beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf schüttelte er den Kopf, setzte die Leuchte beiseit, und versuchte es den Menschen umzuwenden. Mit Mühe gelang es ihm; denn der Körper wog schwer, es war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte wieder zur Hand, das Gesicht war von Blut besu- delt, aber des Alten Forschen ging auf einen Orden, den der Todte auf der Brust trug. Er untersuchte ihn beim Schein der Laterne. Davon abstehend hielt er eine Weile inne und seufzte tief. Dann riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taschen und schlüpfte weiter.
En einiger Entfernung gab's ein heftig Stöh- nen -- der Alte näherte sich vorsichtig, prallte aber wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der Mantel aufschlug und die Leuchte schimmerte. Es war ein sterbendes Pferd, das mit dem Tode rin- gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann röchelnd zusammenbrach. Der Alte nahm ein Pistol aus dem Sattel, untersuchte vorsichtig, ob es geladen sei, und versuchte sodann, auch das andere hervor- zuziehn; er war aber zu schwach, die darauf liegende Wucht des Thiers zu lösen.
beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf ſchüttelte er den Kopf, ſetzte die Leuchte beiſeit, und verſuchte es den Menſchen umzuwenden. Mit Mühe gelang es ihm; denn der Körper wog ſchwer, es war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte wieder zur Hand, das Geſicht war von Blut beſu- delt, aber des Alten Forſchen ging auf einen Orden, den der Todte auf der Bruſt trug. Er unterſuchte ihn beim Schein der Laterne. Davon abſtehend hielt er eine Weile inne und ſeufzte tief. Dann riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taſchen und ſchlüpfte weiter.
En einiger Entfernung gab’s ein heftig Stöh- nen — der Alte näherte ſich vorſichtig, prallte aber wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der Mantel aufſchlug und die Leuchte ſchimmerte. Es war ein ſterbendes Pferd, das mit dem Tode rin- gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann röchelnd zuſammenbrach. Der Alte nahm ein Piſtol aus dem Sattel, unterſuchte vorſichtig, ob es geladen ſei, und verſuchte ſodann, auch das andere hervor- zuziehn; er war aber zu ſchwach, die darauf liegende Wucht des Thiers zu löſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0016"n="6"/>
beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf<lb/>ſchüttelte er den Kopf, ſetzte die Leuchte beiſeit, und<lb/>
verſuchte es den Menſchen umzuwenden. Mit Mühe<lb/>
gelang es ihm; denn der Körper wog ſchwer, es<lb/>
war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte<lb/>
wieder zur Hand, das Geſicht war von Blut beſu-<lb/>
delt, aber des Alten Forſchen ging auf einen Orden,<lb/>
den der Todte auf der Bruſt trug. Er unterſuchte<lb/>
ihn beim Schein der Laterne. Davon abſtehend<lb/>
hielt er eine Weile inne und ſeufzte tief. Dann<lb/>
riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taſchen<lb/>
und ſchlüpfte weiter.</p><lb/><p>En einiger Entfernung gab’s ein heftig Stöh-<lb/>
nen — der Alte näherte ſich vorſichtig, prallte aber<lb/>
wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der<lb/>
Mantel aufſchlug und die Leuchte ſchimmerte. Es<lb/>
war ein ſterbendes Pferd, das mit dem Tode rin-<lb/>
gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann<lb/>
röchelnd zuſammenbrach. Der Alte nahm ein Piſtol<lb/>
aus dem Sattel, unterſuchte vorſichtig, ob es geladen<lb/>ſei, und verſuchte ſodann, auch das andere hervor-<lb/>
zuziehn; er war aber zu ſchwach, die darauf liegende<lb/>
Wucht des Thiers zu löſen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[6/0016]
beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf
ſchüttelte er den Kopf, ſetzte die Leuchte beiſeit, und
verſuchte es den Menſchen umzuwenden. Mit Mühe
gelang es ihm; denn der Körper wog ſchwer, es
war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte
wieder zur Hand, das Geſicht war von Blut beſu-
delt, aber des Alten Forſchen ging auf einen Orden,
den der Todte auf der Bruſt trug. Er unterſuchte
ihn beim Schein der Laterne. Davon abſtehend
hielt er eine Weile inne und ſeufzte tief. Dann
riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taſchen
und ſchlüpfte weiter.
En einiger Entfernung gab’s ein heftig Stöh-
nen — der Alte näherte ſich vorſichtig, prallte aber
wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der
Mantel aufſchlug und die Leuchte ſchimmerte. Es
war ein ſterbendes Pferd, das mit dem Tode rin-
gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann
röchelnd zuſammenbrach. Der Alte nahm ein Piſtol
aus dem Sattel, unterſuchte vorſichtig, ob es geladen
ſei, und verſuchte ſodann, auch das andere hervor-
zuziehn; er war aber zu ſchwach, die darauf liegende
Wucht des Thiers zu löſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/16>, abgerufen am 06.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.