich über<lb/>
das we&#x017F;tliche Südtirol, fiel aber nicht mit der ö&#x017F;ter-<lb/>
reichi&#x017F;chen Landesgrenze zu&#x017F;ammen, &#x017F;ondern reichte nur<lb/>
bis an die Grenzen des deut&#x017F;chen Sprachgebiets. Die&#x017F;e<lb/>
lief in wenigen Stunden Entfernung im We&#x017F;ten,<lb/>
Süden und O&#x017F;ten über die Berge. Dahinter war<lb/>
italieni&#x017F;ches Sprachgebiet, das einem Kultor in Rom<lb/>
unter&#x017F;tand. Ueber die&#x017F;e Grenze mußte er zunäch&#x017F;t<lb/>
und auf der Stelle.</p><lb/>
          <p>Saltner ging an die Hausthür, die er ver&#x017F;chloß,<lb/>
eben&#x017F;o ver&#x017F;chloß er, &#x017F;oweit dies Kathrin nicht &#x017F;chon<lb/>
gethan hatte, die Fen&#x017F;terläden. Aus einer Ka&#x017F;&#x017F;ette in<lb/>
&#x017F;einem Schreibti&#x017F;ch nahm er Papiere, die er zu &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0354] Achtundvierzigſtes Kapitel. im Zimmer auf und ab, während Kathrin lamentierte, und dachte ſeinen Entſchluß genau durch. Er dachte an die Warnung Schauthalers und an die Begegnung mit Oß und ſagte ſich, daß er ſelbſt keinen Augenblick ſicher ſei. Aber die Mutter durfte er nicht ohne die größte Gefahr für ihre Geſundheit länger in ihrer Angſt und Einſamkeit laſſen. Er mußte ſie und zu- gleich ſich in Sicherheit bringen. Er war in Sicher- heit, ſobald er das Gebiet verlaſſen hatte, das Oß unterſtellt war. Die Jnſtruktoren der Nachbargebiete würden ſolchen ungeſetzlichen Forderungen nicht nach- geben, außerdem konnte er ſich auch einige Zeit im Verborgenen halten. Er mußte ſich nur hüten etwas zu thun, was von der Oberbehörde der Nume aus verboten war, denn dadurch hätte er ſich auf der ganzen Erde der Verfolgung ausgeſetzt. Sonſt aber kam es allein darauf an, den Bezirk von Oß zu vermeiden, bis dieſer abgeſetzt war. Dieſer Bezirk erſtreckte ſich über das weſtliche Südtirol, fiel aber nicht mit der öſter- reichiſchen Landesgrenze zuſammen, ſondern reichte nur bis an die Grenzen des deutſchen Sprachgebiets. Dieſe lief in wenigen Stunden Entfernung im Weſten, Süden und Oſten über die Berge. Dahinter war italieniſches Sprachgebiet, das einem Kultor in Rom unterſtand. Ueber dieſe Grenze mußte er zunächſt und auf der Stelle. Saltner ging an die Hausthür, die er verſchloß, ebenſo verſchloß er, ſoweit dies Kathrin nicht ſchon gethan hatte, die Fenſterläden. Aus einer Kaſſette in ſeinem Schreibtiſch nahm er Papiere, die er zu ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/354
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/354>, abgerufen am 22.11.2024.