chen nach eben diesen Grundsätzen die Aemter beweglich, nur die Kraft behält sie, dem Herkommen zahlt man kei¬ nen Deut -- Alles gilt nur durch das, was es ist, nicht was es war oder heißt. Soll es mit den Aemtern der Liebe nicht eben so werden? Dasselbe Geschrei, was sich gegen Aufhebung von Ehe und Treue jetzt erheben wird, erhob sich gegen den wechselnden Staatsdienst in den neu constuirten Staaten. -- Fülle vom Leben bringt allerdings auch oft schnellen Tod; man wird neue Ge¬ setze für jenes gesellschaftliche Verhältniß erfinden, wie man sie für diese gefunden, denn auch die Freiheit hat ihre Gesetze. Aber sie müssen sich in allen Theilen er¬ weitern, darin ruht das unbehagliche Drängen des jun¬ gen Geschlechts. Der Furchtsame mag davor erschrecken, den Muthigen gehört die Welt. Was man nicht er¬ werben kann, fürchtet man am meisten zu verlieren; wer die Kraft in sich fühlt, bangt vor keinem Verlust, und nur die Kraft soll herrschen, nicht das Herkommen.
Dies und manches Andere sprach ich in stillen Stunden zu Camilla. Sie hörte aufmerksam zu, schmählte oft, es sei ihr zu hoch, nöthigte mich deutlicher zu spre¬ chen, nickte lächelnd, daß sie mich verstünde, weinte dann, daß sie mich verlieren werde und lachte wieder,
chen nach eben dieſen Grundſätzen die Aemter beweglich, nur die Kraft behält ſie, dem Herkommen zahlt man kei¬ nen Deut — Alles gilt nur durch das, was es iſt, nicht was es war oder heißt. Soll es mit den Aemtern der Liebe nicht eben ſo werden? Daſſelbe Geſchrei, was ſich gegen Aufhebung von Ehe und Treue jetzt erheben wird, erhob ſich gegen den wechſelnden Staatsdienſt in den neu conſtuirten Staaten. — Fülle vom Leben bringt allerdings auch oft ſchnellen Tod; man wird neue Ge¬ ſetze für jenes geſellſchaftliche Verhältniß erfinden, wie man ſie für dieſe gefunden, denn auch die Freiheit hat ihre Geſetze. Aber ſie müſſen ſich in allen Theilen er¬ weitern, darin ruht das unbehagliche Drängen des jun¬ gen Geſchlechts. Der Furchtſame mag davor erſchrecken, den Muthigen gehört die Welt. Was man nicht er¬ werben kann, fürchtet man am meiſten zu verlieren; wer die Kraft in ſich fühlt, bangt vor keinem Verluſt, und nur die Kraft ſoll herrſchen, nicht das Herkommen.
Dies und manches Andere ſprach ich in ſtillen Stunden zu Camilla. Sie hörte aufmerkſam zu, ſchmählte oft, es ſei ihr zu hoch, nöthigte mich deutlicher zu ſpre¬ chen, nickte lächelnd, daß ſie mich verſtünde, weinte dann, daß ſie mich verlieren werde und lachte wieder,
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chen nach eben dieſen Grundſätzen die Aemter beweglich,
nur die Kraft behält ſie, dem Herkommen zahlt man kei¬
nen Deut — Alles gilt nur durch das, was es iſt,
nicht was es war oder heißt. Soll es mit den Aemtern
der Liebe nicht eben ſo werden? Daſſelbe Geſchrei, was
ſich gegen Aufhebung von Ehe und Treue jetzt erheben
wird, erhob ſich gegen den wechſelnden Staatsdienſt in
den neu conſtuirten Staaten. — Fülle vom Leben bringt
allerdings auch oft ſchnellen Tod; man wird neue Ge¬
ſetze für jenes geſellſchaftliche Verhältniß erfinden, wie
man ſie für dieſe gefunden, denn auch die Freiheit hat
ihre Geſetze. Aber ſie müſſen ſich in allen Theilen er¬
weitern, darin ruht das unbehagliche Drängen des jun¬
gen Geſchlechts. Der Furchtſame mag davor erſchrecken,
den Muthigen gehört die Welt. Was man nicht er¬
werben kann, fürchtet man am meiſten zu verlieren;
wer die Kraft in ſich fühlt, bangt vor keinem Verluſt,
und nur die Kraft ſoll herrſchen, nicht das Herkommen.
Dies und manches Andere ſprach ich in ſtillen
Stunden zu Camilla. Sie hörte aufmerkſam zu, ſchmählte
oft, es ſei ihr zu hoch, nöthigte mich deutlicher zu ſpre¬
chen, nickte lächelnd, daß ſie mich verſtünde, weinte
dann, daß ſie mich verlieren werde und lachte wieder,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/170>, abgerufen am 25.02.2025.
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