Die Wohnung Torms auf der Gartenstraße in Friedau stand noch immer verschlossen, die Jalousieen vor den Fenstern waren herabgelassen, niemand betrat die Räume. Jsma hatte sich nicht entschließen können, die Wohnung aufzugeben, es war ihr, als gäbe sie damit die letzte Hoffnung auf, noch einmal in ihre Häuslichkeit zurückzukehren, als raubte sie ihrem Manne das Heim, das er vielleicht in Schmerz und Elend suchte und ersehnte.
Und dennoch lebte Torm in Friedau in tiefster Verborgenheit. Er wohnte bei Grunthe. Es war nichts Ungewöhnliches, daß fremde Gelehrte sich längere Zeit auf der Friedauer Sternwarte zu Studien auf- hielten und dann Ells Gäste waren. So fiel es auch den Wenigen nicht auf, die darum wußten, daß bei Grunthe ein ausländischer Astronom wohnte, der sich nirgends in der Stadt sehen ließ.
Torm war am Tage, nachdem er von Grunthe
[Abbildung]
Dreiundfünfzigſtes Kapitel. Schwankungen.
Die Wohnung Torms auf der Gartenſtraße in Friedau ſtand noch immer verſchloſſen, die Jalouſieen vor den Fenſtern waren herabgelaſſen, niemand betrat die Räume. Jsma hatte ſich nicht entſchließen können, die Wohnung aufzugeben, es war ihr, als gäbe ſie damit die letzte Hoffnung auf, noch einmal in ihre Häuslichkeit zurückzukehren, als raubte ſie ihrem Manne das Heim, das er vielleicht in Schmerz und Elend ſuchte und erſehnte.
Und dennoch lebte Torm in Friedau in tiefſter Verborgenheit. Er wohnte bei Grunthe. Es war nichts Ungewöhnliches, daß fremde Gelehrte ſich längere Zeit auf der Friedauer Sternwarte zu Studien auf- hielten und dann Ells Gäſte waren. So fiel es auch den Wenigen nicht auf, die darum wußten, daß bei Grunthe ein ausländiſcher Aſtronom wohnte, der ſich nirgends in der Stadt ſehen ließ.
Torm war am Tage, nachdem er von Grunthe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0417"n="[409]"/><figure/><lb/></div><divn="2"><head>Dreiundfünfzigſtes Kapitel.<lb/><hirendition="#b">Schwankungen.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Wohnung Torms auf der Gartenſtraße in<lb/>
Friedau ſtand noch immer verſchloſſen, die<lb/>
Jalouſieen vor den Fenſtern waren herabgelaſſen,<lb/>
niemand betrat die Räume. Jsma hatte ſich nicht<lb/>
entſchließen können, die Wohnung aufzugeben, es war<lb/>
ihr, als gäbe ſie damit die letzte Hoffnung auf, noch<lb/>
einmal in ihre Häuslichkeit zurückzukehren, als raubte<lb/>ſie ihrem Manne das Heim, das er vielleicht in Schmerz<lb/>
und Elend ſuchte und erſehnte.</p><lb/><p>Und dennoch lebte Torm in Friedau in tiefſter<lb/>
Verborgenheit. Er wohnte bei Grunthe. Es war<lb/>
nichts Ungewöhnliches, daß fremde Gelehrte ſich längere<lb/>
Zeit auf der Friedauer Sternwarte zu Studien auf-<lb/>
hielten und dann Ells Gäſte waren. So fiel es auch<lb/>
den Wenigen nicht auf, die darum wußten, daß bei<lb/>
Grunthe ein ausländiſcher Aſtronom wohnte, der ſich<lb/>
nirgends in der Stadt ſehen ließ.</p><lb/><p>Torm war am Tage, nachdem er von Grunthe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[409]/0417]
[Abbildung]
Dreiundfünfzigſtes Kapitel.
Schwankungen.
Die Wohnung Torms auf der Gartenſtraße in
Friedau ſtand noch immer verſchloſſen, die
Jalouſieen vor den Fenſtern waren herabgelaſſen,
niemand betrat die Räume. Jsma hatte ſich nicht
entſchließen können, die Wohnung aufzugeben, es war
ihr, als gäbe ſie damit die letzte Hoffnung auf, noch
einmal in ihre Häuslichkeit zurückzukehren, als raubte
ſie ihrem Manne das Heim, das er vielleicht in Schmerz
und Elend ſuchte und erſehnte.
Und dennoch lebte Torm in Friedau in tiefſter
Verborgenheit. Er wohnte bei Grunthe. Es war
nichts Ungewöhnliches, daß fremde Gelehrte ſich längere
Zeit auf der Friedauer Sternwarte zu Studien auf-
hielten und dann Ells Gäſte waren. So fiel es auch
den Wenigen nicht auf, die darum wußten, daß bei
Grunthe ein ausländiſcher Aſtronom wohnte, der ſich
nirgends in der Stadt ſehen ließ.
Torm war am Tage, nachdem er von Grunthe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. [409]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/417>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.