Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

um mein Aushängeschild gar nicht bekümmerte. Das
ist die Poesie des Liebens, daß sie hundert Augen für
den Liebenden und nicht einen Blick für den Bürger
hat. Man redet sich's wenistens vor, und weil man
Täuschung sucht, findet man sie, es ist ja all' dies Lie¬
beswesen nur ein künstlich Gestell, ein ungeschickter Stoß
und es kracht zusammen -- die Leute, welche sich selbst
und gegenseitig am geschicktesten zu täuschen verstehen,
lieben am glücklichsten. Rosa konnte an Deinem wohl¬
gebildeten und wie immer sehr elegant ausstaffirten Sir
John leicht erkennen, daß er eine respectable Stelle
in der bürgerlichen Gesellschaft einnehme -- aber es
freute mich doch, daß sie nicht fragte.

Die kleine Bajadere bereitete auf das Zierlichste
Thee und ich improvisirte ihr unterdeß das Sujet eines
phantastischen Ballets. Sie lachte und klatschte mitunter
in die Hände dazu, machte rasch eine Pantomine mei¬
nes Ballets, und setzte sich endlich behaglich zu mir aufs
Sopha, sah mir lächelnd in die Augen, schlürfte Thee,
und versicherte mich, daß ich recht hübsch zu schwätzen
wüsse. Ich nahm ihre Hand und küßte sie, und behielt
sie, und betrachtete mit Wonne den schönen weißen Arm,
den sie im leichten Gewande bis dicht an die Schulter

um mein Aushängeſchild gar nicht bekümmerte. Das
iſt die Poeſie des Liebens, daß ſie hundert Augen für
den Liebenden und nicht einen Blick für den Bürger
hat. Man redet ſich's weniſtens vor, und weil man
Täuſchung ſucht, findet man ſie, es iſt ja all' dies Lie¬
besweſen nur ein künſtlich Geſtell, ein ungeſchickter Stoß
und es kracht zuſammen — die Leute, welche ſich ſelbſt
und gegenſeitig am geſchickteſten zu täuſchen verſtehen,
lieben am glücklichſten. Roſa konnte an Deinem wohl¬
gebildeten und wie immer ſehr elegant ausſtaffirten Sir
John leicht erkennen, daß er eine reſpectable Stelle
in der bürgerlichen Geſellſchaft einnehme — aber es
freute mich doch, daß ſie nicht fragte.

Die kleine Bajadere bereitete auf das Zierlichſte
Thee und ich improviſirte ihr unterdeß das Sujet eines
phantaſtiſchen Ballets. Sie lachte und klatſchte mitunter
in die Hände dazu, machte raſch eine Pantomine mei¬
nes Ballets, und ſetzte ſich endlich behaglich zu mir aufs
Sopha, ſah mir lächelnd in die Augen, ſchlürfte Thee,
und verſicherte mich, daß ich recht hübſch zu ſchwätzen
wüſſe. Ich nahm ihre Hand und küßte ſie, und behielt
ſie, und betrachtete mit Wonne den ſchönen weißen Arm,
den ſie im leichten Gewande bis dicht an die Schulter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="21"/>
um mein Aushänge&#x017F;child gar nicht bekümmerte. Das<lb/>
i&#x017F;t die Poe&#x017F;ie des Liebens, daß &#x017F;ie hundert Augen für<lb/>
den Liebenden und nicht einen Blick für den Bürger<lb/>
hat. Man redet &#x017F;ich's weni&#x017F;tens vor, und weil man<lb/>
Täu&#x017F;chung &#x017F;ucht, findet man &#x017F;ie, es i&#x017F;t ja all' dies Lie¬<lb/>
beswe&#x017F;en nur ein kün&#x017F;tlich Ge&#x017F;tell, ein unge&#x017F;chickter Stoß<lb/>
und es kracht zu&#x017F;ammen &#x2014; die Leute, welche &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und gegen&#x017F;eitig am ge&#x017F;chickte&#x017F;ten zu täu&#x017F;chen ver&#x017F;tehen,<lb/>
lieben am glücklich&#x017F;ten. Ro&#x017F;a konnte an Deinem wohl¬<lb/>
gebildeten und wie immer &#x017F;ehr elegant aus&#x017F;taffirten Sir<lb/>
John leicht erkennen, daß er eine re&#x017F;pectable Stelle<lb/>
in der bürgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft einnehme &#x2014; aber es<lb/>
freute mich doch, daß &#x017F;ie nicht fragte.</p><lb/>
        <p>Die kleine Bajadere bereitete auf das Zierlich&#x017F;te<lb/>
Thee und ich improvi&#x017F;irte ihr unterdeß das Sujet eines<lb/>
phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Ballets. Sie lachte und klat&#x017F;chte mitunter<lb/>
in die Hände dazu, machte ra&#x017F;ch eine Pantomine mei¬<lb/>
nes Ballets, und &#x017F;etzte &#x017F;ich endlich behaglich zu mir aufs<lb/>
Sopha, &#x017F;ah mir lächelnd in die Augen, &#x017F;chlürfte Thee,<lb/>
und ver&#x017F;icherte mich, daß ich recht hüb&#x017F;ch zu &#x017F;chwätzen<lb/>&#x017F;&#x017F;e. Ich nahm ihre Hand und küßte &#x017F;ie, und behielt<lb/>
&#x017F;ie, und betrachtete mit Wonne den &#x017F;chönen weißen Arm,<lb/>
den &#x017F;ie im leichten Gewande bis dicht an die Schulter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0031] um mein Aushängeſchild gar nicht bekümmerte. Das iſt die Poeſie des Liebens, daß ſie hundert Augen für den Liebenden und nicht einen Blick für den Bürger hat. Man redet ſich's weniſtens vor, und weil man Täuſchung ſucht, findet man ſie, es iſt ja all' dies Lie¬ besweſen nur ein künſtlich Geſtell, ein ungeſchickter Stoß und es kracht zuſammen — die Leute, welche ſich ſelbſt und gegenſeitig am geſchickteſten zu täuſchen verſtehen, lieben am glücklichſten. Roſa konnte an Deinem wohl¬ gebildeten und wie immer ſehr elegant ausſtaffirten Sir John leicht erkennen, daß er eine reſpectable Stelle in der bürgerlichen Geſellſchaft einnehme — aber es freute mich doch, daß ſie nicht fragte. Die kleine Bajadere bereitete auf das Zierlichſte Thee und ich improviſirte ihr unterdeß das Sujet eines phantaſtiſchen Ballets. Sie lachte und klatſchte mitunter in die Hände dazu, machte raſch eine Pantomine mei¬ nes Ballets, und ſetzte ſich endlich behaglich zu mir aufs Sopha, ſah mir lächelnd in die Augen, ſchlürfte Thee, und verſicherte mich, daß ich recht hübſch zu ſchwätzen wüſſe. Ich nahm ihre Hand und küßte ſie, und behielt ſie, und betrachtete mit Wonne den ſchönen weißen Arm, den ſie im leichten Gewande bis dicht an die Schulter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/31
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/31>, abgerufen am 21.11.2024.