Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Einleitung. und Kunst an sich ist und eben so viel nützt als die bei-gefügte Kritik, wenn diese Kritik einsichtig ist. Falsche Berichte verwirren unser Theaterwesen mindestens eben so als schiefe Kritiken, denn sie verfälschen die Urtheils- sprüche des großen Publikums, deren Kenntnißnahme für die Entwickelung des Theaters mindestens eben so wichtig ist als die Kenntnißnahme des Urtheilsspruches, welchen der Einzelne fällen zu müssen glaubt. Und warum glaub' ich so bereitwillig, daß mein Stück Tieck hat ein sehr richtiges Wort gesagt: das Stück Diese Grausamkeit ist es aber nicht allein, welche mir Einleitung. und Kunſt an ſich iſt und eben ſo viel nuͤtzt als die bei-gefuͤgte Kritik, wenn dieſe Kritik einſichtig iſt. Falſche Berichte verwirren unſer Theaterweſen mindeſtens eben ſo als ſchiefe Kritiken, denn ſie verfaͤlſchen die Urtheils- ſpruͤche des großen Publikums, deren Kenntnißnahme fuͤr die Entwickelung des Theaters mindeſtens eben ſo wichtig iſt als die Kenntnißnahme des Urtheilsſpruches, welchen der Einzelne faͤllen zu muͤſſen glaubt. Und warum glaub’ ich ſo bereitwillig, daß mein Stuͤck Tieck hat ein ſehr richtiges Wort geſagt: das Stuͤck Dieſe Grauſamkeit iſt es aber nicht allein, welche mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> und Kunſt an ſich iſt und eben ſo viel nuͤtzt als die bei-<lb/> gefuͤgte Kritik, wenn dieſe Kritik einſichtig iſt. Falſche<lb/> Berichte verwirren unſer Theaterweſen mindeſtens eben ſo<lb/> als ſchiefe Kritiken, denn ſie verfaͤlſchen die Urtheils-<lb/> ſpruͤche des großen Publikums, deren Kenntnißnahme fuͤr<lb/> die Entwickelung des Theaters mindeſtens eben ſo wichtig<lb/> iſt als die Kenntnißnahme des Urtheilsſpruches, welchen<lb/> der Einzelne faͤllen zu muͤſſen glaubt.</p><lb/> <p>Und warum glaub’ ich ſo bereitwillig, daß mein Stuͤck<lb/> einem luͤgenhaften Berichterſtatter mißfallen haben muͤſſe?<lb/> Weil es mir ſelbſt in der Auffuͤhrung nicht gefallen hatte.</p><lb/> <p>Tieck hat ein ſehr richtiges Wort geſagt: das Stuͤck<lb/> ſei zu grauſam. Und dabei hat er nicht einmal wie ich zu<lb/> meinem Schrecken mit angeſehn, daß eine Dame inmitten<lb/> der erſten Vorſtellung in Hamburg ohnmaͤchtig wurde.<lb/> Solche Wirkungen ſind keineswegs wuͤnſchenswerth.</p><lb/> <p>Dieſe Grauſamkeit iſt es aber nicht allein, welche mir<lb/> meine eigne Arbeit verleidete. Mich peinigte noch ein an-<lb/> derer Fehler, ein Fehler, welchen die herkoͤmmliche Kri-<lb/> tik wahrſcheinlich einen Vorzug nennen wuͤrde, mich pei-<lb/> nigte die hiſtoriſche Treue. Die Kunſt des Theaters iſt<lb/> nicht dazu vorhanden, bloße Portraits von geſchichtlichen<lb/> Perſonen und Zuſtaͤnden zu geben, nein, ſie iſt eine ganz<lb/> beſtimmte und abgegrenzte Ueberlieferung der Vergangen-<lb/> heit an die lebendige Gegenwart, ſie hat die Vergangen-<lb/> heit nicht als einen Leichnam voruͤberzutragen, nein, ſie<lb/> hat ihn mit dem Hauche der Gegenwart zu beleben. Das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
Einleitung.
und Kunſt an ſich iſt und eben ſo viel nuͤtzt als die bei-
gefuͤgte Kritik, wenn dieſe Kritik einſichtig iſt. Falſche
Berichte verwirren unſer Theaterweſen mindeſtens eben ſo
als ſchiefe Kritiken, denn ſie verfaͤlſchen die Urtheils-
ſpruͤche des großen Publikums, deren Kenntnißnahme fuͤr
die Entwickelung des Theaters mindeſtens eben ſo wichtig
iſt als die Kenntnißnahme des Urtheilsſpruches, welchen
der Einzelne faͤllen zu muͤſſen glaubt.
Und warum glaub’ ich ſo bereitwillig, daß mein Stuͤck
einem luͤgenhaften Berichterſtatter mißfallen haben muͤſſe?
Weil es mir ſelbſt in der Auffuͤhrung nicht gefallen hatte.
Tieck hat ein ſehr richtiges Wort geſagt: das Stuͤck
ſei zu grauſam. Und dabei hat er nicht einmal wie ich zu
meinem Schrecken mit angeſehn, daß eine Dame inmitten
der erſten Vorſtellung in Hamburg ohnmaͤchtig wurde.
Solche Wirkungen ſind keineswegs wuͤnſchenswerth.
Dieſe Grauſamkeit iſt es aber nicht allein, welche mir
meine eigne Arbeit verleidete. Mich peinigte noch ein an-
derer Fehler, ein Fehler, welchen die herkoͤmmliche Kri-
tik wahrſcheinlich einen Vorzug nennen wuͤrde, mich pei-
nigte die hiſtoriſche Treue. Die Kunſt des Theaters iſt
nicht dazu vorhanden, bloße Portraits von geſchichtlichen
Perſonen und Zuſtaͤnden zu geben, nein, ſie iſt eine ganz
beſtimmte und abgegrenzte Ueberlieferung der Vergangen-
heit an die lebendige Gegenwart, ſie hat die Vergangen-
heit nicht als einen Leichnam voruͤberzutragen, nein, ſie
hat ihn mit dem Hauche der Gegenwart zu beleben. Das
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