Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Apoikis.
diese Welt in die Oede des Atlantischen Ozeans kommen?
Während ich solcher Frage nachhängend auf das selt-
same Treiben zu meinen Füßen starrte, mochte ich wohl
langsam auf dem Felsenwall fortgegangen sein, denn
ich befand mich plötzlich vor einer zwar steilen, jedoch
gangbaren Treppe, welche von der Höhe nach den Hügeln
hinabführte. Jetzt begann ich doch zu zweifeln, ob ich
mich ohne meine Gefährten in dieses unbekannte Reich
wagen sollte, aber ehe ich noch mit mir einig wurde,
tauchte ein Einwohner des Landes vor mir auf, der mich
durch eine Handbewegung einlud, die Stufen hinab-
zusteigen. Dieser Aufforderung mußte ich Folge leisten
-- warum, das hätte ich nicht angeben können, aber die
Einladung war zwingend wie der Wink einer Gottheit.
Jch kann auch das Gefühl, das ich hatte, als ich gegen
meine kurz vorher gehegte Absicht nun unbedingt und
doch willig dem Unbekannten nachgab, mit nichts Anderem
vergleichen als mit der Stimme des Gewissens, das uns
zu einer Handlung treibt ohne Wahl, es mag unsere
Reflexion sagen, was sie will. Der Bewohner des
Landes, der einen leichten Mantel von einem gold-
glänzenden Stoffe über einem dichtanliegenden Unter-
gewand trug, war von kleiner Statur, aber edler
Haltung, eine Waffe konnte ich an ihm nicht bemerken;
stolzen Ganges schritt er voran, während ich, gleichwie
im Traume, machtlos ihm nachwandelte. Als wir an
das Ufer der Meeresbucht gelangt waren, wendete er
sich nach mir um (daß ich ihm gefolgt war, schien er
mit absoluter Sicherheit zu wissen, denn er hatte sich

Apoikis.
dieſe Welt in die Oede des Atlantiſchen Ozeans kommen?
Während ich ſolcher Frage nachhängend auf das ſelt-
ſame Treiben zu meinen Füßen ſtarrte, mochte ich wohl
langſam auf dem Felſenwall fortgegangen ſein, denn
ich befand mich plötzlich vor einer zwar ſteilen, jedoch
gangbaren Treppe, welche von der Höhe nach den Hügeln
hinabführte. Jetzt begann ich doch zu zweifeln, ob ich
mich ohne meine Gefährten in dieſes unbekannte Reich
wagen ſollte, aber ehe ich noch mit mir einig wurde,
tauchte ein Einwohner des Landes vor mir auf, der mich
durch eine Handbewegung einlud, die Stufen hinab-
zuſteigen. Dieſer Aufforderung mußte ich Folge leiſten
— warum, das hätte ich nicht angeben können, aber die
Einladung war zwingend wie der Wink einer Gottheit.
Jch kann auch das Gefühl, das ich hatte, als ich gegen
meine kurz vorher gehegte Abſicht nun unbedingt und
doch willig dem Unbekannten nachgab, mit nichts Anderem
vergleichen als mit der Stimme des Gewiſſens, das uns
zu einer Handlung treibt ohne Wahl, es mag unſere
Reflexion ſagen, was ſie will. Der Bewohner des
Landes, der einen leichten Mantel von einem gold-
glänzenden Stoffe über einem dichtanliegenden Unter-
gewand trug, war von kleiner Statur, aber edler
Haltung, eine Waffe konnte ich an ihm nicht bemerken;
ſtolzen Ganges ſchritt er voran, während ich, gleichwie
im Traume, machtlos ihm nachwandelte. Als wir an
das Ufer der Meeresbucht gelangt waren, wendete er
ſich nach mir um (daß ich ihm gefolgt war, ſchien er
mit abſoluter Sicherheit zu wiſſen, denn er hatte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Apoikis.</hi></fw><lb/>
die&#x017F;e Welt in die Oede des Atlanti&#x017F;chen Ozeans kommen?<lb/>
Während ich &#x017F;olcher Frage nachhängend auf das &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;ame Treiben zu meinen Füßen &#x017F;tarrte, mochte ich wohl<lb/>
lang&#x017F;am auf dem Fel&#x017F;enwall fortgegangen &#x017F;ein, denn<lb/>
ich befand mich plötzlich vor einer zwar &#x017F;teilen, jedoch<lb/>
gangbaren Treppe, welche von der Höhe nach den Hügeln<lb/>
hinabführte. Jetzt begann ich doch zu zweifeln, ob ich<lb/>
mich ohne meine Gefährten in die&#x017F;es unbekannte Reich<lb/>
wagen &#x017F;ollte, aber ehe ich noch mit mir einig wurde,<lb/>
tauchte ein Einwohner des Landes vor mir auf, der mich<lb/>
durch eine Handbewegung einlud, die Stufen hinab-<lb/>
zu&#x017F;teigen. Die&#x017F;er Aufforderung mußte ich Folge lei&#x017F;ten<lb/>
&#x2014; warum, das hätte ich nicht angeben können, aber die<lb/>
Einladung war zwingend wie der Wink einer Gottheit.<lb/>
Jch kann auch das Gefühl, das ich hatte, als ich gegen<lb/>
meine kurz vorher gehegte Ab&#x017F;icht nun unbedingt und<lb/>
doch willig dem Unbekannten nachgab, mit nichts Anderem<lb/>
vergleichen als mit der Stimme des Gewi&#x017F;&#x017F;ens, das uns<lb/>
zu einer Handlung treibt ohne Wahl, es mag un&#x017F;ere<lb/>
Reflexion &#x017F;agen, was &#x017F;ie will. Der Bewohner des<lb/>
Landes, der einen leichten Mantel von einem gold-<lb/>
glänzenden Stoffe über einem dichtanliegenden Unter-<lb/>
gewand trug, war von kleiner Statur, aber edler<lb/>
Haltung, eine Waffe konnte ich an ihm nicht bemerken;<lb/>
&#x017F;tolzen Ganges &#x017F;chritt er voran, während ich, gleichwie<lb/>
im Traume, machtlos ihm nachwandelte. Als wir an<lb/>
das Ufer der Meeresbucht gelangt waren, wendete er<lb/>
&#x017F;ich nach mir um (daß ich ihm gefolgt war, &#x017F;chien er<lb/>
mit ab&#x017F;oluter Sicherheit zu wi&#x017F;&#x017F;en, denn er hatte &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0049] Apoikis. dieſe Welt in die Oede des Atlantiſchen Ozeans kommen? Während ich ſolcher Frage nachhängend auf das ſelt- ſame Treiben zu meinen Füßen ſtarrte, mochte ich wohl langſam auf dem Felſenwall fortgegangen ſein, denn ich befand mich plötzlich vor einer zwar ſteilen, jedoch gangbaren Treppe, welche von der Höhe nach den Hügeln hinabführte. Jetzt begann ich doch zu zweifeln, ob ich mich ohne meine Gefährten in dieſes unbekannte Reich wagen ſollte, aber ehe ich noch mit mir einig wurde, tauchte ein Einwohner des Landes vor mir auf, der mich durch eine Handbewegung einlud, die Stufen hinab- zuſteigen. Dieſer Aufforderung mußte ich Folge leiſten — warum, das hätte ich nicht angeben können, aber die Einladung war zwingend wie der Wink einer Gottheit. Jch kann auch das Gefühl, das ich hatte, als ich gegen meine kurz vorher gehegte Abſicht nun unbedingt und doch willig dem Unbekannten nachgab, mit nichts Anderem vergleichen als mit der Stimme des Gewiſſens, das uns zu einer Handlung treibt ohne Wahl, es mag unſere Reflexion ſagen, was ſie will. Der Bewohner des Landes, der einen leichten Mantel von einem gold- glänzenden Stoffe über einem dichtanliegenden Unter- gewand trug, war von kleiner Statur, aber edler Haltung, eine Waffe konnte ich an ihm nicht bemerken; ſtolzen Ganges ſchritt er voran, während ich, gleichwie im Traume, machtlos ihm nachwandelte. Als wir an das Ufer der Meeresbucht gelangt waren, wendete er ſich nach mir um (daß ich ihm gefolgt war, ſchien er mit abſoluter Sicherheit zu wiſſen, denn er hatte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/49
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/49>, abgerufen am 03.12.2024.