Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Apoikis. Revolution. Zu der Zeit, da Achaja römische Provinzwurde, da lehrte man bei uns, was Euch Kant und Schiller offenbarten. Als die christlichen Märtyrer in den Gärten Neros brannten, da emancipierte sich unser Denken von den Schranken der Sinnlichkeit und lernte seine Bedingungen im Absoluten kennen. Als in Euren Klosterschulen die spärlichen Reste der Neuplatoniker studiert wurden, da hatte man bei uns die Metaphysik als em- pirische Wissenschaft begründet. Und während Eure Meta- physiker sich luftige Wolkenbauten im unbeschränkten Reich der Träume errichteten, da hatten wir die inneren Wesens- bedingungen des Bewußtseins erfaßt und das Geheim- nis der Schöpferkraft uns angeeignet. Was Jhr nun messend und wägend und rechnend an Entdeckungen und Erfindungen der Natur abringt, das schaffen wir, nach- dem sich unser Verstand aus seinen Fesseln befreit und in Jntuitivkraft gewandelt hat, aus unserem eigenen Selbst in freier Wahl. Jn unserer Welt besteht kein Gegensatz von Zwang und Freiheit. Wollen, Sollen und Können sind nicht mehr getrennt. Und das haben wir errungen durch die alleinige Pflege des wollenden, fühlenden und denkenden Bewußtseins. Jhr konntet es nicht, denn Jhr mußtet Völker ernähren und Kriege führen. Jn den äußeren Formen haben wir die Über- Apoikis. Revolution. Zu der Zeit, da Achaja römiſche Provinzwurde, da lehrte man bei uns, was Euch Kant und Schiller offenbarten. Als die chriſtlichen Märtyrer in den Gärten Neros brannten, da emancipierte ſich unſer Denken von den Schranken der Sinnlichkeit und lernte ſeine Bedingungen im Abſoluten kennen. Als in Euren Kloſterſchulen die ſpärlichen Reſte der Neuplatoniker ſtudiert wurden, da hatte man bei uns die Metaphyſik als em- piriſche Wiſſenſchaft begründet. Und während Eure Meta- phyſiker ſich luftige Wolkenbauten im unbeſchränkten Reich der Träume errichteten, da hatten wir die inneren Weſens- bedingungen des Bewußtſeins erfaßt und das Geheim- nis der Schöpferkraft uns angeeignet. Was Jhr nun meſſend und wägend und rechnend an Entdeckungen und Erfindungen der Natur abringt, das ſchaffen wir, nach- dem ſich unſer Verſtand aus ſeinen Feſſeln befreit und in Jntuitivkraft gewandelt hat, aus unſerem eigenen Selbſt in freier Wahl. Jn unſerer Welt beſteht kein Gegenſatz von Zwang und Freiheit. Wollen, Sollen und Können ſind nicht mehr getrennt. Und das haben wir errungen durch die alleinige Pflege des wollenden, fühlenden und denkenden Bewußtſeins. Jhr konntet es nicht, denn Jhr mußtet Völker ernähren und Kriege führen. Jn den äußeren Formen haben wir die Über- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Apoikis.</hi></fw><lb/> Revolution. Zu der Zeit, da Achaja römiſche Provinz<lb/> wurde, da lehrte man bei uns, was Euch Kant und<lb/> Schiller offenbarten. Als die chriſtlichen Märtyrer in<lb/> den Gärten Neros brannten, da emancipierte ſich unſer<lb/> Denken von den Schranken der Sinnlichkeit und lernte<lb/> ſeine Bedingungen im Abſoluten kennen. Als in Euren<lb/> Kloſterſchulen die ſpärlichen Reſte der Neuplatoniker ſtudiert<lb/> wurden, da hatte man bei uns die Metaphyſik als em-<lb/> piriſche Wiſſenſchaft begründet. Und während Eure Meta-<lb/> phyſiker ſich luftige Wolkenbauten im unbeſchränkten Reich<lb/> der Träume errichteten, da hatten wir die inneren Weſens-<lb/> bedingungen des Bewußtſeins erfaßt und das Geheim-<lb/> nis der Schöpferkraft uns angeeignet. Was Jhr nun<lb/> meſſend und wägend und rechnend an Entdeckungen und<lb/> Erfindungen der Natur abringt, das ſchaffen wir, nach-<lb/> dem ſich unſer Verſtand aus ſeinen Feſſeln befreit und<lb/> in Jntuitivkraft gewandelt hat, aus unſerem eigenen<lb/> Selbſt in freier Wahl. Jn unſerer Welt beſteht kein<lb/> Gegenſatz von Zwang und Freiheit. Wollen, Sollen<lb/> und Können ſind nicht mehr getrennt. Und das haben<lb/> wir errungen durch die alleinige Pflege des wollenden,<lb/> fühlenden und denkenden Bewußtſeins. Jhr konntet es<lb/> nicht, denn Jhr mußtet Völker ernähren und Kriege führen.</p><lb/> <p>Jn den äußeren Formen haben wir die Über-<lb/> lieferungen unſerer Vorfahren feſtgehalten, ſo weit ſie<lb/> uns paſſend erſchienen; ſchönere haben wir bei Euch<lb/> nirgends gefunden. Seit den letzten beiden Jahrhunderten,<lb/> in denen, wenn auch ſelten, ſich hie und da Schiffe in<lb/> unſeren Gewäſſern zeigten, haben wir uns auch um die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0059]
Apoikis.
Revolution. Zu der Zeit, da Achaja römiſche Provinz
wurde, da lehrte man bei uns, was Euch Kant und
Schiller offenbarten. Als die chriſtlichen Märtyrer in
den Gärten Neros brannten, da emancipierte ſich unſer
Denken von den Schranken der Sinnlichkeit und lernte
ſeine Bedingungen im Abſoluten kennen. Als in Euren
Kloſterſchulen die ſpärlichen Reſte der Neuplatoniker ſtudiert
wurden, da hatte man bei uns die Metaphyſik als em-
piriſche Wiſſenſchaft begründet. Und während Eure Meta-
phyſiker ſich luftige Wolkenbauten im unbeſchränkten Reich
der Träume errichteten, da hatten wir die inneren Weſens-
bedingungen des Bewußtſeins erfaßt und das Geheim-
nis der Schöpferkraft uns angeeignet. Was Jhr nun
meſſend und wägend und rechnend an Entdeckungen und
Erfindungen der Natur abringt, das ſchaffen wir, nach-
dem ſich unſer Verſtand aus ſeinen Feſſeln befreit und
in Jntuitivkraft gewandelt hat, aus unſerem eigenen
Selbſt in freier Wahl. Jn unſerer Welt beſteht kein
Gegenſatz von Zwang und Freiheit. Wollen, Sollen
und Können ſind nicht mehr getrennt. Und das haben
wir errungen durch die alleinige Pflege des wollenden,
fühlenden und denkenden Bewußtſeins. Jhr konntet es
nicht, denn Jhr mußtet Völker ernähren und Kriege führen.
Jn den äußeren Formen haben wir die Über-
lieferungen unſerer Vorfahren feſtgehalten, ſo weit ſie
uns paſſend erſchienen; ſchönere haben wir bei Euch
nirgends gefunden. Seit den letzten beiden Jahrhunderten,
in denen, wenn auch ſelten, ſich hie und da Schiffe in
unſeren Gewäſſern zeigten, haben wir uns auch um die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |