Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Die Bernsteinhexe. Wittich. Zweifelst Du etwa daran, daß ich's im Stande sei? Liese. Keineswegs! Siehst Du -- darüber kocht eben meine Galle! Euch vornehmen Männern ist Alles preis gegeben: der Friede eines schönen Mädchens, die Ruhe und Ehre einer Familie, ja das Leben der armen Leute, die unter Euch stehn. Jn Wissenschaften und Künsten werdet Jhr spielend unterrichtet und seid uns wißbegierigen armen Geschöpfen bald in allen Stücken überlegen; dann kommt die große Heldenthat unsrer Verführung, und wenn Jhr der Verführten überdrüssig seid, dann kommt der Lohn! Welcher Lohn? Hohn heißt er, vornehmer Hohn! Das ist Euer Lebenslauf mit armen Geschöpfen, und dann wundert Jhr Euch, Jhr frechen Wichte, daß sich Gift in uns aufsammelt, tödtliches Gift! (Sie stützt sich erschöpft auf den Lehnstuhl ihr Haupt verbergend.) (Pause.) Wittich. Leidenschaftliches Weib, das Du bist! Du weißt, wie wenig Lebenskraft Dir noch zugemessen, und vergeudest sie dergestalt -- Rüdiger (am Fenster bleibend). Sprecht nicht weiter, Herr! Jch bin ein unwillkühr- licher Zuhörer! Wittich (für sich). Daß Dich die Pest! -- Welcher Satan führt Dich 7*
Die Bernſteinhexe. Wittich. Zweifelſt Du etwa daran, daß ich’s im Stande ſei? Lieſe. Keineswegs! Siehſt Du — daruͤber kocht eben meine Galle! Euch vornehmen Maͤnnern iſt Alles preis gegeben: der Friede eines ſchoͤnen Maͤdchens, die Ruhe und Ehre einer Familie, ja das Leben der armen Leute, die unter Euch ſtehn. Jn Wiſſenſchaften und Kuͤnſten werdet Jhr ſpielend unterrichtet und ſeid uns wißbegierigen armen Geſchoͤpfen bald in allen Stuͤcken uͤberlegen; dann kommt die große Heldenthat unſrer Verfuͤhrung, und wenn Jhr der Verfuͤhrten uͤberdruͤſſig ſeid, dann kommt der Lohn! Welcher Lohn? Hohn heißt er, vornehmer Hohn! Das iſt Euer Lebenslauf mit armen Geſchoͤpfen, und dann wundert Jhr Euch, Jhr frechen Wichte, daß ſich Gift in uns aufſammelt, toͤdtliches Gift! (Sie ſtuͤtzt ſich erſchoͤpft auf den Lehnſtuhl ihr Haupt verbergend.) (Pauſe.) Wittich. Leidenſchaftliches Weib, das Du biſt! Du weißt, wie wenig Lebenskraft Dir noch zugemeſſen, und vergeudeſt ſie dergeſtalt — Rüdiger (am Fenſter bleibend). Sprecht nicht weiter, Herr! Jch bin ein unwillkuͤhr- licher Zuhoͤrer! Wittich (fuͤr ſich). Daß Dich die Peſt! — Welcher Satan fuͤhrt Dich 7*
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Die Bernſteinhexe.
Wittich.
Zweifelſt Du etwa daran, daß ich’s im Stande ſei?
Lieſe.
Keineswegs! Siehſt Du — daruͤber kocht eben meine
Galle! Euch vornehmen Maͤnnern iſt Alles preis gegeben:
der Friede eines ſchoͤnen Maͤdchens, die Ruhe und Ehre
einer Familie, ja das Leben der armen Leute, die unter
Euch ſtehn. Jn Wiſſenſchaften und Kuͤnſten werdet Jhr
ſpielend unterrichtet und ſeid uns wißbegierigen armen
Geſchoͤpfen bald in allen Stuͤcken uͤberlegen; dann kommt
die große Heldenthat unſrer Verfuͤhrung, und wenn Jhr
der Verfuͤhrten uͤberdruͤſſig ſeid, dann kommt der Lohn!
Welcher Lohn? Hohn heißt er, vornehmer Hohn! Das
iſt Euer Lebenslauf mit armen Geſchoͤpfen, und dann
wundert Jhr Euch, Jhr frechen Wichte, daß ſich Gift in
uns aufſammelt, toͤdtliches Gift! (Sie ſtuͤtzt ſich erſchoͤpft
auf den Lehnſtuhl ihr Haupt verbergend.)
(Pauſe.)
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Leidenſchaftliches Weib, das Du biſt! Du weißt, wie
wenig Lebenskraft Dir noch zugemeſſen, und vergeudeſt
ſie dergeſtalt —
Rüdiger (am Fenſter bleibend).
Sprecht nicht weiter, Herr! Jch bin ein unwillkuͤhr-
licher Zuhoͤrer!
Wittich (fuͤr ſich).
Daß Dich die Peſt! — Welcher Satan fuͤhrt Dich
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Zitationshilfe: | Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/105>, abgerufen am 16.02.2025. |