Es schien, als ob sie den Körper eines bedeutenden Offiziers suchten. Alle Leichen wurden betrachtet, und sie kamen dabei Manasse so nahe, daß ein Reiter mit seinen Sporen in des Juden Mantel hängen blieb. Manasse regte sich nicht, das morsche Tuch gab nach, der Reiter sah sich um, aber da die Laterne auf einer andern Seite leuchtete, so entdeckte er den zitternden Juden nicht.
Als sich die suchende Gruppe ein Wenig ent- fernt hatte, machte sich Manasse auf, und schlüpfte nach der Gegend, wo er Joels Ruf vernommen hatte. "Joel -- Joel" flüsterte er ununterbrochen mit gedämpfter Stimme. Die Laterne durfte er nicht zum Vorschein bringen, und so kam's, daß er in einen tiefen Graben stürzte, dessen Oberfläche mit einer dünnen Eisrinde bedeckt war. Die Laterne
2.
Es ſchien, als ob ſie den Körper eines bedeutenden Offiziers ſuchten. Alle Leichen wurden betrachtet, und ſie kamen dabei Manaſſe ſo nahe, daß ein Reiter mit ſeinen Sporen in des Juden Mantel hängen blieb. Manaſſe regte ſich nicht, das morſche Tuch gab nach, der Reiter ſah ſich um, aber da die Laterne auf einer andern Seite leuchtete, ſo entdeckte er den zitternden Juden nicht.
Als ſich die ſuchende Gruppe ein Wenig ent- fernt hatte, machte ſich Manaſſe auf, und ſchlüpfte nach der Gegend, wo er Joels Ruf vernommen hatte. „Joel — Joel“ flüſterte er ununterbrochen mit gedämpfter Stimme. Die Laterne durfte er nicht zum Vorſchein bringen, und ſo kam’s, daß er in einen tiefen Graben ſtürzte, deſſen Oberfläche mit einer dünnen Eisrinde bedeckt war. Die Laterne
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0022"n="[12]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">2.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s ſchien, als ob ſie den Körper eines bedeutenden<lb/>
Offiziers ſuchten. Alle Leichen wurden betrachtet,<lb/>
und ſie kamen dabei Manaſſe ſo nahe, daß ein<lb/>
Reiter mit ſeinen Sporen in des Juden Mantel<lb/>
hängen blieb. Manaſſe regte ſich nicht, das morſche<lb/>
Tuch gab nach, der Reiter ſah ſich um, aber da<lb/>
die Laterne auf einer andern Seite leuchtete, ſo<lb/>
entdeckte er den zitternden Juden nicht.</p><lb/><p>Als ſich die ſuchende Gruppe ein Wenig ent-<lb/>
fernt hatte, machte ſich Manaſſe auf, und ſchlüpfte<lb/>
nach der Gegend, wo er Joels Ruf vernommen<lb/>
hatte. „Joel — Joel“ flüſterte er ununterbrochen<lb/>
mit gedämpfter Stimme. Die Laterne durfte er<lb/>
nicht zum Vorſchein bringen, und ſo kam’s, daß<lb/>
er in einen tiefen Graben ſtürzte, deſſen Oberfläche<lb/>
mit einer dünnen Eisrinde bedeckt war. Die Laterne<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[12]/0022]
2.
Es ſchien, als ob ſie den Körper eines bedeutenden
Offiziers ſuchten. Alle Leichen wurden betrachtet,
und ſie kamen dabei Manaſſe ſo nahe, daß ein
Reiter mit ſeinen Sporen in des Juden Mantel
hängen blieb. Manaſſe regte ſich nicht, das morſche
Tuch gab nach, der Reiter ſah ſich um, aber da
die Laterne auf einer andern Seite leuchtete, ſo
entdeckte er den zitternden Juden nicht.
Als ſich die ſuchende Gruppe ein Wenig ent-
fernt hatte, machte ſich Manaſſe auf, und ſchlüpfte
nach der Gegend, wo er Joels Ruf vernommen
hatte. „Joel — Joel“ flüſterte er ununterbrochen
mit gedämpfter Stimme. Die Laterne durfte er
nicht zum Vorſchein bringen, und ſo kam’s, daß
er in einen tiefen Graben ſtürzte, deſſen Oberfläche
mit einer dünnen Eisrinde bedeckt war. Die Laterne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. [12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/22>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.