Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Der Traumfabrikant. endliche Mannigfaltigkeit dieser Wirklichkeit vermag keineTraumvorsehung, kein klügelndes und wohlgemeintes Denken zu überblicken, geschweige denn zu regeln. Dein Traumkissen lieferte Selbstgefühl und Aufopferung; aber was bei dem Liebenden sich in freundliche Harmonien löst, bei dem Parteimann geht es in beängstigenden Kampf über. Das Glück der Liebenden wächst mit der Hingabe der Persönlichkeit, das Glück der Völker fordert die freie Entwicklung der Einzelart." "Aber," unterbrach ihn Amalie fragend, "dann steht "Nicht schlechter und nicht besser als mit allen an- "Stoßen wir an," sagte Siebler, wieder an den Die Gläser klangen, die Liebenden drückten sich die Der Traumfabrikant. endliche Mannigfaltigkeit dieſer Wirklichkeit vermag keineTraumvorſehung, kein klügelndes und wohlgemeintes Denken zu überblicken, geſchweige denn zu regeln. Dein Traumkiſſen lieferte Selbſtgefühl und Aufopferung; aber was bei dem Liebenden ſich in freundliche Harmonien löſt, bei dem Parteimann geht es in beängſtigenden Kampf über. Das Glück der Liebenden wächſt mit der Hingabe der Perſönlichkeit, das Glück der Völker fordert die freie Entwicklung der Einzelart.“ „Aber,“ unterbrach ihn Amalie fragend, „dann ſteht „Nicht ſchlechter und nicht beſſer als mit allen an- „Stoßen wir an,“ ſagte Siebler, wieder an den Die Gläſer klangen, die Liebenden drückten ſich die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi></fw><lb/> endliche Mannigfaltigkeit dieſer Wirklichkeit vermag keine<lb/> Traumvorſehung, kein klügelndes und wohlgemeintes<lb/> Denken zu überblicken, geſchweige denn zu regeln. Dein<lb/> Traumkiſſen lieferte Selbſtgefühl und Aufopferung; aber<lb/> was bei dem Liebenden ſich in freundliche Harmonien<lb/> löſt, bei dem Parteimann geht es in beängſtigenden<lb/> Kampf über. Das Glück der Liebenden wächſt mit der<lb/> Hingabe der Perſönlichkeit, das Glück der Völker fordert<lb/> die freie Entwicklung der Einzelart.“</p><lb/> <p>„Aber,“ unterbrach ihn Amalie fragend, „dann ſteht<lb/> es doch mit Deiner Traumfabrikation eigentlich recht<lb/> bedenklich.“</p><lb/> <p>„Nicht ſchlechter und nicht beſſer als mit allen an-<lb/> deren menſchlichen Vorausberechnungen. Das Leben iſt<lb/> zu bunt, glücklich allein iſt die Seele —“</p><lb/> <p>„Stoßen wir an,“ ſagte Siebler, wieder an den<lb/> Tiſch tretend, „auf den glorreichen Sieg des Menſchen-<lb/> geiſtes über das Schickſal, auf die Herrſchaft des Kunſt-<lb/> traums, des ſicheren Führers des Kulturfortſchritts!“</p><lb/> <p>Die Gläſer klangen, die Liebenden drückten ſich die<lb/> Hände. Jn ihren Augen laſen ſie etwas, das ſicherer<lb/> war als Schlaf und Traum; aber ſie ſagten es natürlich<lb/> nicht. Einem Kulturideal widerſpricht man niemals.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [158/0164]
Der Traumfabrikant.
endliche Mannigfaltigkeit dieſer Wirklichkeit vermag keine
Traumvorſehung, kein klügelndes und wohlgemeintes
Denken zu überblicken, geſchweige denn zu regeln. Dein
Traumkiſſen lieferte Selbſtgefühl und Aufopferung; aber
was bei dem Liebenden ſich in freundliche Harmonien
löſt, bei dem Parteimann geht es in beängſtigenden
Kampf über. Das Glück der Liebenden wächſt mit der
Hingabe der Perſönlichkeit, das Glück der Völker fordert
die freie Entwicklung der Einzelart.“
„Aber,“ unterbrach ihn Amalie fragend, „dann ſteht
es doch mit Deiner Traumfabrikation eigentlich recht
bedenklich.“
„Nicht ſchlechter und nicht beſſer als mit allen an-
deren menſchlichen Vorausberechnungen. Das Leben iſt
zu bunt, glücklich allein iſt die Seele —“
„Stoßen wir an,“ ſagte Siebler, wieder an den
Tiſch tretend, „auf den glorreichen Sieg des Menſchen-
geiſtes über das Schickſal, auf die Herrſchaft des Kunſt-
traums, des ſicheren Führers des Kulturfortſchritts!“
Die Gläſer klangen, die Liebenden drückten ſich die
Hände. Jn ihren Augen laſen ſie etwas, das ſicherer
war als Schlaf und Traum; aber ſie ſagten es natürlich
nicht. Einem Kulturideal widerſpricht man niemals.
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