Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, die schmerzlichste, rührendste, tragische Maske, die
je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndste Trauer
ruhte, sah so durchweichend theilgebend in mein Antlitz,
daß alles sinnliche Leben zum ersten Male diesem Weibe
gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße
Hand tändelte wie arabischer Wohlgeruch auf meinen
Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬
sten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin,
so ward unsere Vereinigung darum vielleicht so wunder¬
lich, so tödtlich -- ich weiß es, Desdemona wird nie
einen Mann nach mir lieben. Sie legte sich wie ein
süß schmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend
bat, ihn nicht zu verscheuchen. Ich sollte ihr erzählen,
was mir begegnet sei. Die kleinlichen Winkelzüge der
platten Glücksritter hasse ich; dieser Seele gegenüber, die
mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag,
hätte ich das Schrecklichste nicht verschwiegen: ich erzählte
ihr lächelnd mit Weglassung der Namen -- Alles. Das
Zuhören dieses Weibes bekundete eine Liebe, wie ich sie
auf dieser Welt noch nicht gesehen. Nicht die flüchtigste
Entrüstung flog über das schöne Gesicht, ja sie lächelte
mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und
als ich zu End' war, hielt sie mir die Augen zu und

gen, die ſchmerzlichſte, rührendſte, tragiſche Maske, die
je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndſte Trauer
ruhte, ſah ſo durchweichend theilgebend in mein Antlitz,
daß alles ſinnliche Leben zum erſten Male dieſem Weibe
gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße
Hand tändelte wie arabiſcher Wohlgeruch auf meinen
Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬
ſten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin,
ſo ward unſere Vereinigung darum vielleicht ſo wunder¬
lich, ſo tödtlich — ich weiß es, Desdemona wird nie
einen Mann nach mir lieben. Sie legte ſich wie ein
ſüß ſchmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend
bat, ihn nicht zu verſcheuchen. Ich ſollte ihr erzählen,
was mir begegnet ſei. Die kleinlichen Winkelzüge der
platten Glücksritter haſſe ich; dieſer Seele gegenüber, die
mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag,
hätte ich das Schrecklichſte nicht verſchwiegen: ich erzählte
ihr lächelnd mit Weglaſſung der Namen — Alles. Das
Zuhören dieſes Weibes bekundete eine Liebe, wie ich ſie
auf dieſer Welt noch nicht geſehen. Nicht die flüchtigſte
Entrüſtung flog über das ſchöne Geſicht, ja ſie lächelte
mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und
als ich zu End' war, hielt ſie mir die Augen zu und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="144"/>
gen, die &#x017F;chmerzlich&#x017F;te, rührend&#x017F;te, tragi&#x017F;che Maske, die<lb/>
je ein Maler gebildet, worauf die bezaubernd&#x017F;te Trauer<lb/>
ruhte, &#x017F;ah &#x017F;o durchweichend theilgebend in mein Antlitz,<lb/>
daß alles &#x017F;innliche Leben zum er&#x017F;ten Male die&#x017F;em Weibe<lb/>
gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße<lb/>
Hand tändelte wie arabi&#x017F;cher Wohlgeruch auf meinen<lb/>
Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬<lb/>
&#x017F;ten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin,<lb/>
&#x017F;o ward un&#x017F;ere Vereinigung darum vielleicht &#x017F;o wunder¬<lb/>
lich, &#x017F;o tödtlich &#x2014; ich weiß es, Desdemona wird nie<lb/>
einen Mann nach mir lieben. Sie legte &#x017F;ich wie ein<lb/>
&#x017F;üß &#x017F;chmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend<lb/>
bat, ihn nicht zu ver&#x017F;cheuchen. Ich &#x017F;ollte ihr erzählen,<lb/>
was mir begegnet &#x017F;ei. Die kleinlichen Winkelzüge der<lb/>
platten Glücksritter ha&#x017F;&#x017F;e ich; die&#x017F;er Seele gegenüber, die<lb/>
mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag,<lb/>
hätte ich das Schrecklich&#x017F;te nicht ver&#x017F;chwiegen: ich erzählte<lb/>
ihr lächelnd mit Wegla&#x017F;&#x017F;ung der Namen &#x2014; Alles. Das<lb/>
Zuhören die&#x017F;es Weibes bekundete eine Liebe, wie ich &#x017F;ie<lb/>
auf die&#x017F;er Welt noch nicht ge&#x017F;ehen. Nicht die flüchtig&#x017F;te<lb/>
Entrü&#x017F;tung flog über das &#x017F;chöne Ge&#x017F;icht, ja &#x017F;ie lächelte<lb/>
mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und<lb/>
als ich zu End' war, hielt &#x017F;ie mir die Augen zu und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0154] gen, die ſchmerzlichſte, rührendſte, tragiſche Maske, die je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndſte Trauer ruhte, ſah ſo durchweichend theilgebend in mein Antlitz, daß alles ſinnliche Leben zum erſten Male dieſem Weibe gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße Hand tändelte wie arabiſcher Wohlgeruch auf meinen Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬ ſten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin, ſo ward unſere Vereinigung darum vielleicht ſo wunder¬ lich, ſo tödtlich — ich weiß es, Desdemona wird nie einen Mann nach mir lieben. Sie legte ſich wie ein ſüß ſchmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend bat, ihn nicht zu verſcheuchen. Ich ſollte ihr erzählen, was mir begegnet ſei. Die kleinlichen Winkelzüge der platten Glücksritter haſſe ich; dieſer Seele gegenüber, die mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag, hätte ich das Schrecklichſte nicht verſchwiegen: ich erzählte ihr lächelnd mit Weglaſſung der Namen — Alles. Das Zuhören dieſes Weibes bekundete eine Liebe, wie ich ſie auf dieſer Welt noch nicht geſehen. Nicht die flüchtigſte Entrüſtung flog über das ſchöne Geſicht, ja ſie lächelte mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und als ich zu End' war, hielt ſie mir die Augen zu und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/154
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/154>, abgerufen am 24.11.2024.