handen, daß wir mit Hilfe unserer bewaffneten Fühler bald die Menschensprache vollständig beherrschen werden. Auch ein Sehrohr ist konstruiert worden, wodurch wir selbst bei Tageslicht entfernte Gegenstände wahrnehmen können.
Flügelsonne 8.
Jetzt geht es lustig im Stock zu! Wir haben wieder eine geflügelte Jugend. Mädchen und Knaben tummeln sich draußen, es ist nicht leicht sie zu hüten. Frei schweben sie in der Luft, wir alten Führer laufen unten herum und sind nicht imstande sie zu tasteln. Nun, das Vergnügen ist ein kurzes -- wenige Sonnen, und die Flügel müssen fallen!
Flügelsonne 9.
Von der Erpedition höre ich, daß die Menschen sogar Bücher über uns Ameisen geschrieben haben. Selbstverständlich lauter Unsinn! Von unsern Verkehrs- mitteln haben sie keine Ahnung, unsere Organe deuten sie ganz falsch, weil sie sich nach ihren groben Sinnen richten. Sie wissen nicht, wie fein und modulations- fähig unsere Tasterschwingungen sind, und daß die Keulen- käferchen die Fähigkeit haben, diese Tasterschwingungen aufzunehmen, festzuhalten und nach Belieben wieder- zugeben. Daher zerbrechen sie sich den Kopf, wozu wir die Keulenkäferchen im Stock halten und füttern, denn sie können nicht begreifen, daß diese unsere lebendige Bibliothek sind. Da bilden sie sich wer weiß was auf ein neues Jnstrument ein, was einer von ihnen erfun- den hat, um die Töne festzuhalten und wiederzugeben.
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
handen, daß wir mit Hilfe unſerer bewaffneten Fühler bald die Menſchenſprache vollſtändig beherrſchen werden. Auch ein Sehrohr iſt konſtruiert worden, wodurch wir ſelbſt bei Tageslicht entfernte Gegenſtände wahrnehmen können.
Flügelſonne 8.
Jetzt geht es luſtig im Stock zu! Wir haben wieder eine geflügelte Jugend. Mädchen und Knaben tummeln ſich draußen, es iſt nicht leicht ſie zu hüten. Frei ſchweben ſie in der Luft, wir alten Führer laufen unten herum und ſind nicht imſtande ſie zu taſteln. Nun, das Vergnügen iſt ein kurzes — wenige Sonnen, und die Flügel müſſen fallen!
Flügelſonne 9.
Von der Erpedition höre ich, daß die Menſchen ſogar Bücher über uns Ameiſen geſchrieben haben. Selbſtverſtändlich lauter Unſinn! Von unſern Verkehrs- mitteln haben ſie keine Ahnung, unſere Organe deuten ſie ganz falſch, weil ſie ſich nach ihren groben Sinnen richten. Sie wiſſen nicht, wie fein und modulations- fähig unſere Taſterſchwingungen ſind, und daß die Keulen- käferchen die Fähigkeit haben, dieſe Taſterſchwingungen aufzunehmen, feſtzuhalten und nach Belieben wieder- zugeben. Daher zerbrechen ſie ſich den Kopf, wozu wir die Keulenkäferchen im Stock halten und füttern, denn ſie können nicht begreifen, daß dieſe unſere lebendige Bibliothek ſind. Da bilden ſie ſich wer weiß was auf ein neues Jnſtrument ein, was einer von ihnen erfun- den hat, um die Töne feſtzuhalten und wiederzugeben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0096"n="90"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi></fw><lb/>
handen, daß wir mit Hilfe unſerer bewaffneten Fühler<lb/>
bald die Menſchenſprache vollſtändig beherrſchen werden.<lb/>
Auch ein Sehrohr iſt konſtruiert worden, wodurch wir<lb/>ſelbſt bei Tageslicht entfernte Gegenſtände wahrnehmen<lb/>
können.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Flügelſonne 8.</hi></head><lb/><p>Jetzt geht es luſtig im Stock zu! Wir haben wieder<lb/>
eine geflügelte Jugend. Mädchen und Knaben tummeln<lb/>ſich draußen, es iſt nicht leicht ſie zu hüten. Frei<lb/>ſchweben ſie in der Luft, wir alten Führer laufen unten<lb/>
herum und ſind nicht imſtande ſie zu taſteln. Nun,<lb/>
das Vergnügen iſt ein kurzes — wenige Sonnen, und<lb/>
die Flügel müſſen fallen!</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Flügelſonne 9.</hi></head><lb/><p>Von der Erpedition höre ich, daß die Menſchen<lb/>ſogar Bücher über uns Ameiſen geſchrieben haben.<lb/>
Selbſtverſtändlich lauter Unſinn! Von unſern Verkehrs-<lb/>
mitteln haben ſie keine Ahnung, unſere Organe deuten<lb/>ſie ganz falſch, weil ſie ſich nach ihren groben Sinnen<lb/>
richten. Sie wiſſen nicht, wie fein und modulations-<lb/>
fähig unſere Taſterſchwingungen ſind, und daß die Keulen-<lb/>
käferchen die Fähigkeit haben, dieſe Taſterſchwingungen<lb/>
aufzunehmen, feſtzuhalten und nach Belieben wieder-<lb/>
zugeben. Daher zerbrechen ſie ſich den Kopf, wozu wir<lb/>
die Keulenkäferchen im Stock halten und füttern, denn<lb/>ſie können nicht begreifen, daß dieſe unſere lebendige<lb/>
Bibliothek ſind. Da bilden ſie ſich wer weiß was auf<lb/>
ein neues Jnſtrument ein, was einer von ihnen erfun-<lb/>
den hat, um die Töne feſtzuhalten und wiederzugeben.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0096]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
handen, daß wir mit Hilfe unſerer bewaffneten Fühler
bald die Menſchenſprache vollſtändig beherrſchen werden.
Auch ein Sehrohr iſt konſtruiert worden, wodurch wir
ſelbſt bei Tageslicht entfernte Gegenſtände wahrnehmen
können.
Flügelſonne 8.
Jetzt geht es luſtig im Stock zu! Wir haben wieder
eine geflügelte Jugend. Mädchen und Knaben tummeln
ſich draußen, es iſt nicht leicht ſie zu hüten. Frei
ſchweben ſie in der Luft, wir alten Führer laufen unten
herum und ſind nicht imſtande ſie zu taſteln. Nun,
das Vergnügen iſt ein kurzes — wenige Sonnen, und
die Flügel müſſen fallen!
Flügelſonne 9.
Von der Erpedition höre ich, daß die Menſchen
ſogar Bücher über uns Ameiſen geſchrieben haben.
Selbſtverſtändlich lauter Unſinn! Von unſern Verkehrs-
mitteln haben ſie keine Ahnung, unſere Organe deuten
ſie ganz falſch, weil ſie ſich nach ihren groben Sinnen
richten. Sie wiſſen nicht, wie fein und modulations-
fähig unſere Taſterſchwingungen ſind, und daß die Keulen-
käferchen die Fähigkeit haben, dieſe Taſterſchwingungen
aufzunehmen, feſtzuhalten und nach Belieben wieder-
zugeben. Daher zerbrechen ſie ſich den Kopf, wozu wir
die Keulenkäferchen im Stock halten und füttern, denn
ſie können nicht begreifen, daß dieſe unſere lebendige
Bibliothek ſind. Da bilden ſie ſich wer weiß was auf
ein neues Jnſtrument ein, was einer von ihnen erfun-
den hat, um die Töne feſtzuhalten und wiederzugeben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/96>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.