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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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auf ihrem Gesichte, ein Ausdruck von Kummer, den
er niemals auf diesen ungetrübten Formen erblickt
hatte. Jn der Mitte des Saales wartete er, bis
die Gruppe vom andern Ende wieder zurückkam,
dann ging er ihr entgegen. Denn die Flanken dieser
Schlachtordnung waren so stark besetzt, daß man zu
der belagerten Festung nicht durchzudringen vermochte.
Constantie lächelte, als sie ihn kommen sah, es lag
Freude, Wehmuth und auch etwas Stolz auf den
schönen Lippen -- "a propos, rief sie ihm entgegen,
ich habe Briefe von Jhren Freunden aus Deutsch-
land für Sie mitgebracht", und nach diesen Wor-
ten sagte sie den Herren "Gute Nacht", ergriff den
Arm des Grafen Kicki, und verließ den Saal.
Valerius ging ebenfalls nach seinem Mantel; der
Gedanke an die deutschen Briefe erfüllte seinen Geist,
und träumerisch stieg er die Treppe hinab. "Gute
Nacht, lieber Träumer" flüsterte kaum hörbar eine
deutsche Stimme neben ihm. Als er sich ermunterte,
sah er den Grafen und die Fürstin vor sich hin eilen,
und ein Schwarm von jener Gruppe aus dem Saale
stürmte an ihm vorüber nach der Thür. Dort
schwangen sie sich rasch auf ihre Pferde, und beglei-

auf ihrem Geſichte, ein Ausdruck von Kummer, den
er niemals auf dieſen ungetrübten Formen erblickt
hatte. Jn der Mitte des Saales wartete er, bis
die Gruppe vom andern Ende wieder zurückkam,
dann ging er ihr entgegen. Denn die Flanken dieſer
Schlachtordnung waren ſo ſtark beſetzt, daß man zu
der belagerten Feſtung nicht durchzudringen vermochte.
Conſtantie lächelte, als ſie ihn kommen ſah, es lag
Freude, Wehmuth und auch etwas Stolz auf den
ſchönen Lippen — „à propos, rief ſie ihm entgegen,
ich habe Briefe von Jhren Freunden aus Deutſch-
land für Sie mitgebracht“, und nach dieſen Wor-
ten ſagte ſie den Herren „Gute Nacht“, ergriff den
Arm des Grafen Kicki, und verließ den Saal.
Valerius ging ebenfalls nach ſeinem Mantel; der
Gedanke an die deutſchen Briefe erfüllte ſeinen Geiſt,
und träumeriſch ſtieg er die Treppe hinab. „Gute
Nacht, lieber Träumer“ flüſterte kaum hörbar eine
deutſche Stimme neben ihm. Als er ſich ermunterte,
ſah er den Grafen und die Fürſtin vor ſich hin eilen,
und ein Schwarm von jener Gruppe aus dem Saale
ſtürmte an ihm vorüber nach der Thür. Dort
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[172/0182] auf ihrem Geſichte, ein Ausdruck von Kummer, den er niemals auf dieſen ungetrübten Formen erblickt hatte. Jn der Mitte des Saales wartete er, bis die Gruppe vom andern Ende wieder zurückkam, dann ging er ihr entgegen. Denn die Flanken dieſer Schlachtordnung waren ſo ſtark beſetzt, daß man zu der belagerten Feſtung nicht durchzudringen vermochte. Conſtantie lächelte, als ſie ihn kommen ſah, es lag Freude, Wehmuth und auch etwas Stolz auf den ſchönen Lippen — „à propos, rief ſie ihm entgegen, ich habe Briefe von Jhren Freunden aus Deutſch- land für Sie mitgebracht“, und nach dieſen Wor- ten ſagte ſie den Herren „Gute Nacht“, ergriff den Arm des Grafen Kicki, und verließ den Saal. Valerius ging ebenfalls nach ſeinem Mantel; der Gedanke an die deutſchen Briefe erfüllte ſeinen Geiſt, und träumeriſch ſtieg er die Treppe hinab. „Gute Nacht, lieber Träumer“ flüſterte kaum hörbar eine deutſche Stimme neben ihm. Als er ſich ermunterte, ſah er den Grafen und die Fürſtin vor ſich hin eilen, und ein Schwarm von jener Gruppe aus dem Saale ſtürmte an ihm vorüber nach der Thür. Dort ſchwangen ſie ſich raſch auf ihre Pferde, und beglei-

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/182>, abgerufen am 26.05.2024.