Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.Constantin an Hyppolit. Fähndrich, auf ein Wort! Ihr müßt bis tief in Constantin an Hyppolit. Fähndrich, auf ein Wort! Ihr müßt bis tief in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="14"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b #g">Constantin an Hyppolit.</hi><lb/> </head> <p>Fähndrich, auf ein Wort! Ihr müßt bis tief in<lb/> die Nacht bei der ehrſamen Wittwe von Epheſus im<lb/> Promenadengäßchen geſeſſen haben, daß Ihr nicht dazu<lb/> gekommen ſeid, meine Epiſtel zu beantworten. Ich<lb/> will nicht hoffen, Piſtol, daß meine Intrigue ſo wenig<lb/> Intereſſe für Dich gehabt hat, ich ſollte doch mei¬<lb/> nen, ſie müßte Deinem abenteuerlichen Sinne zuſagen.<lb/> Wem ſoll ich ſie denn erzählen, wenn Du nicht hören<lb/> willſt. Vor Valerius hab' ich in dieſer Rückſicht eine<lb/> unüberwindliche Scheu — wäre er prüde und fromm<lb/> wie William, und ſagte er mir wie dieſer: du biſt ein<lb/> unmoraliſcher Menſch, ſo würde ich lachen, und es<lb/> würde mich nicht berühren: Du weißt wie ich über ob¬<lb/> jektive Moral denke. Aber ich ſehe ſeine großen klaren<lb/> Augen dabei centnerſchwer auf mich fallen und mit er¬<lb/> drückender Wehmuth auf mir verweilen — das ertrag'<lb/> ich nicht. Ich weiß, er geſtattet eine rein ſubjective<lb/> Sittlichkeit, aber ſein wenn auch wohlwollender Blick<lb/> dringt ſo ſchonungslos in alle Ritze meines Weſens,<lb/> daß ich immer zu fühlen glaube, es beginne ein mur¬<lb/> melndes Bröckeln und Löſen meiner innern Wände. Er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0024]
Constantin an Hyppolit.
Fähndrich, auf ein Wort! Ihr müßt bis tief in
die Nacht bei der ehrſamen Wittwe von Epheſus im
Promenadengäßchen geſeſſen haben, daß Ihr nicht dazu
gekommen ſeid, meine Epiſtel zu beantworten. Ich
will nicht hoffen, Piſtol, daß meine Intrigue ſo wenig
Intereſſe für Dich gehabt hat, ich ſollte doch mei¬
nen, ſie müßte Deinem abenteuerlichen Sinne zuſagen.
Wem ſoll ich ſie denn erzählen, wenn Du nicht hören
willſt. Vor Valerius hab' ich in dieſer Rückſicht eine
unüberwindliche Scheu — wäre er prüde und fromm
wie William, und ſagte er mir wie dieſer: du biſt ein
unmoraliſcher Menſch, ſo würde ich lachen, und es
würde mich nicht berühren: Du weißt wie ich über ob¬
jektive Moral denke. Aber ich ſehe ſeine großen klaren
Augen dabei centnerſchwer auf mich fallen und mit er¬
drückender Wehmuth auf mir verweilen — das ertrag'
ich nicht. Ich weiß, er geſtattet eine rein ſubjective
Sittlichkeit, aber ſein wenn auch wohlwollender Blick
dringt ſo ſchonungslos in alle Ritze meines Weſens,
daß ich immer zu fühlen glaube, es beginne ein mur¬
melndes Bröckeln und Löſen meiner innern Wände. Er
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