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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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mutter den ganzen Tag zu sitzen wird ihr jetzt schwer,
da sie die letzten Tage reger Geselligkeit verwöhnt
haben. Neben Constantie konnte sie den größten
Theil des Tages bei uns sein, und jetzt hat die
launische Frau plötzlich keine Zeit für sie. Kommen
Sie, Freund, trösten Sie uns.

Valerius entschuldigte sich auf das herzlichste.
Er habe traurige Briefe bekommen, er tauge jetzt
nichts für Gesellschaft. Aber der Freund kam alle
Tage wieder, die Einsamkeit wurde auch dem teut-
schen Träumer lästig und langweilig, und da die
Fürstin noch immer nicht aus ihrem Zimmer ging,
er also ihre Begegnung nicht zu fürchten hatte, so
gab er eines Abends dem Drängen des Freun-
des nach.

Die schönen Säle und Zimmer kamen ihm öde
vor, da die beiden Frauen fehlten, und wenn er
im Gespräch bis an die Thüren Constantiens kam,
so hielt er seinen Begleiter oft unwillkührlich einen
Augenblick fest, und lauschte mitten im eifrigen
gedankenlosen Sprechen, ob er kein Lebenszei-
chen aus den Gemächern vernehme. Das Bild
der schönen Frau, die in Trauer versunken

mutter den ganzen Tag zu ſitzen wird ihr jetzt ſchwer,
da ſie die letzten Tage reger Geſelligkeit verwöhnt
haben. Neben Conſtantie konnte ſie den größten
Theil des Tages bei uns ſein, und jetzt hat die
launiſche Frau plötzlich keine Zeit für ſie. Kommen
Sie, Freund, tröſten Sie uns.

Valerius entſchuldigte ſich auf das herzlichſte.
Er habe traurige Briefe bekommen, er tauge jetzt
nichts für Geſellſchaft. Aber der Freund kam alle
Tage wieder, die Einſamkeit wurde auch dem teut-
ſchen Träumer läſtig und langweilig, und da die
Fürſtin noch immer nicht aus ihrem Zimmer ging,
er alſo ihre Begegnung nicht zu fürchten hatte, ſo
gab er eines Abends dem Drängen des Freun-
des nach.

Die ſchönen Säle und Zimmer kamen ihm öde
vor, da die beiden Frauen fehlten, und wenn er
im Geſpräch bis an die Thüren Conſtantiens kam,
ſo hielt er ſeinen Begleiter oft unwillkührlich einen
Augenblick feſt, und lauſchte mitten im eifrigen
gedankenloſen Sprechen, ob er kein Lebenszei-
chen aus den Gemächern vernehme. Das Bild
der ſchönen Frau, die in Trauer verſunken

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[223/0233] mutter den ganzen Tag zu ſitzen wird ihr jetzt ſchwer, da ſie die letzten Tage reger Geſelligkeit verwöhnt haben. Neben Conſtantie konnte ſie den größten Theil des Tages bei uns ſein, und jetzt hat die launiſche Frau plötzlich keine Zeit für ſie. Kommen Sie, Freund, tröſten Sie uns. Valerius entſchuldigte ſich auf das herzlichſte. Er habe traurige Briefe bekommen, er tauge jetzt nichts für Geſellſchaft. Aber der Freund kam alle Tage wieder, die Einſamkeit wurde auch dem teut- ſchen Träumer läſtig und langweilig, und da die Fürſtin noch immer nicht aus ihrem Zimmer ging, er alſo ihre Begegnung nicht zu fürchten hatte, ſo gab er eines Abends dem Drängen des Freun- des nach. Die ſchönen Säle und Zimmer kamen ihm öde vor, da die beiden Frauen fehlten, und wenn er im Geſpräch bis an die Thüren Conſtantiens kam, ſo hielt er ſeinen Begleiter oft unwillkührlich einen Augenblick feſt, und lauſchte mitten im eifrigen gedankenloſen Sprechen, ob er kein Lebenszei- chen aus den Gemächern vernehme. Das Bild der ſchönen Frau, die in Trauer verſunken

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/233>, abgerufen am 04.12.2024.