merige Vergangenheit an ihrem Herzen ruht -- aber ich würde es für keinen Gewinn halten, wenn wir heutzutage mit dergleichen beschenkt würden.
Ich bin sehr beschäftigt, und zwar mit den ver¬ schiedenartigsten Dingen. Es besucht mich fast Niemand und ich gehe nur wöchentlich zweimal zu einem Be¬ kannten, mit dem ich Schach spiele, lese, und dessen Flügel ich benutze. Die Musik kommt mir seit langer Zeit vornehm, fremd vor, es ist mir, als ob sie mich über die Achseln ansähe -- so war's doch früher nicht, und ich begreife durchaus nicht, was der Dame ein¬ fällt -- ich glaube, sie liebt den Sekt nicht. Auch bringt sie mich stets ein Wenig aus dem Gleise, es wird mir, als säß ich einer früheren Geliebten gegenüber, der ich untreu geworden, Jünglingserinnerungen klopfen mich unsanft wie Fächerschläge auf die Wangen -- es ist wunderlich, aber ich kann das Klavierspiel nicht lassen, es ist eine schmerzliche Lust, mit allen Geliebten zu plau¬ dern. Außerdem ist das Theater meine einzige Erho¬ lung. Ich bin wirklich, so sehr ich mir Mühe gebe, auch wenn ich ausgestreckt auf dem Sopha liege, nicht ganz ruhig. Ich schreibe dies und das, reiße mich aber mit Gewalt wieder los, denn ich will einige Zeit wieder
merige Vergangenheit an ihrem Herzen ruht — aber ich würde es für keinen Gewinn halten, wenn wir heutzutage mit dergleichen beſchenkt würden.
Ich bin ſehr beſchäftigt, und zwar mit den ver¬ ſchiedenartigſten Dingen. Es beſucht mich faſt Niemand und ich gehe nur wöchentlich zweimal zu einem Be¬ kannten, mit dem ich Schach ſpiele, leſe, und deſſen Flügel ich benutze. Die Muſik kommt mir ſeit langer Zeit vornehm, fremd vor, es iſt mir, als ob ſie mich über die Achſeln anſähe — ſo war's doch früher nicht, und ich begreife durchaus nicht, was der Dame ein¬ fällt — ich glaube, ſie liebt den Sekt nicht. Auch bringt ſie mich ſtets ein Wenig aus dem Gleiſe, es wird mir, als ſäß ich einer früheren Geliebten gegenüber, der ich untreu geworden, Jünglingserinnerungen klopfen mich unſanft wie Fächerſchläge auf die Wangen — es iſt wunderlich, aber ich kann das Klavierſpiel nicht laſſen, es iſt eine ſchmerzliche Luſt, mit allen Geliebten zu plau¬ dern. Außerdem iſt das Theater meine einzige Erho¬ lung. Ich bin wirklich, ſo ſehr ich mir Mühe gebe, auch wenn ich ausgeſtreckt auf dem Sopha liege, nicht ganz ruhig. Ich ſchreibe dies und das, reiße mich aber mit Gewalt wieder los, denn ich will einige Zeit wieder
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merige Vergangenheit an ihrem Herzen ruht — aber
ich würde es für keinen Gewinn halten, wenn wir
heutzutage mit dergleichen beſchenkt würden.
Ich bin ſehr beſchäftigt, und zwar mit den ver¬
ſchiedenartigſten Dingen. Es beſucht mich faſt Niemand
und ich gehe nur wöchentlich zweimal zu einem Be¬
kannten, mit dem ich Schach ſpiele, leſe, und deſſen
Flügel ich benutze. Die Muſik kommt mir ſeit langer
Zeit vornehm, fremd vor, es iſt mir, als ob ſie mich
über die Achſeln anſähe — ſo war's doch früher nicht,
und ich begreife durchaus nicht, was der Dame ein¬
fällt — ich glaube, ſie liebt den Sekt nicht. Auch
bringt ſie mich ſtets ein Wenig aus dem Gleiſe, es
wird mir, als ſäß ich einer früheren Geliebten gegenüber,
der ich untreu geworden, Jünglingserinnerungen klopfen
mich unſanft wie Fächerſchläge auf die Wangen — es
iſt wunderlich, aber ich kann das Klavierſpiel nicht laſſen,
es iſt eine ſchmerzliche Luſt, mit allen Geliebten zu plau¬
dern. Außerdem iſt das Theater meine einzige Erho¬
lung. Ich bin wirklich, ſo ſehr ich mir Mühe gebe,
auch wenn ich ausgeſtreckt auf dem Sopha liege, nicht
ganz ruhig. Ich ſchreibe dies und das, reiße mich aber
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/18>, abgerufen am 16.07.2024.
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