arme Alberta, das gutmüthige Kind, hatte verweinte Augen, auch Gräfin Julia war da, und das schlimme Weib hat mich noch nie so angelegentlich um etwas gebeten als hier um Nachricht über Valer; selbst die Fürstin hatte sich eingefunden, und stellte sich besorgt um unsern Freund. Der Graf begegnete mir, und war auf dem Wege zu uns; der gute alte Mann hatte geweint, und war in Todesangst um seinen Liebling, dem er bereits im Herzen alles Mißtrauen abgebeten, was etwa die Anklage des Fremden erregt haben mochte. Ich theilte ihm Valers Auftrag mit; der Fremde war schon fort, er ist Camillas Verlobter, und ist seiner entflohe¬ nen Braut nachgeeilt. Gott weiß, was der flüchtigen Camilla durch den Sinn gegangen ist. Es hat mich gerührt wie alle Domestiken, schluchzend herankammen, um zu fragen, ob der gute Herr Valerius auch am Leben bleiben werde. Es ist mir immer bewunderns¬ werth an Valers eigentlich so vornehmem Wesen geblie¬ ben, wie demokratisch er die unter ihm Stehenden zu behandeln und dadurch zu fesseln weiß. Es ist nicht die niedrige Volksschmeichelei, die ich eben so hasse wie das Speichellecken eines Hofraths, es ist das vertrau¬ liche Zugeständniß, der Andre habe dieselben Ansprüche
arme Alberta, das gutmüthige Kind, hatte verweinte Augen, auch Gräfin Julia war da, und das ſchlimme Weib hat mich noch nie ſo angelegentlich um etwas gebeten als hier um Nachricht über Valer; ſelbſt die Fürſtin hatte ſich eingefunden, und ſtellte ſich beſorgt um unſern Freund. Der Graf begegnete mir, und war auf dem Wege zu uns; der gute alte Mann hatte geweint, und war in Todesangſt um ſeinen Liebling, dem er bereits im Herzen alles Mißtrauen abgebeten, was etwa die Anklage des Fremden erregt haben mochte. Ich theilte ihm Valers Auftrag mit; der Fremde war ſchon fort, er iſt Camillas Verlobter, und iſt ſeiner entflohe¬ nen Braut nachgeeilt. Gott weiß, was der flüchtigen Camilla durch den Sinn gegangen iſt. Es hat mich gerührt wie alle Domeſtiken, ſchluchzend herankammen, um zu fragen, ob der gute Herr Valerius auch am Leben bleiben werde. Es iſt mir immer bewunderns¬ werth an Valers eigentlich ſo vornehmem Weſen geblie¬ ben, wie demokratiſch er die unter ihm Stehenden zu behandeln und dadurch zu feſſeln weiß. Es iſt nicht die niedrige Volksſchmeichelei, die ich eben ſo haſſe wie das Speichellecken eines Hofraths, es iſt das vertrau¬ liche Zugeſtändniß, der Andre habe dieſelben Anſprüche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="65"/>
arme Alberta, das gutmüthige Kind, hatte verweinte<lb/>
Augen, auch Gräfin Julia war da, und das ſchlimme<lb/>
Weib hat mich noch nie ſo angelegentlich um etwas<lb/>
gebeten als hier um Nachricht über Valer; ſelbſt die<lb/>
Fürſtin hatte ſich eingefunden, und ſtellte ſich beſorgt um<lb/>
unſern Freund. Der Graf begegnete mir, und war auf<lb/>
dem Wege zu uns; der gute alte Mann hatte geweint,<lb/>
und war in Todesangſt um ſeinen Liebling, dem er<lb/>
bereits im Herzen alles Mißtrauen abgebeten, was etwa<lb/>
die Anklage des Fremden erregt haben mochte. Ich<lb/>
theilte ihm Valers Auftrag mit; der Fremde war ſchon<lb/>
fort, er iſt Camillas Verlobter, und iſt ſeiner entflohe¬<lb/>
nen Braut nachgeeilt. Gott weiß, was der flüchtigen<lb/>
Camilla durch den Sinn gegangen iſt. Es hat mich<lb/>
gerührt wie alle Domeſtiken, ſchluchzend herankammen,<lb/>
um zu fragen, ob der gute Herr Valerius auch am<lb/>
Leben bleiben werde. Es iſt mir immer bewunderns¬<lb/>
werth an Valers eigentlich ſo vornehmem Weſen geblie¬<lb/>
ben, wie demokratiſch er die unter ihm Stehenden zu<lb/>
behandeln und dadurch zu feſſeln weiß. Es iſt nicht<lb/>
die niedrige Volksſchmeichelei, die ich eben ſo haſſe wie<lb/>
das Speichellecken eines Hofraths, es iſt das vertrau¬<lb/>
liche Zugeſtändniß, der Andre habe dieſelben Anſprüche<lb/></p></div></body></text></TEI>
[65/0077]
arme Alberta, das gutmüthige Kind, hatte verweinte
Augen, auch Gräfin Julia war da, und das ſchlimme
Weib hat mich noch nie ſo angelegentlich um etwas
gebeten als hier um Nachricht über Valer; ſelbſt die
Fürſtin hatte ſich eingefunden, und ſtellte ſich beſorgt um
unſern Freund. Der Graf begegnete mir, und war auf
dem Wege zu uns; der gute alte Mann hatte geweint,
und war in Todesangſt um ſeinen Liebling, dem er
bereits im Herzen alles Mißtrauen abgebeten, was etwa
die Anklage des Fremden erregt haben mochte. Ich
theilte ihm Valers Auftrag mit; der Fremde war ſchon
fort, er iſt Camillas Verlobter, und iſt ſeiner entflohe¬
nen Braut nachgeeilt. Gott weiß, was der flüchtigen
Camilla durch den Sinn gegangen iſt. Es hat mich
gerührt wie alle Domeſtiken, ſchluchzend herankammen,
um zu fragen, ob der gute Herr Valerius auch am
Leben bleiben werde. Es iſt mir immer bewunderns¬
werth an Valers eigentlich ſo vornehmem Weſen geblie¬
ben, wie demokratiſch er die unter ihm Stehenden zu
behandeln und dadurch zu feſſeln weiß. Es iſt nicht
die niedrige Volksſchmeichelei, die ich eben ſo haſſe wie
das Speichellecken eines Hofraths, es iſt das vertrau¬
liche Zugeſtändniß, der Andre habe dieſelben Anſprüche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/77>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.