Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf der Seifenblase.
die Welt sei voll, derjenigen widerspräche, daß sie ge-
blasen sei, und er fragte, wo denn der Riese Rudipudi
gestanden haben solle, wenn es keine anderen Welten
gäbe. Die Akademiker der alten Schule hatten trotz
ihrer Gelehrsamkeit einen harten Stand gegen diese
Gründe, und Glagli hätte seine beiden ersten Thesen
durchgesetzt, wenn nicht die dritte ihn verdächtig gemacht
hätte. Aber die politische Anrüchigkeit derselben war
zu offenbar, und selbst Glaglis Freunde wagten nicht,
für ihn in dieser Hinsicht einzutreten, weil die Behaup-
tung, daß es noch andere Welten gäbe, als eine reichs-
feindliche und antinationale betrachtet wurde. Da nun
Glagli durchaus nicht widerrufen wollte, so neigte sich
die Majorität der Akademie gegen ihn, und schon
schleppten seine eifrigsten Gegner Kessel mit Glycerin
herbei, um ihn zu sieden, bis er weich sei.

Als ich all das grundlose Gerede für und wider
anhören mußte und doch sicher war, daß ich mich auf
einer Seifenblase befand, die mein Söhnchen vor etwa
sechs Sekunden aus dem Gartenfenster meiner Wohnung
mittelst eines Strohhalmes geblasen hatte, und als ich
sah, daß es in diesem Streite doppelt falscher Meinungen
einem ehrlich nachdenkenden Wesen ans Leben gehen
sollte -- denn das Weichsieden ist für einen Saponier
immerhin lebensgefährlich -- so konnte ich mich nicht
länger zurückhalten, sondern sprang auf und bat um's Wort.

"Begehe keinen Unsinn," flüsterte Onkel Wendel,
sich an mich drängend. "Redest dich ins Unglück! Ver-
stehen's ja doch nicht! Wirst ja sehen! Sei still!"

2*

Auf der Seifenblaſe.
die Welt ſei voll, derjenigen widerſpräche, daß ſie ge-
blaſen ſei, und er fragte, wo denn der Rieſe Rudipudi
geſtanden haben ſolle, wenn es keine anderen Welten
gäbe. Die Akademiker der alten Schule hatten trotz
ihrer Gelehrſamkeit einen harten Stand gegen dieſe
Gründe, und Glagli hätte ſeine beiden erſten Theſen
durchgeſetzt, wenn nicht die dritte ihn verdächtig gemacht
hätte. Aber die politiſche Anrüchigkeit derſelben war
zu offenbar, und ſelbſt Glaglis Freunde wagten nicht,
für ihn in dieſer Hinſicht einzutreten, weil die Behaup-
tung, daß es noch andere Welten gäbe, als eine reichs-
feindliche und antinationale betrachtet wurde. Da nun
Glagli durchaus nicht widerrufen wollte, ſo neigte ſich
die Majorität der Akademie gegen ihn, und ſchon
ſchleppten ſeine eifrigſten Gegner Keſſel mit Glycerin
herbei, um ihn zu ſieden, bis er weich ſei.

Als ich all das grundloſe Gerede für und wider
anhören mußte und doch ſicher war, daß ich mich auf
einer Seifenblaſe befand, die mein Söhnchen vor etwa
ſechs Sekunden aus dem Gartenfenſter meiner Wohnung
mittelſt eines Strohhalmes geblaſen hatte, und als ich
ſah, daß es in dieſem Streite doppelt falſcher Meinungen
einem ehrlich nachdenkenden Weſen ans Leben gehen
ſollte — denn das Weichſieden iſt für einen Saponier
immerhin lebensgefährlich — ſo konnte ich mich nicht
länger zurückhalten, ſondern ſprang auf und bat um’s Wort.

„Begehe keinen Unſinn,“ flüſterte Onkel Wendel,
ſich an mich drängend. „Redeſt dich ins Unglück! Ver-
ſtehen’s ja doch nicht! Wirſt ja ſehen! Sei ſtill!“

2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="19"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auf der Seifenbla&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
die Welt &#x017F;ei voll, derjenigen wider&#x017F;präche, daß &#x017F;ie ge-<lb/>
bla&#x017F;en &#x017F;ei, und er fragte, wo denn der Rie&#x017F;e Rudipudi<lb/>
ge&#x017F;tanden haben &#x017F;olle, wenn es keine anderen Welten<lb/>
gäbe. Die Akademiker der alten Schule hatten trotz<lb/>
ihrer Gelehr&#x017F;amkeit einen harten Stand gegen die&#x017F;e<lb/>
Gründe, und Glagli hätte &#x017F;eine beiden er&#x017F;ten The&#x017F;en<lb/>
durchge&#x017F;etzt, wenn nicht die dritte ihn verdächtig gemacht<lb/>
hätte. Aber die politi&#x017F;che Anrüchigkeit der&#x017F;elben war<lb/>
zu offenbar, und &#x017F;elb&#x017F;t Glaglis Freunde wagten nicht,<lb/>
für ihn in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht einzutreten, weil die Behaup-<lb/>
tung, daß es noch andere Welten gäbe, als eine reichs-<lb/>
feindliche und antinationale betrachtet wurde. Da nun<lb/>
Glagli durchaus nicht widerrufen wollte, &#x017F;o neigte &#x017F;ich<lb/>
die Majorität der Akademie gegen ihn, und &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;chleppten &#x017F;eine eifrig&#x017F;ten Gegner Ke&#x017F;&#x017F;el mit Glycerin<lb/>
herbei, um ihn zu &#x017F;ieden, bis er weich &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Als ich all das grundlo&#x017F;e Gerede für und wider<lb/>
anhören mußte und doch &#x017F;icher war, daß ich mich auf<lb/>
einer Seifenbla&#x017F;e befand, die mein Söhnchen vor etwa<lb/>
&#x017F;echs Sekunden aus dem Gartenfen&#x017F;ter meiner Wohnung<lb/>
mittel&#x017F;t eines Strohhalmes gebla&#x017F;en hatte, und als ich<lb/>
&#x017F;ah, daß es in die&#x017F;em Streite doppelt fal&#x017F;cher Meinungen<lb/>
einem ehrlich nachdenkenden We&#x017F;en ans Leben gehen<lb/>
&#x017F;ollte &#x2014; denn das Weich&#x017F;ieden i&#x017F;t für einen Saponier<lb/>
immerhin lebensgefährlich &#x2014; &#x017F;o konnte ich mich nicht<lb/>
länger zurückhalten, &#x017F;ondern &#x017F;prang auf und bat um&#x2019;s Wort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Begehe keinen Un&#x017F;inn,&#x201C; flü&#x017F;terte Onkel Wendel,<lb/>
&#x017F;ich an mich drängend. &#x201E;Rede&#x017F;t dich ins Unglück! Ver-<lb/>
&#x017F;tehen&#x2019;s ja doch nicht! Wir&#x017F;t ja &#x017F;ehen! Sei &#x017F;till!&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">2*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0025] Auf der Seifenblaſe. die Welt ſei voll, derjenigen widerſpräche, daß ſie ge- blaſen ſei, und er fragte, wo denn der Rieſe Rudipudi geſtanden haben ſolle, wenn es keine anderen Welten gäbe. Die Akademiker der alten Schule hatten trotz ihrer Gelehrſamkeit einen harten Stand gegen dieſe Gründe, und Glagli hätte ſeine beiden erſten Theſen durchgeſetzt, wenn nicht die dritte ihn verdächtig gemacht hätte. Aber die politiſche Anrüchigkeit derſelben war zu offenbar, und ſelbſt Glaglis Freunde wagten nicht, für ihn in dieſer Hinſicht einzutreten, weil die Behaup- tung, daß es noch andere Welten gäbe, als eine reichs- feindliche und antinationale betrachtet wurde. Da nun Glagli durchaus nicht widerrufen wollte, ſo neigte ſich die Majorität der Akademie gegen ihn, und ſchon ſchleppten ſeine eifrigſten Gegner Keſſel mit Glycerin herbei, um ihn zu ſieden, bis er weich ſei. Als ich all das grundloſe Gerede für und wider anhören mußte und doch ſicher war, daß ich mich auf einer Seifenblaſe befand, die mein Söhnchen vor etwa ſechs Sekunden aus dem Gartenfenſter meiner Wohnung mittelſt eines Strohhalmes geblaſen hatte, und als ich ſah, daß es in dieſem Streite doppelt falſcher Meinungen einem ehrlich nachdenkenden Weſen ans Leben gehen ſollte — denn das Weichſieden iſt für einen Saponier immerhin lebensgefährlich — ſo konnte ich mich nicht länger zurückhalten, ſondern ſprang auf und bat um’s Wort. „Begehe keinen Unſinn,“ flüſterte Onkel Wendel, ſich an mich drängend. „Redeſt dich ins Unglück! Ver- ſtehen’s ja doch nicht! Wirſt ja ſehen! Sei ſtill!“ 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/25
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/25>, abgerufen am 21.11.2024.