Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich war zwischen ein doppeltes Leben eingedrängt.
Desdemona kam wieder und sendete mir befruchtende
Lichtstrahlen, die Fürstin erwärmte wie Maiensonne.
Ich habe lange nicht so viel gelebt als an jenem Abende.
Der Fürst kam dazu, und wollte meine Familie und ih¬
ren Stammbaum in Spanien kennen, er schwatzte viel
unnützes, genealogisches Zeug; ich versicherte ihm, daß
ich ein Bastard von einer armen Baskin geboren, und
nur aus Mitleid angenommen und mit meinem jetzigen
Namen beschenkt sei. Er lächelte, meinte, ich sei ein
schnurriger Kauz, und ich solle ihm meine Aufwartung
machen. Die Fürstin warf dazwischen, ich würde wohl
keine Zeit haben; der Fürst fragte, womit ich mich be¬
schäftige. Ich dichte, antwortete ich. Sonst-- fuhr er
fort -- sonst, nahm ich seine Rede auf, studir' ich die
chinesische Geschichte, wegen der schwierigen Stammta¬
feln. Sie sind Historiker? -- Nur mit dem interessan¬
testen Theile der Geschichte, mit der Genealogie und He¬
raldik, beschäftige ich mich. Jetzt schien er's zu glau¬
ben, nur die Fürstin schüttelte leicht das Köpfchen
und lächelte. Ich weiß alle guten Familien von Re¬
bucadnezar herunter -- fuhr ich fort. "Hatten denn
die Alten auch Wappen?" -- O ja, sie trugen sie an

Ich war zwiſchen ein doppeltes Leben eingedrängt.
Desdemona kam wieder und ſendete mir befruchtende
Lichtſtrahlen, die Fürſtin erwärmte wie Maienſonne.
Ich habe lange nicht ſo viel gelebt als an jenem Abende.
Der Fürſt kam dazu, und wollte meine Familie und ih¬
ren Stammbaum in Spanien kennen, er ſchwatzte viel
unnützes, genealogiſches Zeug; ich verſicherte ihm, daß
ich ein Baſtard von einer armen Baskin geboren, und
nur aus Mitleid angenommen und mit meinem jetzigen
Namen beſchenkt ſei. Er lächelte, meinte, ich ſei ein
ſchnurriger Kauz, und ich ſolle ihm meine Aufwartung
machen. Die Fürſtin warf dazwiſchen, ich würde wohl
keine Zeit haben; der Fürſt fragte, womit ich mich be¬
ſchäftige. Ich dichte, antwortete ich. Sonſt— fuhr er
fort — ſonſt, nahm ich ſeine Rede auf, ſtudir' ich die
chineſiſche Geſchichte, wegen der ſchwierigen Stammta¬
feln. Sie ſind Hiſtoriker? — Nur mit dem intereſſan¬
teſten Theile der Geſchichte, mit der Genealogie und He¬
raldik, beſchäftige ich mich. Jetzt ſchien er's zu glau¬
ben, nur die Fürſtin ſchüttelte leicht das Köpfchen
und lächelte. Ich weiß alle guten Familien von Re¬
bucadnezar herunter — fuhr ich fort. „Hatten denn
die Alten auch Wappen?„ — O ja, ſie trugen ſie an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="101"/>
        <p>Ich war zwi&#x017F;chen ein doppeltes Leben eingedrängt.<lb/>
Desdemona kam wieder und &#x017F;endete mir befruchtende<lb/>
Licht&#x017F;trahlen, die Für&#x017F;tin erwärmte wie Maien&#x017F;onne.<lb/>
Ich habe lange nicht &#x017F;o viel gelebt als an jenem Abende.<lb/>
Der Für&#x017F;t kam dazu, und wollte meine Familie und ih¬<lb/>
ren Stammbaum in Spanien kennen, er &#x017F;chwatzte viel<lb/>
unnützes, genealogi&#x017F;ches Zeug; ich ver&#x017F;icherte ihm, daß<lb/>
ich ein Ba&#x017F;tard von einer armen Baskin geboren, und<lb/>
nur aus Mitleid angenommen und mit meinem jetzigen<lb/>
Namen be&#x017F;chenkt &#x017F;ei. Er lächelte, meinte, ich &#x017F;ei ein<lb/>
&#x017F;chnurriger Kauz, und ich &#x017F;olle ihm meine Aufwartung<lb/>
machen. Die Für&#x017F;tin warf dazwi&#x017F;chen, ich würde wohl<lb/>
keine Zeit haben; der Für&#x017F;t fragte, womit ich mich be¬<lb/>
&#x017F;chäftige. Ich dichte, antwortete ich. Son&#x017F;t&#x2014; fuhr er<lb/>
fort &#x2014; &#x017F;on&#x017F;t, nahm ich &#x017F;eine Rede auf, &#x017F;tudir' ich die<lb/>
chine&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;chichte, wegen der &#x017F;chwierigen Stammta¬<lb/>
feln. Sie &#x017F;ind Hi&#x017F;toriker? &#x2014; Nur mit dem intere&#x017F;&#x017F;an¬<lb/>
te&#x017F;ten Theile der Ge&#x017F;chichte, mit der Genealogie und He¬<lb/>
raldik, be&#x017F;chäftige ich mich. Jetzt &#x017F;chien er's zu glau¬<lb/>
ben, nur die Für&#x017F;tin &#x017F;chüttelte leicht das Köpfchen<lb/>
und lächelte. Ich weiß alle guten Familien von Re¬<lb/>
bucadnezar herunter &#x2014; fuhr ich fort. &#x201E;Hatten denn<lb/>
die Alten auch Wappen?&#x201E; &#x2014; O ja, &#x017F;ie trugen &#x017F;ie an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0111] Ich war zwiſchen ein doppeltes Leben eingedrängt. Desdemona kam wieder und ſendete mir befruchtende Lichtſtrahlen, die Fürſtin erwärmte wie Maienſonne. Ich habe lange nicht ſo viel gelebt als an jenem Abende. Der Fürſt kam dazu, und wollte meine Familie und ih¬ ren Stammbaum in Spanien kennen, er ſchwatzte viel unnützes, genealogiſches Zeug; ich verſicherte ihm, daß ich ein Baſtard von einer armen Baskin geboren, und nur aus Mitleid angenommen und mit meinem jetzigen Namen beſchenkt ſei. Er lächelte, meinte, ich ſei ein ſchnurriger Kauz, und ich ſolle ihm meine Aufwartung machen. Die Fürſtin warf dazwiſchen, ich würde wohl keine Zeit haben; der Fürſt fragte, womit ich mich be¬ ſchäftige. Ich dichte, antwortete ich. Sonſt— fuhr er fort — ſonſt, nahm ich ſeine Rede auf, ſtudir' ich die chineſiſche Geſchichte, wegen der ſchwierigen Stammta¬ feln. Sie ſind Hiſtoriker? — Nur mit dem intereſſan¬ teſten Theile der Geſchichte, mit der Genealogie und He¬ raldik, beſchäftige ich mich. Jetzt ſchien er's zu glau¬ ben, nur die Fürſtin ſchüttelte leicht das Köpfchen und lächelte. Ich weiß alle guten Familien von Re¬ bucadnezar herunter — fuhr ich fort. „Hatten denn die Alten auch Wappen?„ — O ja, ſie trugen ſie an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/111
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/111>, abgerufen am 23.11.2024.