Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Maske zu uns heran. Valer, der nicht einen Augen¬
blick die Besinnung verlor, schien ihn sogleich zu erken¬
nen und machte -- sprechen konnte er nicht -- eine
unwillige Bewegung mit der Hand zum Zeichen, daß
er ihm aus den Augen gehen möge. Der Narr konnte
aber sein Komödienspiel nicht lassen und fing an zu
deklamiren, er sei Clara's Bruder, und Valer habe seine
Schwester unglücklich gemacht, ein Brief, den er bei
seiner Schwester gefunden, habe es ihm verrathen -- --
Es wurde mir zu Viel, und ich drängte ihn mit Schul¬
ter und Arm von meinem Freunde weg, ihn bedeutend,
daß Epiloge vor einem schwer Verwundeten überflüssig
seien, und daß ich ihm mit meiner Sekundantenkugel
den Weg zeigen würde, wenn er sich nicht schleunig
davon mache. Dem Grafen sagte ich einige harte
Worte wegen dieses unziemlichen Betragens, er zog den
Mann mit dem gelben Italienergesicht fort. Ich trug
Valer auf sein Zimmer; es war sehr früh am Tage.
Niemand störte mich. Der Graf hatte schon den
Abend vorher nach einem Arzte geschickt, der ward her¬
beigeholt, und untersuchte die Wunde. Die Kugel war
dicht unter der Schulter hineingegangen und saß noch
drinn. Der malitiöse Schuft hatte wenig Pulver genom¬

Maske zu uns heran. Valer, der nicht einen Augen¬
blick die Beſinnung verlor, ſchien ihn ſogleich zu erken¬
nen und machte — ſprechen konnte er nicht — eine
unwillige Bewegung mit der Hand zum Zeichen, daß
er ihm aus den Augen gehen möge. Der Narr konnte
aber ſein Komödienſpiel nicht laſſen und fing an zu
deklamiren, er ſei Clara's Bruder, und Valer habe ſeine
Schweſter unglücklich gemacht, ein Brief, den er bei
ſeiner Schweſter gefunden, habe es ihm verrathen — —
Es wurde mir zu Viel, und ich drängte ihn mit Schul¬
ter und Arm von meinem Freunde weg, ihn bedeutend,
daß Epiloge vor einem ſchwer Verwundeten überflüſſig
ſeien, und daß ich ihm mit meiner Sekundantenkugel
den Weg zeigen würde, wenn er ſich nicht ſchleunig
davon mache. Dem Grafen ſagte ich einige harte
Worte wegen dieſes unziemlichen Betragens, er zog den
Mann mit dem gelben Italienergeſicht fort. Ich trug
Valer auf ſein Zimmer; es war ſehr früh am Tage.
Niemand ſtörte mich. Der Graf hatte ſchon den
Abend vorher nach einem Arzte geſchickt, der ward her¬
beigeholt, und unterſuchte die Wunde. Die Kugel war
dicht unter der Schulter hineingegangen und ſaß noch
drinn. Der malitiöſe Schuft hatte wenig Pulver genom¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="63"/>
Maske zu uns heran. Valer, der nicht einen Augen¬<lb/>
blick die Be&#x017F;innung verlor, &#x017F;chien ihn &#x017F;ogleich zu erken¬<lb/>
nen und machte &#x2014; &#x017F;prechen konnte er nicht &#x2014; eine<lb/>
unwillige Bewegung mit der Hand zum Zeichen, daß<lb/>
er ihm aus den Augen gehen möge. Der Narr konnte<lb/>
aber &#x017F;ein Komödien&#x017F;piel nicht la&#x017F;&#x017F;en und fing an zu<lb/>
deklamiren, er &#x017F;ei Clara's Bruder, und Valer habe &#x017F;eine<lb/>
Schwe&#x017F;ter unglücklich gemacht, ein Brief, den er bei<lb/>
&#x017F;einer Schwe&#x017F;ter gefunden, habe es ihm verrathen &#x2014; &#x2014;<lb/>
Es wurde mir zu Viel, und ich drängte ihn mit Schul¬<lb/>
ter und Arm von meinem Freunde weg, ihn bedeutend,<lb/>
daß Epiloge vor einem &#x017F;chwer Verwundeten überflü&#x017F;&#x017F;ig<lb/>
&#x017F;eien, und daß ich ihm mit meiner Sekundantenkugel<lb/>
den Weg zeigen würde, wenn er &#x017F;ich nicht &#x017F;chleunig<lb/>
davon mache. Dem Grafen &#x017F;agte ich einige harte<lb/>
Worte wegen die&#x017F;es unziemlichen Betragens, er zog den<lb/>
Mann mit dem gelben Italienerge&#x017F;icht fort. Ich trug<lb/>
Valer auf &#x017F;ein Zimmer; es war &#x017F;ehr früh am Tage.<lb/>
Niemand &#x017F;törte mich. Der Graf hatte &#x017F;chon den<lb/>
Abend vorher nach einem Arzte ge&#x017F;chickt, der ward her¬<lb/>
beigeholt, und unter&#x017F;uchte die Wunde. Die Kugel war<lb/>
dicht unter der Schulter hineingegangen und &#x017F;aß noch<lb/>
drinn. Der malitiö&#x017F;e Schuft hatte wenig Pulver genom¬<lb/></p>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0075] Maske zu uns heran. Valer, der nicht einen Augen¬ blick die Beſinnung verlor, ſchien ihn ſogleich zu erken¬ nen und machte — ſprechen konnte er nicht — eine unwillige Bewegung mit der Hand zum Zeichen, daß er ihm aus den Augen gehen möge. Der Narr konnte aber ſein Komödienſpiel nicht laſſen und fing an zu deklamiren, er ſei Clara's Bruder, und Valer habe ſeine Schweſter unglücklich gemacht, ein Brief, den er bei ſeiner Schweſter gefunden, habe es ihm verrathen — — Es wurde mir zu Viel, und ich drängte ihn mit Schul¬ ter und Arm von meinem Freunde weg, ihn bedeutend, daß Epiloge vor einem ſchwer Verwundeten überflüſſig ſeien, und daß ich ihm mit meiner Sekundantenkugel den Weg zeigen würde, wenn er ſich nicht ſchleunig davon mache. Dem Grafen ſagte ich einige harte Worte wegen dieſes unziemlichen Betragens, er zog den Mann mit dem gelben Italienergeſicht fort. Ich trug Valer auf ſein Zimmer; es war ſehr früh am Tage. Niemand ſtörte mich. Der Graf hatte ſchon den Abend vorher nach einem Arzte geſchickt, der ward her¬ beigeholt, und unterſuchte die Wunde. Die Kugel war dicht unter der Schulter hineingegangen und ſaß noch drinn. Der malitiöſe Schuft hatte wenig Pulver genom¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/75
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/75>, abgerufen am 24.11.2024.