men. Valer hatte noch kein Wort gesprochen; wir leg¬ ten ihn so, daß er es bequemer hatte, und er forderte plötzlich den zögernden Arzt auf, rasch ans Werk zu gehn, die Kugel herauszuziehen und ihm rund und baar zu sagen, ob es das Leben koste, und wie lang' es dau¬ ern könne. Der Arzt schien ein Tölpel zu sein, machte dem armen Valer unsägliche Schmerzen, eh' er die Ku¬ gel fassen und herausbringen konnte, und zuckte dann, nochmals befragt, unsicher die Achseln. Ich stieß den Narren weg, nahm die Untersuchungswerkzeuge, und forschte sorgfältig, wie weit die Kugel gedrungen. Ich habe ja doch nicht umsonst mit Cuvier am menschlichen Körper die Lebensströmungen aufgesucht. Mein Bescheid war etwas tröstlicher. "Es ist Gefahr da, Valer, sie kann aber abgewendet werden, wenn Du mehrere Tage ohne äußerliche und innere Bewegung still ruhest." -- ""Ich danke Dir, -- sagte er -- berichte dem Manne noch, daß er seine fanatische Wuth aufgeben und versichert sein möge, er sei im Irrthum über mich und seine Schwester"" -- "Ich will lieber dem Hans¬ wurst den Hals brechen" -- Valer machte lächelnd eine mißbilligende Bewegung; ich ging zum Grafen. Das ganze Haus war aufgeweckt und voll Besorgniß, die
men. Valer hatte noch kein Wort geſprochen; wir leg¬ ten ihn ſo, daß er es bequemer hatte, und er forderte plötzlich den zögernden Arzt auf, raſch ans Werk zu gehn, die Kugel herauszuziehen und ihm rund und baar zu ſagen, ob es das Leben koſte, und wie lang' es dau¬ ern könne. Der Arzt ſchien ein Tölpel zu ſein, machte dem armen Valer unſägliche Schmerzen, eh' er die Ku¬ gel faſſen und herausbringen konnte, und zuckte dann, nochmals befragt, unſicher die Achſeln. Ich ſtieß den Narren weg, nahm die Unterſuchungswerkzeuge, und forſchte ſorgfältig, wie weit die Kugel gedrungen. Ich habe ja doch nicht umſonſt mit Cuvier am menſchlichen Körper die Lebensſtrömungen aufgeſucht. Mein Beſcheid war etwas tröſtlicher. „Es iſt Gefahr da, Valer, ſie kann aber abgewendet werden, wenn Du mehrere Tage ohne äußerliche und innere Bewegung ſtill ruheſt.“ — „„Ich danke Dir, — ſagte er — berichte dem Manne noch, daß er ſeine fanatiſche Wuth aufgeben und verſichert ſein möge, er ſei im Irrthum über mich und ſeine Schweſter““ — „Ich will lieber dem Hans¬ wurſt den Hals brechen“ — Valer machte lächelnd eine mißbilligende Bewegung; ich ging zum Grafen. Das ganze Haus war aufgeweckt und voll Beſorgniß, die
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plötzlich den zögernden Arzt auf, raſch ans Werk zu
gehn, die Kugel herauszuziehen und ihm rund und baar
zu ſagen, ob es das Leben koſte, und wie lang' es dau¬
ern könne. Der Arzt ſchien ein Tölpel zu ſein, machte
dem armen Valer unſägliche Schmerzen, eh' er die Ku¬
gel faſſen und herausbringen konnte, und zuckte dann,
nochmals befragt, unſicher die Achſeln. Ich ſtieß den
Narren weg, nahm die Unterſuchungswerkzeuge, und
forſchte ſorgfältig, wie weit die Kugel gedrungen. Ich
habe ja doch nicht umſonſt mit Cuvier am menſchlichen
Körper die Lebensſtrömungen aufgeſucht. Mein Beſcheid
war etwas tröſtlicher. „Es iſt Gefahr da, Valer, ſie
kann aber abgewendet werden, wenn Du mehrere Tage
ohne äußerliche und innere Bewegung ſtill ruheſt.“
— „„Ich danke Dir, — ſagte er — berichte dem
Manne noch, daß er ſeine fanatiſche Wuth aufgeben
und verſichert ſein möge, er ſei im Irrthum über mich
und ſeine Schweſter““ — „Ich will lieber dem Hans¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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