Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Musen und Weise.

"Wo denken Sie hin?" erwiderte Urania stirnrunzelnd.
"Unsere Herren sind noch viel arroganter als unsere
Göttinnen mit Frau Hera an der Spitze."

"Jch meine natürlich nicht die Herren Götter!"

"Nun doch nicht etwa die Heroen, die nichts können
als zu hauen und Drachen totschlagen?"

"Nein, aber wie wäre es mit den Menschen?"

"Ach die Menschen!" seufzte Erato.

"Sie sollen sehr dumm sein," bemerkte Kalliope,
worüber die anderen lächelten; denn Kalliope galt ihnen
in dieser Beziehung als etwas menschlich.

"An der Dummheit der Menschen," begann Klio,
"ist allerdings leider im allgemeinen nicht zu zweifeln,
doch gibt es auch Ausnahmen; denn wie könnte man
sonst von den sieben Weisen Griechenlands sprechen?"

"Wahrhaftig," rief Melpomene, "so laden wir doch
die Weisen von Hellas ein! Können wir uns bessere
Gesellschaft wünschen?"

"Es sind nur sieben," wendete Erato ein.

"Wir verzichten auf einen Herrn!" riefen Klio und
Urania wie aus einem Munde. Die übrigen nickten
dazu, sie fanden das ganz natürlich, und aus Höflich-
keit sagten sie weiter nichts.

So wurde denn beschlossen, die sieben Weisen Grie-
chenlands zum Thee mit Abendbrot einzuladen, und es
ergab sich nur noch eine kleine Schwierigkeit -- wie
nämlich die Einladungen zu bestellen seien. Zum Un-
glück zeigte es sich, daß keine der Musen die Namen
der sieben Weisen kannte. Einzelne hatten sie zwar in

Muſen und Weiſe.

„Wo denken Sie hin?“ erwiderte Urania ſtirnrunzelnd.
„Unſere Herren ſind noch viel arroganter als unſere
Göttinnen mit Frau Hera an der Spitze.“

„Jch meine natürlich nicht die Herren Götter!“

„Nun doch nicht etwa die Heroen, die nichts können
als zu hauen und Drachen totſchlagen?“

„Nein, aber wie wäre es mit den Menſchen?“

„Ach die Menſchen!“ ſeufzte Erato.

„Sie ſollen ſehr dumm ſein,“ bemerkte Kalliope,
worüber die anderen lächelten; denn Kalliope galt ihnen
in dieſer Beziehung als etwas menſchlich.

„An der Dummheit der Menſchen,“ begann Klio,
„iſt allerdings leider im allgemeinen nicht zu zweifeln,
doch gibt es auch Ausnahmen; denn wie könnte man
ſonſt von den ſieben Weiſen Griechenlands ſprechen?“

„Wahrhaftig,“ rief Melpomene, „ſo laden wir doch
die Weiſen von Hellas ein! Können wir uns beſſere
Geſellſchaft wünſchen?“

„Es ſind nur ſieben,“ wendete Erato ein.

„Wir verzichten auf einen Herrn!“ riefen Klio und
Urania wie aus einem Munde. Die übrigen nickten
dazu, ſie fanden das ganz natürlich, und aus Höflich-
keit ſagten ſie weiter nichts.

So wurde denn beſchloſſen, die ſieben Weiſen Grie-
chenlands zum Thee mit Abendbrot einzuladen, und es
ergab ſich nur noch eine kleine Schwierigkeit — wie
nämlich die Einladungen zu beſtellen ſeien. Zum Un-
glück zeigte es ſich, daß keine der Muſen die Namen
der ſieben Weiſen kannte. Einzelne hatten ſie zwar in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0126" n="120"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Mu&#x017F;en und Wei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
        <p>&#x201E;Wo denken Sie hin?&#x201C; erwiderte Urania &#x017F;tirnrunzelnd.<lb/>
&#x201E;Un&#x017F;ere Herren &#x017F;ind noch viel arroganter als un&#x017F;ere<lb/>
Göttinnen mit Frau Hera an der Spitze.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch meine natürlich nicht die Herren Götter!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun doch nicht etwa die Heroen, die nichts können<lb/>
als zu hauen und Drachen tot&#x017F;chlagen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, aber wie wäre es mit den Men&#x017F;chen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach die Men&#x017F;chen!&#x201C; &#x017F;eufzte Erato.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ollen &#x017F;ehr dumm &#x017F;ein,&#x201C; bemerkte Kalliope,<lb/>
worüber die anderen lächelten; denn Kalliope galt ihnen<lb/>
in die&#x017F;er Beziehung als etwas men&#x017F;chlich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;An der Dummheit der Men&#x017F;chen,&#x201C; begann Klio,<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t allerdings leider im allgemeinen nicht zu zweifeln,<lb/>
doch gibt es auch Ausnahmen; denn wie könnte man<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t von den &#x017F;ieben Wei&#x017F;en Griechenlands &#x017F;prechen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wahrhaftig,&#x201C; rief Melpomene, &#x201E;&#x017F;o laden wir doch<lb/>
die Wei&#x017F;en von Hellas ein! Können wir uns be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wün&#x017F;chen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es &#x017F;ind nur <hi rendition="#g">&#x017F;ieben,</hi>&#x201C; wendete Erato ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir verzichten auf einen Herrn!&#x201C; riefen Klio und<lb/>
Urania wie aus einem Munde. Die übrigen nickten<lb/>
dazu, &#x017F;ie fanden das ganz natürlich, und aus Höflich-<lb/>
keit &#x017F;agten &#x017F;ie weiter nichts.</p><lb/>
        <p>So wurde denn be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;ieben Wei&#x017F;en Grie-<lb/>
chenlands zum Thee mit Abendbrot einzuladen, und es<lb/>
ergab &#x017F;ich nur noch eine kleine Schwierigkeit &#x2014; wie<lb/>
nämlich die Einladungen zu be&#x017F;tellen &#x017F;eien. Zum Un-<lb/>
glück zeigte es &#x017F;ich, daß keine der Mu&#x017F;en die Namen<lb/>
der &#x017F;ieben Wei&#x017F;en kannte. Einzelne hatten &#x017F;ie zwar in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0126] Muſen und Weiſe. „Wo denken Sie hin?“ erwiderte Urania ſtirnrunzelnd. „Unſere Herren ſind noch viel arroganter als unſere Göttinnen mit Frau Hera an der Spitze.“ „Jch meine natürlich nicht die Herren Götter!“ „Nun doch nicht etwa die Heroen, die nichts können als zu hauen und Drachen totſchlagen?“ „Nein, aber wie wäre es mit den Menſchen?“ „Ach die Menſchen!“ ſeufzte Erato. „Sie ſollen ſehr dumm ſein,“ bemerkte Kalliope, worüber die anderen lächelten; denn Kalliope galt ihnen in dieſer Beziehung als etwas menſchlich. „An der Dummheit der Menſchen,“ begann Klio, „iſt allerdings leider im allgemeinen nicht zu zweifeln, doch gibt es auch Ausnahmen; denn wie könnte man ſonſt von den ſieben Weiſen Griechenlands ſprechen?“ „Wahrhaftig,“ rief Melpomene, „ſo laden wir doch die Weiſen von Hellas ein! Können wir uns beſſere Geſellſchaft wünſchen?“ „Es ſind nur ſieben,“ wendete Erato ein. „Wir verzichten auf einen Herrn!“ riefen Klio und Urania wie aus einem Munde. Die übrigen nickten dazu, ſie fanden das ganz natürlich, und aus Höflich- keit ſagten ſie weiter nichts. So wurde denn beſchloſſen, die ſieben Weiſen Grie- chenlands zum Thee mit Abendbrot einzuladen, und es ergab ſich nur noch eine kleine Schwierigkeit — wie nämlich die Einladungen zu beſtellen ſeien. Zum Un- glück zeigte es ſich, daß keine der Muſen die Namen der ſieben Weiſen kannte. Einzelne hatten ſie zwar in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/126
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/126>, abgerufen am 04.12.2024.