nehmen, er hat sie zur Frau genommen nach den Ge- setzen des Nu --"
"Dann kann er es thun, weil er sie liebt. Jch aber hasse diese Nume. Und wir beide sind geschieden nach dem Gesetze des Nu --"
"Geschieden, wir? Wer hat das bestimmt? Dieses Gesetz ist nichts ohne unsern Willen. Es schützt unsern Willen gegen fremden Eingriff, aber gegen unsern Willen kann es weder fesseln noch scheiden. Und ich habe niemals und werde niemals -- o Hugo, wie kannst Du glauben, ich würde Dich verlassen, ich, die ich selbst die Schuld trage unsrer Trennung -- hier stand ich, an dieser Stelle, da beschwor ich Ell, mich mitzunehmen nach dem Nordpol, denn binnen Tagesfrist gedacht ich Dich zu finden, und es wurden zwei Jahre -- nicht durch meine Schuld --"
"Erinnere mich nicht an ihn", unterbrach er sie hart. "Diese zwei Jahre -- oh! Als ich zurückkam und umkehrte vor Deiner Thür, da trat er heraus --"
"Hugo", sagte sie flehend, "das Leid hat Dich verbittert, sonst würdest Du so nicht reden. Ja, er ist mein Freund, der treueste, beste, das weißt Du, und das wird er uns immer beweisen. Eben sagtest Du, ich sei frei, wo aber findest Du mich? Jn den Prunkzimmern des Kultorpalais, oder hier im Asyl des Geächteten, der mich nicht will?"
Er blickte sie lange an, dann zog er sie an sich.
"Verzeih' mir", sagte er, "es ist wahr, ich habe Dich ja hier, Du geliebte Frau. Was kümmert uns der Menschen Rede? Jch habe gelitten, und das
Achtundfünfzigſtes Kapitel.
nehmen, er hat ſie zur Frau genommen nach den Ge- ſetzen des Nu —‟
„Dann kann er es thun, weil er ſie liebt. Jch aber haſſe dieſe Nume. Und wir beide ſind geſchieden nach dem Geſetze des Nu —‟
„Geſchieden, wir? Wer hat das beſtimmt? Dieſes Geſetz iſt nichts ohne unſern Willen. Es ſchützt unſern Willen gegen fremden Eingriff, aber gegen unſern Willen kann es weder feſſeln noch ſcheiden. Und ich habe niemals und werde niemals — o Hugo, wie kannſt Du glauben, ich würde Dich verlaſſen, ich, die ich ſelbſt die Schuld trage unſrer Trennung — hier ſtand ich, an dieſer Stelle, da beſchwor ich Ell, mich mitzunehmen nach dem Nordpol, denn binnen Tagesfriſt gedacht ich Dich zu finden, und es wurden zwei Jahre — nicht durch meine Schuld —‟
„Erinnere mich nicht an ihn‟, unterbrach er ſie hart. „Dieſe zwei Jahre — oh! Als ich zurückkam und umkehrte vor Deiner Thür, da trat er heraus —‟
„Hugo‟, ſagte ſie flehend, „das Leid hat Dich verbittert, ſonſt würdeſt Du ſo nicht reden. Ja, er iſt mein Freund, der treueſte, beſte, das weißt Du, und das wird er uns immer beweiſen. Eben ſagteſt Du, ich ſei frei, wo aber findeſt Du mich? Jn den Prunkzimmern des Kultorpalais, oder hier im Aſyl des Geächteten, der mich nicht will?‟
Er blickte ſie lange an, dann zog er ſie an ſich.
„Verzeih’ mir‟, ſagte er, „es iſt wahr, ich habe Dich ja hier, Du geliebte Frau. Was kümmert uns der Menſchen Rede? Jch habe gelitten, und das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0498"n="490"/><fwplace="top"type="header">Achtundfünfzigſtes Kapitel.</fw><lb/>
nehmen, er hat ſie zur Frau genommen nach den Ge-<lb/>ſetzen des Nu —‟</p><lb/><p>„Dann kann er es thun, weil er ſie liebt. Jch<lb/>
aber haſſe dieſe Nume. Und wir beide ſind geſchieden<lb/>
nach dem Geſetze des Nu —‟</p><lb/><p>„Geſchieden, wir? Wer hat das beſtimmt? Dieſes<lb/>
Geſetz iſt nichts ohne unſern Willen. Es ſchützt<lb/>
unſern Willen gegen fremden Eingriff, aber gegen<lb/>
unſern Willen kann es weder feſſeln noch ſcheiden.<lb/>
Und ich habe niemals und werde niemals — o Hugo,<lb/>
wie kannſt Du glauben, ich würde Dich verlaſſen, ich,<lb/>
die ich ſelbſt die Schuld trage unſrer Trennung —<lb/>
hier ſtand ich, an dieſer Stelle, da beſchwor ich Ell,<lb/>
mich mitzunehmen nach dem Nordpol, denn binnen<lb/>
Tagesfriſt gedacht ich Dich zu finden, und es wurden<lb/>
zwei Jahre — nicht durch meine Schuld —‟</p><lb/><p>„Erinnere mich nicht an ihn‟, unterbrach er ſie<lb/>
hart. „Dieſe zwei Jahre — oh! Als ich zurückkam<lb/>
und umkehrte vor Deiner Thür, da trat er heraus —‟</p><lb/><p>„Hugo‟, ſagte ſie flehend, „das Leid hat Dich<lb/>
verbittert, ſonſt würdeſt Du ſo nicht reden. Ja, er<lb/>
iſt mein Freund, der treueſte, beſte, das weißt Du,<lb/>
und das wird er uns immer beweiſen. Eben ſagteſt<lb/>
Du, ich ſei frei, wo aber findeſt Du mich? Jn den<lb/>
Prunkzimmern des Kultorpalais, oder hier im Aſyl<lb/>
des Geächteten, der mich nicht will?‟</p><lb/><p>Er blickte ſie lange an, dann zog er ſie an ſich.</p><lb/><p>„Verzeih’ mir‟, ſagte er, „es iſt wahr, ich habe<lb/>
Dich ja hier, Du geliebte Frau. Was kümmert uns<lb/>
der Menſchen Rede? Jch habe gelitten, und das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[490/0498]
Achtundfünfzigſtes Kapitel.
nehmen, er hat ſie zur Frau genommen nach den Ge-
ſetzen des Nu —‟
„Dann kann er es thun, weil er ſie liebt. Jch
aber haſſe dieſe Nume. Und wir beide ſind geſchieden
nach dem Geſetze des Nu —‟
„Geſchieden, wir? Wer hat das beſtimmt? Dieſes
Geſetz iſt nichts ohne unſern Willen. Es ſchützt
unſern Willen gegen fremden Eingriff, aber gegen
unſern Willen kann es weder feſſeln noch ſcheiden.
Und ich habe niemals und werde niemals — o Hugo,
wie kannſt Du glauben, ich würde Dich verlaſſen, ich,
die ich ſelbſt die Schuld trage unſrer Trennung —
hier ſtand ich, an dieſer Stelle, da beſchwor ich Ell,
mich mitzunehmen nach dem Nordpol, denn binnen
Tagesfriſt gedacht ich Dich zu finden, und es wurden
zwei Jahre — nicht durch meine Schuld —‟
„Erinnere mich nicht an ihn‟, unterbrach er ſie
hart. „Dieſe zwei Jahre — oh! Als ich zurückkam
und umkehrte vor Deiner Thür, da trat er heraus —‟
„Hugo‟, ſagte ſie flehend, „das Leid hat Dich
verbittert, ſonſt würdeſt Du ſo nicht reden. Ja, er
iſt mein Freund, der treueſte, beſte, das weißt Du,
und das wird er uns immer beweiſen. Eben ſagteſt
Du, ich ſei frei, wo aber findeſt Du mich? Jn den
Prunkzimmern des Kultorpalais, oder hier im Aſyl
des Geächteten, der mich nicht will?‟
Er blickte ſie lange an, dann zog er ſie an ſich.
„Verzeih’ mir‟, ſagte er, „es iſt wahr, ich habe
Dich ja hier, Du geliebte Frau. Was kümmert uns
der Menſchen Rede? Jch habe gelitten, und das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/498>, abgerufen am 04.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.