daß sie mich jetzt habe. Ich glaub' es gern, daß Du Recht hast, denn ich glaub' Dir Alles" -- sagte sie -- "Du sollst mich nicht heirathen, wenn Du nicht willst, das Heirathen ist auch wirklich nicht hübsch, es ist wirk¬ lich philisterhaft. Ich will bei Dir bleiben, so lange Du mich magst, und magst Du mich nicht mehr -- nun -- nun so will ich die Vergangenheit noch einmal al¬ lein leben und doch glücklich sterben." Sie war einen Augenblick traurig, und wir küßten uns heiß und leiden¬ schaftlich, dann trocknete sie sich die Augen, fuhr mit der Hand über die Stirn und durch die Luft, als wollte sie schlimme Gestalten hinwegjagen und sprach dann fröhlich weiter: "Wie es mich reizt, die große Revo¬ lution mit beginnen, mit bezahlen zu helfen; wie ich mich freuen werde, wenn die Leute mich anklagen und doch beneiden werden, daß ich frei und fessellos ein schönes Liebesleben mit Dir führe. Meine guten Eltern sind todt, ihnen mach' ich keine Sorge durch dies neue ungewöhnliche, darum verdammte Leben; mein Vermögen reicht hin nach den Wünschen unseres Herzens zu ver¬ kehren, und nicht wahr, so schnell und sogleich wird Dir nicht eine Andre besser gefallen, mein lieber Valer -- -- in Paris bleiben wir zurück, wenn der Graf
daß ſie mich jetzt habe. Ich glaub' es gern, daß Du Recht haſt, denn ich glaub' Dir Alles“ — ſagte ſie — „Du ſollſt mich nicht heirathen, wenn Du nicht willſt, das Heirathen iſt auch wirklich nicht hübſch, es iſt wirk¬ lich philiſterhaft. Ich will bei Dir bleiben, ſo lange Du mich magſt, und magſt Du mich nicht mehr — nun — nun ſo will ich die Vergangenheit noch einmal al¬ lein leben und doch glücklich ſterben.“ Sie war einen Augenblick traurig, und wir küßten uns heiß und leiden¬ ſchaftlich, dann trocknete ſie ſich die Augen, fuhr mit der Hand über die Stirn und durch die Luft, als wollte ſie ſchlimme Geſtalten hinwegjagen und ſprach dann fröhlich weiter: „Wie es mich reizt, die große Revo¬ lution mit beginnen, mit bezahlen zu helfen; wie ich mich freuen werde, wenn die Leute mich anklagen und doch beneiden werden, daß ich frei und feſſellos ein ſchönes Liebesleben mit Dir führe. Meine guten Eltern ſind todt, ihnen mach' ich keine Sorge durch dies neue ungewöhnliche, darum verdammte Leben; mein Vermögen reicht hin nach den Wünſchen unſeres Herzens zu ver¬ kehren, und nicht wahr, ſo ſchnell und ſogleich wird Dir nicht eine Andre beſſer gefallen, mein lieber Valer — — in Paris bleiben wir zurück, wenn der Graf
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daß ſie mich jetzt habe. Ich glaub' es gern, daß Du
Recht haſt, denn ich glaub' Dir Alles“ — ſagte ſie —
„Du ſollſt mich nicht heirathen, wenn Du nicht willſt,
das Heirathen iſt auch wirklich nicht hübſch, es iſt wirk¬
lich philiſterhaft. Ich will bei Dir bleiben, ſo lange
Du mich magſt, und magſt Du mich nicht mehr — nun
— nun ſo will ich die Vergangenheit noch einmal al¬
lein leben und doch glücklich ſterben.“ Sie war einen
Augenblick traurig, und wir küßten uns heiß und leiden¬
ſchaftlich, dann trocknete ſie ſich die Augen, fuhr mit
der Hand über die Stirn und durch die Luft, als wollte
ſie ſchlimme Geſtalten hinwegjagen und ſprach dann
fröhlich weiter: „Wie es mich reizt, die große Revo¬
lution mit beginnen, mit bezahlen zu helfen; wie ich
mich freuen werde, wenn die Leute mich anklagen und
doch beneiden werden, daß ich frei und feſſellos ein
ſchönes Liebesleben mit Dir führe. Meine guten Eltern
ſind todt, ihnen mach' ich keine Sorge durch dies neue
ungewöhnliche, darum verdammte Leben; mein Vermögen
reicht hin nach den Wünſchen unſeres Herzens zu ver¬
kehren, und nicht wahr, ſo ſchnell und ſogleich wird
Dir nicht eine Andre beſſer gefallen, mein lieber Valer
— — in Paris bleiben wir zurück, wenn der Graf
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/171>, abgerufen am 25.02.2025.
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