Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Apoikis. äußeren Kräfte der Natur gelangen kann. Denn siehat erreicht die Tiefe, in welcher das Bewußtsein die Welt der Erfahrungen gestaltet und in welcher ihr alles Andere von selbst zufällt. Jhr seht nur das Zifferblatt der großen Weltenuhr und studiert den Gang der Zeiger; wir aber blicken in das Räderwerk und auf die treibende Feder, die wir selbst sind, und verstehen das Werk zu rücken. Euch trifft damit kein Vorwurf, Jhr konntet nicht anders vorwärtsschreiten, denn wo Jhr es versuchtet, die Welt zu verachten und das Glück aus dem Jnnern zu gewinnen, da riß Euch immer die hungernde Masse in den Zwang der Wirklichkeit, ehe Jhr mit dem Be- wußtsein der Gesamtheit in das Jdealreich zu dringen vermochtet. Jhr konntet die äußere Macht nicht ent- behren. Um sie zu gewinnen, mußtet Jhr die Natur, die Jhr verachten wolltet, wieder in Eure Rechnung aufnehmen; Jhr mußtet beobachten und sammeln und nur durch Erfahrung könnt Jhr die Kenntnis gewinnen, die Euch mächtig macht. Und darin müßt Jhr fortfahren, Jhr habt kein anderes Mittel, denn Euer Denken ist nicht anders fähig, die Welt zu erkennen. Sie ist Euch nur zugänglich in Raum und Zeit und Notwendigkeit, und so müßt Jhr gehorchen. Wir aber bedurften zwei Jahrtausende lang nichts 4*
Apoikis. äußeren Kräfte der Natur gelangen kann. Denn ſiehat erreicht die Tiefe, in welcher das Bewußtſein die Welt der Erfahrungen geſtaltet und in welcher ihr alles Andere von ſelbſt zufällt. Jhr ſeht nur das Zifferblatt der großen Weltenuhr und ſtudiert den Gang der Zeiger; wir aber blicken in das Räderwerk und auf die treibende Feder, die wir ſelbſt ſind, und verſtehen das Werk zu rücken. Euch trifft damit kein Vorwurf, Jhr konntet nicht anders vorwärtsſchreiten, denn wo Jhr es verſuchtet, die Welt zu verachten und das Glück aus dem Jnnern zu gewinnen, da riß Euch immer die hungernde Maſſe in den Zwang der Wirklichkeit, ehe Jhr mit dem Be- wußtſein der Geſamtheit in das Jdealreich zu dringen vermochtet. Jhr konntet die äußere Macht nicht ent- behren. Um ſie zu gewinnen, mußtet Jhr die Natur, die Jhr verachten wolltet, wieder in Eure Rechnung aufnehmen; Jhr mußtet beobachten und ſammeln und nur durch Erfahrung könnt Jhr die Kenntnis gewinnen, die Euch mächtig macht. Und darin müßt Jhr fortfahren, Jhr habt kein anderes Mittel, denn Euer Denken iſt nicht anders fähig, die Welt zu erkennen. Sie iſt Euch nur zugänglich in Raum und Zeit und Notwendigkeit, und ſo müßt Jhr gehorchen. Wir aber bedurften zwei Jahrtauſende lang nichts 4*
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Apoikis.
äußeren Kräfte der Natur gelangen kann. Denn ſie
hat erreicht die Tiefe, in welcher das Bewußtſein die
Welt der Erfahrungen geſtaltet und in welcher ihr alles
Andere von ſelbſt zufällt. Jhr ſeht nur das Zifferblatt
der großen Weltenuhr und ſtudiert den Gang der Zeiger;
wir aber blicken in das Räderwerk und auf die treibende
Feder, die wir ſelbſt ſind, und verſtehen das Werk zu
rücken. Euch trifft damit kein Vorwurf, Jhr konntet
nicht anders vorwärtsſchreiten, denn wo Jhr es verſuchtet,
die Welt zu verachten und das Glück aus dem Jnnern
zu gewinnen, da riß Euch immer die hungernde Maſſe
in den Zwang der Wirklichkeit, ehe Jhr mit dem Be-
wußtſein der Geſamtheit in das Jdealreich zu dringen
vermochtet. Jhr konntet die äußere Macht nicht ent-
behren. Um ſie zu gewinnen, mußtet Jhr die Natur,
die Jhr verachten wolltet, wieder in Eure Rechnung
aufnehmen; Jhr mußtet beobachten und ſammeln und
nur durch Erfahrung könnt Jhr die Kenntnis gewinnen,
die Euch mächtig macht. Und darin müßt Jhr fortfahren,
Jhr habt kein anderes Mittel, denn Euer Denken iſt nicht
anders fähig, die Welt zu erkennen. Sie iſt Euch nur
zugänglich in Raum und Zeit und Notwendigkeit, und
ſo müßt Jhr gehorchen.
Wir aber bedurften zwei Jahrtauſende lang nichts
von der Natur, als was ſie uns von ſelbſt ſchenkte.
Hier gab es keine darbende und unwiſſende Menge,
keine habgierige und übermütige Geſellſchaft, keine
Herren und Sklaven, ſondern nur eine beſcheidene Anzahl
gleichmäßig harmoniſch durchgebildeter, ſich ſelbſt be-
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