Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Aladdins Wunderlampe.

"Sklave," sagte ich, "du hast gehört, gehorche!"

"Herr," antwortete der Geist kläglich, "ich kann
es nicht bewirken, es wäre gegen die Fallgesetze Galileis
und gegen die Naturgeschichte der weiblichen Hand-
arbeiten."

"Zum Teufel!" rief ich ärgerlich, "was kannst Du
denn eigentlich, fauler Bursche?"

"Alles, was nicht gegen ein Gesetz verstößt, das
durch das Bewußtsein der Zeit verbürgt ist. Aber mir
ist bestimmt, ich solle erlöst sein, sobald mein Herr
keinen Wunsch mehr zu nennen weiß, bei dessen Ge-
währung ich nicht durch mein Eingreifen den Kausal-
zusammenhang der Welt zerstören würde."

"Nun denn," sagte ich resigniert, "so hebe wenig-
stens das Knäuel auf, das wird ja doch wohl gegen
kein Gesetz verstoßen."

"Verzeiht mir, Herr, auch das ist mir nicht möglich."

"Und warum nicht?"

"Nach den Gesetzen des Universums, deren Not-
wendigkeit die moderne Wissenschaft voraussetzt, ist Deinen
Muskeln bestimmt, heute abend durch Beugen Deines
Rumpfes 916,11 Meter-Kilogramm Arbeit zu leisten.
Wenn ich Dir hievon auch nur fünf Procent abnähme,
so würde ein Ueberschuß von Energie in Dir aufge-
speichert werden, welcher sich in Gehirnthätigkeit umsetzen
und einen transscendental-psychologischen Artikel er-
zeugen würde; denn hierzu genügt schon ein Minimum
von Energie. Dadurch würden zwar sechsundzwanzig
Leser veranlaßt werden das betreffende Blatt abzu-

Aladdins Wunderlampe.

„Sklave,“ ſagte ich, „du haſt gehört, gehorche!“

„Herr,“ antwortete der Geiſt kläglich, „ich kann
es nicht bewirken, es wäre gegen die Fallgeſetze Galileis
und gegen die Naturgeſchichte der weiblichen Hand-
arbeiten.“

„Zum Teufel!“ rief ich ärgerlich, „was kannſt Du
denn eigentlich, fauler Burſche?“

„Alles, was nicht gegen ein Geſetz verſtößt, das
durch das Bewußtſein der Zeit verbürgt iſt. Aber mir
iſt beſtimmt, ich ſolle erlöſt ſein, ſobald mein Herr
keinen Wunſch mehr zu nennen weiß, bei deſſen Ge-
währung ich nicht durch mein Eingreifen den Kauſal-
zuſammenhang der Welt zerſtören würde.“

„Nun denn,“ ſagte ich reſigniert, „ſo hebe wenig-
ſtens das Knäuel auf, das wird ja doch wohl gegen
kein Geſetz verſtoßen.“

„Verzeiht mir, Herr, auch das iſt mir nicht möglich.“

„Und warum nicht?“

„Nach den Geſetzen des Univerſums, deren Not-
wendigkeit die moderne Wiſſenſchaft vorausſetzt, iſt Deinen
Muskeln beſtimmt, heute abend durch Beugen Deines
Rumpfes 916,11 Meter-Kilogramm Arbeit zu leiſten.
Wenn ich Dir hievon auch nur fünf Procent abnähme,
ſo würde ein Ueberſchuß von Energie in Dir aufge-
ſpeichert werden, welcher ſich in Gehirnthätigkeit umſetzen
und einen transſcendental-pſychologiſchen Artikel er-
zeugen würde; denn hierzu genügt ſchon ein Minimum
von Energie. Dadurch würden zwar ſechsundzwanzig
Leſer veranlaßt werden das betreffende Blatt abzu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0082" n="76"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aladdins Wunderlampe.</hi> </fw><lb/>
        <p>&#x201E;Sklave,&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;du ha&#x017F;t gehört, gehorche!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr,&#x201C; antwortete der Gei&#x017F;t kläglich, &#x201E;ich kann<lb/>
es nicht bewirken, es wäre gegen die Fallge&#x017F;etze Galileis<lb/>
und gegen die Naturge&#x017F;chichte der weiblichen Hand-<lb/>
arbeiten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zum Teufel!&#x201C; rief ich ärgerlich, &#x201E;was kann&#x017F;t Du<lb/>
denn eigentlich, fauler Bur&#x017F;che?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alles, was nicht gegen ein Ge&#x017F;etz ver&#x017F;tößt, das<lb/>
durch das Bewußt&#x017F;ein der Zeit verbürgt i&#x017F;t. Aber mir<lb/>
i&#x017F;t be&#x017F;timmt, ich &#x017F;olle erlö&#x017F;t &#x017F;ein, &#x017F;obald mein Herr<lb/>
keinen Wun&#x017F;ch mehr zu nennen weiß, bei de&#x017F;&#x017F;en Ge-<lb/>
währung ich nicht durch mein Eingreifen den Kau&#x017F;al-<lb/>
zu&#x017F;ammenhang der Welt zer&#x017F;tören würde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun denn,&#x201C; &#x017F;agte ich re&#x017F;igniert, &#x201E;&#x017F;o hebe wenig-<lb/>
&#x017F;tens das Knäuel auf, das wird ja doch wohl gegen<lb/>
kein Ge&#x017F;etz ver&#x017F;toßen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verzeiht mir, Herr, auch das i&#x017F;t mir nicht möglich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und warum nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nach den Ge&#x017F;etzen des Univer&#x017F;ums, deren Not-<lb/>
wendigkeit die moderne Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft voraus&#x017F;etzt, i&#x017F;t Deinen<lb/>
Muskeln be&#x017F;timmt, heute abend durch Beugen Deines<lb/>
Rumpfes 916,11 Meter-Kilogramm Arbeit zu lei&#x017F;ten.<lb/>
Wenn ich Dir hievon auch nur fünf Procent abnähme,<lb/>
&#x017F;o würde ein Ueber&#x017F;chuß von Energie in Dir aufge-<lb/>
&#x017F;peichert werden, welcher &#x017F;ich in Gehirnthätigkeit um&#x017F;etzen<lb/>
und einen trans&#x017F;cendental-p&#x017F;ychologi&#x017F;chen Artikel er-<lb/>
zeugen würde; denn hierzu genügt &#x017F;chon ein Minimum<lb/>
von Energie. Dadurch würden zwar &#x017F;echsundzwanzig<lb/>
Le&#x017F;er veranlaßt werden das betreffende Blatt abzu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0082] Aladdins Wunderlampe. „Sklave,“ ſagte ich, „du haſt gehört, gehorche!“ „Herr,“ antwortete der Geiſt kläglich, „ich kann es nicht bewirken, es wäre gegen die Fallgeſetze Galileis und gegen die Naturgeſchichte der weiblichen Hand- arbeiten.“ „Zum Teufel!“ rief ich ärgerlich, „was kannſt Du denn eigentlich, fauler Burſche?“ „Alles, was nicht gegen ein Geſetz verſtößt, das durch das Bewußtſein der Zeit verbürgt iſt. Aber mir iſt beſtimmt, ich ſolle erlöſt ſein, ſobald mein Herr keinen Wunſch mehr zu nennen weiß, bei deſſen Ge- währung ich nicht durch mein Eingreifen den Kauſal- zuſammenhang der Welt zerſtören würde.“ „Nun denn,“ ſagte ich reſigniert, „ſo hebe wenig- ſtens das Knäuel auf, das wird ja doch wohl gegen kein Geſetz verſtoßen.“ „Verzeiht mir, Herr, auch das iſt mir nicht möglich.“ „Und warum nicht?“ „Nach den Geſetzen des Univerſums, deren Not- wendigkeit die moderne Wiſſenſchaft vorausſetzt, iſt Deinen Muskeln beſtimmt, heute abend durch Beugen Deines Rumpfes 916,11 Meter-Kilogramm Arbeit zu leiſten. Wenn ich Dir hievon auch nur fünf Procent abnähme, ſo würde ein Ueberſchuß von Energie in Dir aufge- ſpeichert werden, welcher ſich in Gehirnthätigkeit umſetzen und einen transſcendental-pſychologiſchen Artikel er- zeugen würde; denn hierzu genügt ſchon ein Minimum von Energie. Dadurch würden zwar ſechsundzwanzig Leſer veranlaßt werden das betreffende Blatt abzu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/82
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/82>, abgerufen am 24.11.2024.