wendigkeit derselben finden läßt, so ist dieß die steife Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, soll le¬ ben, nicht was nach Leben aussieht; ist Deines Lebens Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann sei treu, dann ist Deine Liebe jung. Dies ist die schöne Lehre von der Beständigkeit, die dann eine Tugend ist, wenn die äußeren Verhältnisse mit den inneren harmo¬ niren. So ist die Ehe nur ein Damm gegen den Strom der Geselligkeit; wißt ihr auf freiere Weise den Strom zu leiten, so braucht Ihr keine Dämme. Wenn erst Tausende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun, so ist das Lebenselement des Herkommens, seine Un¬ zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert sich im Sturmschritt. Es geht Alles Hand in Hand, die Gesetze sind eine große Kette: trennt ein Glied und die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates, die Aemter der stillen Gewässer, wo keine Welle steigt und fällt, so mit dem Rücken ansieht, und diese Faul¬ plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft in sich spürt und in dem Schooße der hergebrachten Ordnungskraft Schutz sucht. Die neuen Staaten ma¬
wendigkeit derſelben finden läßt, ſo iſt dieß die ſteife Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, ſoll le¬ ben, nicht was nach Leben ausſieht; iſt Deines Lebens Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann ſei treu, dann iſt Deine Liebe jung. Dies iſt die ſchöne Lehre von der Beſtändigkeit, die dann eine Tugend iſt, wenn die äußeren Verhältniſſe mit den inneren harmo¬ niren. So iſt die Ehe nur ein Damm gegen den Strom der Geſelligkeit; wißt ihr auf freiere Weiſe den Strom zu leiten, ſo braucht Ihr keine Dämme. Wenn erſt Tauſende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun, ſo iſt das Lebenselement des Herkommens, ſeine Un¬ zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert ſich im Sturmſchritt. Es geht Alles Hand in Hand, die Geſetze ſind eine große Kette: trennt ein Glied und die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates, die Aemter der ſtillen Gewäſſer, wo keine Welle ſteigt und fällt, ſo mit dem Rücken anſieht, und dieſe Faul¬ plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft in ſich ſpürt und in dem Schooße der hergebrachten Ordnungskraft Schutz ſucht. Die neuen Staaten ma¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0169"n="157"/>
wendigkeit derſelben finden läßt, ſo iſt dieß die ſteife<lb/>
Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, ſoll le¬<lb/>
ben, nicht was nach Leben ausſieht; iſt Deines Lebens<lb/>
Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann ſei treu,<lb/>
dann iſt Deine Liebe jung. Dies iſt die ſchöne<lb/>
Lehre von der Beſtändigkeit, die dann eine Tugend iſt,<lb/>
wenn die äußeren Verhältniſſe mit den inneren harmo¬<lb/>
niren. So iſt die Ehe nur ein Damm gegen den<lb/>
Strom der Geſelligkeit; wißt ihr auf freiere Weiſe den<lb/>
Strom zu leiten, ſo braucht Ihr keine Dämme. Wenn<lb/>
erſt Tauſende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun,<lb/>ſo iſt das Lebenselement des Herkommens, ſeine Un¬<lb/>
zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert<lb/>ſich im Sturmſchritt. Es geht Alles Hand in Hand,<lb/>
die Geſetze ſind eine große Kette: trennt ein Glied und<lb/>
die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine<lb/>
Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer<lb/>
eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates,<lb/>
die Aemter der ſtillen Gewäſſer, wo keine Welle ſteigt<lb/>
und fällt, ſo mit dem Rücken anſieht, und dieſe Faul¬<lb/>
plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft<lb/>
in ſich ſpürt und in dem Schooße der hergebrachten<lb/>
Ordnungskraft Schutz ſucht. Die neuen Staaten ma¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[157/0169]
wendigkeit derſelben finden läßt, ſo iſt dieß die ſteife
Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, ſoll le¬
ben, nicht was nach Leben ausſieht; iſt Deines Lebens
Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann ſei treu,
dann iſt Deine Liebe jung. Dies iſt die ſchöne
Lehre von der Beſtändigkeit, die dann eine Tugend iſt,
wenn die äußeren Verhältniſſe mit den inneren harmo¬
niren. So iſt die Ehe nur ein Damm gegen den
Strom der Geſelligkeit; wißt ihr auf freiere Weiſe den
Strom zu leiten, ſo braucht Ihr keine Dämme. Wenn
erſt Tauſende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun,
ſo iſt das Lebenselement des Herkommens, ſeine Un¬
zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert
ſich im Sturmſchritt. Es geht Alles Hand in Hand,
die Geſetze ſind eine große Kette: trennt ein Glied und
die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine
Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer
eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates,
die Aemter der ſtillen Gewäſſer, wo keine Welle ſteigt
und fällt, ſo mit dem Rücken anſieht, und dieſe Faul¬
plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft
in ſich ſpürt und in dem Schooße der hergebrachten
Ordnungskraft Schutz ſucht. Die neuen Staaten ma¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/169>, abgerufen am 25.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.