Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Auf der Seifenblase. von Hause einen für irdische Verhältnisse verschwindendenZeitraum nicht übersteigen könne, so ergriff ich mit Freuden die Gelegenheit, diese neue Welt näher kennen zu lernen. Ein Wechsel von Tag und Nacht fand zwar nicht statt, aber es folgten regelmäßige Ruhepausen auf die Arbeit, welche ungefähr unserer Tageseinteilung entsprachen. Wir beschäftigten uns eifrig mit der Erlernung der saponischen Sprache und versäumten nicht, die physi- kalischen Verhältnisse der Seifenblase, sowie die socialen Einrichtungen der Saponier genau zu studieren. Zu letzterem Zwecke reisten wir nach der Hauptstadt, wo wir dem Oberhaupte des Staates, welches den Titel "Herr der Denkenden" führt, vorgestellt wurden. Die Saponier nennen sich nämlich selbst die "Denkenden", und das mit Recht, denn die Pflege der Wissenschaften steht bei ihnen in hohem Ansehen, und an den Streitig- keiten der Gelehrten nimmt die ganze Nation den regsten Anteil. Wir sollten darüber eine Erfahrung machen, die uns bald übel bekommen wäre. Über die Resultate unserer Beobachtungen hatte ich Auf der Seifenblaſe. von Hauſe einen für irdiſche Verhältniſſe verſchwindendenZeitraum nicht überſteigen könne, ſo ergriff ich mit Freuden die Gelegenheit, dieſe neue Welt näher kennen zu lernen. Ein Wechſel von Tag und Nacht fand zwar nicht ſtatt, aber es folgten regelmäßige Ruhepauſen auf die Arbeit, welche ungefähr unſerer Tageseinteilung entſprachen. Wir beſchäftigten uns eifrig mit der Erlernung der ſaponiſchen Sprache und verſäumten nicht, die phyſi- kaliſchen Verhältniſſe der Seifenblaſe, ſowie die ſocialen Einrichtungen der Saponier genau zu ſtudieren. Zu letzterem Zwecke reiſten wir nach der Hauptſtadt, wo wir dem Oberhaupte des Staates, welches den Titel „Herr der Denkenden“ führt, vorgeſtellt wurden. Die Saponier nennen ſich nämlich ſelbſt die „Denkenden“, und das mit Recht, denn die Pflege der Wiſſenſchaften ſteht bei ihnen in hohem Anſehen, und an den Streitig- keiten der Gelehrten nimmt die ganze Nation den regſten Anteil. Wir ſollten darüber eine Erfahrung machen, die uns bald übel bekommen wäre. Über die Reſultate unſerer Beobachtungen hatte ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auf der Seifenblaſe.</hi></fw><lb/> von Hauſe einen für irdiſche Verhältniſſe verſchwindenden<lb/> Zeitraum nicht überſteigen könne, ſo ergriff ich mit Freuden<lb/> die Gelegenheit, dieſe neue Welt näher kennen zu lernen.<lb/> Ein Wechſel von Tag und Nacht fand zwar nicht ſtatt,<lb/> aber es folgten regelmäßige Ruhepauſen auf die Arbeit,<lb/> welche ungefähr unſerer Tageseinteilung entſprachen.<lb/> Wir beſchäftigten uns eifrig mit der Erlernung der<lb/> ſaponiſchen Sprache und verſäumten nicht, die phyſi-<lb/> kaliſchen Verhältniſſe der Seifenblaſe, ſowie die ſocialen<lb/> Einrichtungen der Saponier genau zu ſtudieren. Zu<lb/> letzterem Zwecke reiſten wir nach der Hauptſtadt, wo<lb/> wir dem Oberhaupte des Staates, welches den Titel<lb/> „Herr der Denkenden“ führt, vorgeſtellt wurden. Die<lb/> Saponier nennen ſich nämlich ſelbſt die „Denkenden“,<lb/> und das mit Recht, denn die Pflege der Wiſſenſchaften<lb/> ſteht bei ihnen in hohem Anſehen, und an den Streitig-<lb/> keiten der Gelehrten nimmt die ganze Nation den regſten<lb/> Anteil. Wir ſollten darüber eine Erfahrung machen,<lb/> die uns bald übel bekommen wäre.</p><lb/> <p>Über die Reſultate unſerer Beobachtungen hatte ich<lb/> ſorgfältig Buch geführt und reiches Material angehäuft,<lb/> welches ich nach meiner Rückkehr auf die Erde zu einer<lb/> Kulturgeſchichte der Seifenblaſe zu bearbeiten gedachte.<lb/> Leider hatte ich einen Umſtand außer acht gelaſſen.<lb/> Bei unſerer ſehr plötzlich notwendig werdenden Wieder-<lb/> vergrößerung trug ich meine Aufzeichnungen nicht bei<lb/> mir, und ſo geſchah das Unglück, daß ſie von den Wir-<lb/> kungen des Mikrogens ausgeſchloſſen wurden. Natür-<lb/> lich ſind meine unerſetzlichen Manuſkripte nicht mehr zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Auf der Seifenblaſe.
von Hauſe einen für irdiſche Verhältniſſe verſchwindenden
Zeitraum nicht überſteigen könne, ſo ergriff ich mit Freuden
die Gelegenheit, dieſe neue Welt näher kennen zu lernen.
Ein Wechſel von Tag und Nacht fand zwar nicht ſtatt,
aber es folgten regelmäßige Ruhepauſen auf die Arbeit,
welche ungefähr unſerer Tageseinteilung entſprachen.
Wir beſchäftigten uns eifrig mit der Erlernung der
ſaponiſchen Sprache und verſäumten nicht, die phyſi-
kaliſchen Verhältniſſe der Seifenblaſe, ſowie die ſocialen
Einrichtungen der Saponier genau zu ſtudieren. Zu
letzterem Zwecke reiſten wir nach der Hauptſtadt, wo
wir dem Oberhaupte des Staates, welches den Titel
„Herr der Denkenden“ führt, vorgeſtellt wurden. Die
Saponier nennen ſich nämlich ſelbſt die „Denkenden“,
und das mit Recht, denn die Pflege der Wiſſenſchaften
ſteht bei ihnen in hohem Anſehen, und an den Streitig-
keiten der Gelehrten nimmt die ganze Nation den regſten
Anteil. Wir ſollten darüber eine Erfahrung machen,
die uns bald übel bekommen wäre.
Über die Reſultate unſerer Beobachtungen hatte ich
ſorgfältig Buch geführt und reiches Material angehäuft,
welches ich nach meiner Rückkehr auf die Erde zu einer
Kulturgeſchichte der Seifenblaſe zu bearbeiten gedachte.
Leider hatte ich einen Umſtand außer acht gelaſſen.
Bei unſerer ſehr plötzlich notwendig werdenden Wieder-
vergrößerung trug ich meine Aufzeichnungen nicht bei
mir, und ſo geſchah das Unglück, daß ſie von den Wir-
kungen des Mikrogens ausgeſchloſſen wurden. Natür-
lich ſind meine unerſetzlichen Manuſkripte nicht mehr zu
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