Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
14.

Es war einige Tage darauf, als Valerius in
seinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War-
schau strich. Der Mondschein lag mit seinen wei-
chen Blicken über der Stadt, wie eine süße Trauer
oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren
Dinge fügen sich ja nachgiebig unsers Herzens Wün-
schen, wir lesen unser Herz in ihren Blicken, und
demselben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch-
zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be-
gräbnißfackel darin zu sehen glaubt. Darum sagen
manche Leute, es sei nichts wirklich, als unser
Gedanke.

Auch Valerius dachte so. Wozu quält man sich
mit den Aeußerlichkeiten, sprach er in seinem trü-
ben Sinne, unser eigensinniges Herz macht ja doch
daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-

14.

Es war einige Tage darauf, als Valerius in
ſeinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War-
ſchau ſtrich. Der Mondſchein lag mit ſeinen wei-
chen Blicken über der Stadt, wie eine ſüße Trauer
oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren
Dinge fügen ſich ja nachgiebig unſers Herzens Wün-
ſchen, wir leſen unſer Herz in ihren Blicken, und
demſelben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch-
zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be-
gräbnißfackel darin zu ſehen glaubt. Darum ſagen
manche Leute, es ſei nichts wirklich, als unſer
Gedanke.

Auch Valerius dachte ſo. Wozu quält man ſich
mit den Aeußerlichkeiten, ſprach er in ſeinem trü-
ben Sinne, unſer eigenſinniges Herz macht ja doch
daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0141" n="[131]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">14.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einige Tage darauf, als Valerius in<lb/>
&#x017F;einen Mantel gehüllt durch die Straßen von War-<lb/>
&#x017F;chau &#x017F;trich. Der Mond&#x017F;chein lag mit &#x017F;einen wei-<lb/>
chen Blicken über der Stadt, wie eine &#x017F;üße Trauer<lb/>
oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren<lb/>
Dinge fügen &#x017F;ich ja nachgiebig un&#x017F;ers Herzens Wün-<lb/>
&#x017F;chen, wir le&#x017F;en un&#x017F;er Herz in ihren Blicken, und<lb/>
dem&#x017F;elben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch-<lb/>
zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be-<lb/>
gräbnißfackel darin zu &#x017F;ehen glaubt. Darum &#x017F;agen<lb/>
manche Leute, es &#x017F;ei nichts wirklich, als un&#x017F;er<lb/>
Gedanke.</p><lb/>
          <p>Auch Valerius dachte &#x017F;o. Wozu quält man &#x017F;ich<lb/>
mit den Aeußerlichkeiten, &#x017F;prach er in &#x017F;einem trü-<lb/>
ben Sinne, un&#x017F;er eigen&#x017F;inniges Herz macht ja doch<lb/>
daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[131]/0141] 14. Es war einige Tage darauf, als Valerius in ſeinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War- ſchau ſtrich. Der Mondſchein lag mit ſeinen wei- chen Blicken über der Stadt, wie eine ſüße Trauer oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren Dinge fügen ſich ja nachgiebig unſers Herzens Wün- ſchen, wir leſen unſer Herz in ihren Blicken, und demſelben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch- zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be- gräbnißfackel darin zu ſehen glaubt. Darum ſagen manche Leute, es ſei nichts wirklich, als unſer Gedanke. Auch Valerius dachte ſo. Wozu quält man ſich mit den Aeußerlichkeiten, ſprach er in ſeinem trü- ben Sinne, unſer eigenſinniges Herz macht ja doch daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/141
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/141>, abgerufen am 04.12.2024.