wie lieb ich Dich" -- und Desdemona war todt.
Lange stand ich unbeweglich, ich war auch todt. Des
Kindes Stimme, was an der Erde spielte, und plötz¬
lich über sein Spiel aufjauchzte, erweckte mich. Die er¬
starrte Hand Desdemonas hielt die meine fest umklam¬
mert, ich konnte nicht los und wollte der Todten durch
das Aufbrechen keine Schmerzen machen. Ich blieb noch
lange stehen und suchte mit der freien Hand in all
meinen Taschen herum, um eine Waffe zu finden. Ich
wollte bei meinem Weibe bleiben. Meine Taschen wa¬
ren leer. Da mußte ich das Gräßlichste thun und
meine Hand gewaltsam von der todten Liebe befreien.
Langsam ging ich nach der Thür. Das kleine Mädchen
sah mich lächelnd an und bat mich, mit ihr zu spielen.
Lange stand ich noch an der Thür und sah nach der
lieben Leiche; dann ging ich und schloß die Thür leise;
ich wollte mein Weib nicht stören. Dieses zuschlagende
Schloß trennte mich von meiner innigsten Vergangen¬
heit. Ich ging langsam den Saal entlang und sah
nur in weiter Ferne, was dicht um mich her vorging.
Damen in Reisekleidern schlüpften an mir vorüber --
es mochte Julia und ihr Mädchen sein -- ich beach¬
tete sie nicht. Man erzählte mir später, daß ich mich
wie lieb ich Dich“ — und Desdemona war todt.
Lange ſtand ich unbeweglich, ich war auch todt. Des
Kindes Stimme, was an der Erde ſpielte, und plötz¬
lich über ſein Spiel aufjauchzte, erweckte mich. Die er¬
ſtarrte Hand Desdemonas hielt die meine feſt umklam¬
mert, ich konnte nicht los und wollte der Todten durch
das Aufbrechen keine Schmerzen machen. Ich blieb noch
lange ſtehen und ſuchte mit der freien Hand in all
meinen Taſchen herum, um eine Waffe zu finden. Ich
wollte bei meinem Weibe bleiben. Meine Taſchen wa¬
ren leer. Da mußte ich das Gräßlichſte thun und
meine Hand gewaltſam von der todten Liebe befreien.
Langſam ging ich nach der Thür. Das kleine Mädchen
ſah mich lächelnd an und bat mich, mit ihr zu ſpielen.
Lange ſtand ich noch an der Thür und ſah nach der
lieben Leiche; dann ging ich und ſchloß die Thür leiſe;
ich wollte mein Weib nicht ſtören. Dieſes zuſchlagende
Schloß trennte mich von meiner innigſten Vergangen¬
heit. Ich ging langſam den Saal entlang und ſah
nur in weiter Ferne, was dicht um mich her vorging.
Damen in Reiſekleidern ſchlüpften an mir vorüber —
es mochte Julia und ihr Mädchen ſein — ich beach¬
tete ſie nicht. Man erzählte mir ſpäter, daß ich mich
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wie lieb ich Dich“ — und Desdemona war todt.
Lange ſtand ich unbeweglich, ich war auch todt. Des
Kindes Stimme, was an der Erde ſpielte, und plötz¬
lich über ſein Spiel aufjauchzte, erweckte mich. Die er¬
ſtarrte Hand Desdemonas hielt die meine feſt umklam¬
mert, ich konnte nicht los und wollte der Todten durch
das Aufbrechen keine Schmerzen machen. Ich blieb noch
lange ſtehen und ſuchte mit der freien Hand in all
meinen Taſchen herum, um eine Waffe zu finden. Ich
wollte bei meinem Weibe bleiben. Meine Taſchen wa¬
ren leer. Da mußte ich das Gräßlichſte thun und
meine Hand gewaltſam von der todten Liebe befreien.
Langſam ging ich nach der Thür. Das kleine Mädchen
ſah mich lächelnd an und bat mich, mit ihr zu ſpielen.
Lange ſtand ich noch an der Thür und ſah nach der
lieben Leiche; dann ging ich und ſchloß die Thür leiſe;
ich wollte mein Weib nicht ſtören. Dieſes zuſchlagende
Schloß trennte mich von meiner innigſten Vergangen¬
heit. Ich ging langſam den Saal entlang und ſah
nur in weiter Ferne, was dicht um mich her vorging.
Damen in Reiſekleidern ſchlüpften an mir vorüber —
es mochte Julia und ihr Mädchen ſein — ich beach¬
tete ſie nicht. Man erzählte mir ſpäter, daß ich mich