Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Aladdins Wunderlampe.
Montpellier gepredigt und in seinem Kloster das Halle-
lujah gesungen. So gut wie ein arabischer Scheich
den Kalifen durch Verkürzung der Zeitanschauung, in-
dem er ihn den Kopf in einen Eimer Wasser stecken
ließ, thatsächlich viele Jahre des Elends durchleben ließ,
so gut wird auch die Erzählung von Aladdins Wunder-
lampe sich als wahr bestätigen. Man muß sich nur
die Mühe geben, die Wirkung und Macht des an die
Lampe gebannten Geistes durch die Methode der Tran-
scendental-Psychologie zu erklären."

Alander richtete sich von seiner Beschäftigung auf;
er hatte offenbar den letzten Teil meiner Rede gar-
nicht mehr gehört.

"Seltsam," sagte er. "Wissen Sie was hier steht?
Ganz deutlich ist zu lesen: "Aladdin aus Bagdad":
dahinter, ungefähr dem Sinne nach: "Versuche kein
Gläubiger, was Allah hier verborgen!"

Wir schwiegen, unwillkürlich betroffen.

"Die Schrift ist alt," fuhr Alander fort, "im
zwölften oder dreizehnten Jahrhundert eingeritzt. Höchst
interessant, wahrscheinlich nur ein Zufall -- Aladdins
hat es in Bagdad Tausende gegeben -- denkbar aber
wäre ja eine Beziehung auf das Märchen, und dann
läge darin ein Beweis, daß der Ursprung desselben sehr
viel älter ist, als die uns vorliegende ägyptische Fassung.
Ein Scherz also, den man schon damals sich gemacht
-- vielleicht der Versuch eines Betrügers, die Lampe
als Wunderstückchen an den Mann zu bringen -- jeden-
falls höchst interessant."

Aladdins Wunderlampe.
Montpellier gepredigt und in ſeinem Kloſter das Halle-
lujah geſungen. So gut wie ein arabiſcher Scheich
den Kalifen durch Verkürzung der Zeitanſchauung, in-
dem er ihn den Kopf in einen Eimer Waſſer ſtecken
ließ, thatſächlich viele Jahre des Elends durchleben ließ,
ſo gut wird auch die Erzählung von Aladdins Wunder-
lampe ſich als wahr beſtätigen. Man muß ſich nur
die Mühe geben, die Wirkung und Macht des an die
Lampe gebannten Geiſtes durch die Methode der Tran-
ſcendental-Pſychologie zu erklären.“

Alander richtete ſich von ſeiner Beſchäftigung auf;
er hatte offenbar den letzten Teil meiner Rede gar-
nicht mehr gehört.

„Seltſam,“ ſagte er. „Wiſſen Sie was hier ſteht?
Ganz deutlich iſt zu leſen: „Aladdin aus Bagdad“:
dahinter, ungefähr dem Sinne nach: „Verſuche kein
Gläubiger, was Allah hier verborgen!“

Wir ſchwiegen, unwillkürlich betroffen.

„Die Schrift iſt alt,“ fuhr Alander fort, „im
zwölften oder dreizehnten Jahrhundert eingeritzt. Höchſt
intereſſant, wahrſcheinlich nur ein Zufall — Aladdins
hat es in Bagdad Tauſende gegeben — denkbar aber
wäre ja eine Beziehung auf das Märchen, und dann
läge darin ein Beweis, daß der Urſprung desſelben ſehr
viel älter iſt, als die uns vorliegende ägyptiſche Faſſung.
Ein Scherz alſo, den man ſchon damals ſich gemacht
— vielleicht der Verſuch eines Betrügers, die Lampe
als Wunderſtückchen an den Mann zu bringen — jeden-
falls höchſt intereſſant.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aladdins Wunderlampe.</hi></fw><lb/>
Montpellier gepredigt und in &#x017F;einem Klo&#x017F;ter das Halle-<lb/>
lujah ge&#x017F;ungen. So gut wie ein arabi&#x017F;cher Scheich<lb/>
den Kalifen durch Verkürzung der Zeitan&#x017F;chauung, in-<lb/>
dem er ihn den Kopf in einen Eimer Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tecken<lb/>
ließ, that&#x017F;ächlich viele Jahre des Elends durchleben ließ,<lb/>
&#x017F;o gut wird auch die Erzählung von Aladdins Wunder-<lb/>
lampe &#x017F;ich als wahr be&#x017F;tätigen. Man muß &#x017F;ich nur<lb/>
die Mühe geben, die Wirkung und Macht des an die<lb/>
Lampe gebannten Gei&#x017F;tes durch die Methode der Tran-<lb/>
&#x017F;cendental-P&#x017F;ychologie zu erklären.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Alander richtete &#x017F;ich von &#x017F;einer Be&#x017F;chäftigung auf;<lb/>
er hatte offenbar den letzten Teil meiner Rede gar-<lb/>
nicht mehr gehört.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Selt&#x017F;am,&#x201C; &#x017F;agte er. &#x201E;Wi&#x017F;&#x017F;en Sie was hier &#x017F;teht?<lb/>
Ganz deutlich i&#x017F;t zu le&#x017F;en: &#x201E;Aladdin aus Bagdad&#x201C;:<lb/>
dahinter, ungefähr dem Sinne nach: &#x201E;Ver&#x017F;uche kein<lb/>
Gläubiger, was Allah hier verborgen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;chwiegen, unwillkürlich betroffen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Schrift i&#x017F;t alt,&#x201C; fuhr Alander fort, &#x201E;im<lb/>
zwölften oder dreizehnten Jahrhundert eingeritzt. Höch&#x017F;t<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ant, wahr&#x017F;cheinlich nur ein Zufall &#x2014; Aladdins<lb/>
hat es in Bagdad Tau&#x017F;ende gegeben &#x2014; denkbar aber<lb/>
wäre ja eine Beziehung auf das Märchen, und dann<lb/>
läge darin ein Beweis, daß der Ur&#x017F;prung des&#x017F;elben &#x017F;ehr<lb/>
viel älter i&#x017F;t, als die uns vorliegende ägypti&#x017F;che Fa&#x017F;&#x017F;ung.<lb/>
Ein Scherz al&#x017F;o, den man &#x017F;chon damals &#x017F;ich gemacht<lb/>
&#x2014; vielleicht der Ver&#x017F;uch eines Betrügers, die Lampe<lb/>
als Wunder&#x017F;tückchen an den Mann zu bringen &#x2014; jeden-<lb/>
falls höch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] Aladdins Wunderlampe. Montpellier gepredigt und in ſeinem Kloſter das Halle- lujah geſungen. So gut wie ein arabiſcher Scheich den Kalifen durch Verkürzung der Zeitanſchauung, in- dem er ihn den Kopf in einen Eimer Waſſer ſtecken ließ, thatſächlich viele Jahre des Elends durchleben ließ, ſo gut wird auch die Erzählung von Aladdins Wunder- lampe ſich als wahr beſtätigen. Man muß ſich nur die Mühe geben, die Wirkung und Macht des an die Lampe gebannten Geiſtes durch die Methode der Tran- ſcendental-Pſychologie zu erklären.“ Alander richtete ſich von ſeiner Beſchäftigung auf; er hatte offenbar den letzten Teil meiner Rede gar- nicht mehr gehört. „Seltſam,“ ſagte er. „Wiſſen Sie was hier ſteht? Ganz deutlich iſt zu leſen: „Aladdin aus Bagdad“: dahinter, ungefähr dem Sinne nach: „Verſuche kein Gläubiger, was Allah hier verborgen!“ Wir ſchwiegen, unwillkürlich betroffen. „Die Schrift iſt alt,“ fuhr Alander fort, „im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert eingeritzt. Höchſt intereſſant, wahrſcheinlich nur ein Zufall — Aladdins hat es in Bagdad Tauſende gegeben — denkbar aber wäre ja eine Beziehung auf das Märchen, und dann läge darin ein Beweis, daß der Urſprung desſelben ſehr viel älter iſt, als die uns vorliegende ägyptiſche Faſſung. Ein Scherz alſo, den man ſchon damals ſich gemacht — vielleicht der Verſuch eines Betrügers, die Lampe als Wunderſtückchen an den Mann zu bringen — jeden- falls höchſt intereſſant.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/69
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/69>, abgerufen am 21.11.2024.