Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Joel weigerte sich entschieden; des Alten Zorn
stieg auf das Höchste -- da kamen die suchenden
Russen auf sie zu, wahrscheinlich aufmerksam ge-
macht durch die lauten Worte des Zwiegesprächs.
Manasse drückte schnell seinen Kopf in den Schooß
seines Sohnes, und bedeutete diesen leise, sich still
zu verhalten. Aber obwohl die Russen schon dicht
am Graben waren, so konnte er es doch nicht unter-
lassen, seine heftige Entrüstung fortzumurmeln über
die Thorheit Joels; wie ein gereizter Hund leise
fortknurrt, wenn er nicht mehr bellen darf.

Die Russen standen am Graben und horchten --
Manasse regte sich nicht mehr; sie wendeten sich
nach einer andern Seite.

Bald erhob sich der vorige Streit zwischen Vater
und Sohn auf's Neue -- Manasse raufte sich den
Bart, und schlug bald nach Joel, bald streichelte
er ihn. Er fand in seinem Kopfe nicht die kleinste
Beschönigung für solchen Wahnsinn, und dies brachte
ihn immer von Neuem außer sich.

Joel aber blieb unerschüttert, und so mußte der
Alte endlich weichen, wenn er den eignen Sohn
nicht seinem traurigen Schicksal überlassen wollte.

Joel weigerte ſich entſchieden; des Alten Zorn
ſtieg auf das Höchſte — da kamen die ſuchenden
Ruſſen auf ſie zu, wahrſcheinlich aufmerkſam ge-
macht durch die lauten Worte des Zwiegeſprächs.
Manaſſe drückte ſchnell ſeinen Kopf in den Schooß
ſeines Sohnes, und bedeutete dieſen leiſe, ſich ſtill
zu verhalten. Aber obwohl die Ruſſen ſchon dicht
am Graben waren, ſo konnte er es doch nicht unter-
laſſen, ſeine heftige Entrüſtung fortzumurmeln über
die Thorheit Joels; wie ein gereizter Hund leiſe
fortknurrt, wenn er nicht mehr bellen darf.

Die Ruſſen ſtanden am Graben und horchten —
Manaſſe regte ſich nicht mehr; ſie wendeten ſich
nach einer andern Seite.

Bald erhob ſich der vorige Streit zwiſchen Vater
und Sohn auf’s Neue — Manaſſe raufte ſich den
Bart, und ſchlug bald nach Joel, bald ſtreichelte
er ihn. Er fand in ſeinem Kopfe nicht die kleinſte
Beſchönigung für ſolchen Wahnſinn, und dies brachte
ihn immer von Neuem außer ſich.

Joel aber blieb unerſchüttert, und ſo mußte der
Alte endlich weichen, wenn er den eignen Sohn
nicht ſeinem traurigen Schickſal überlaſſen wollte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0025" n="15"/>
          <p>Joel weigerte &#x017F;ich ent&#x017F;chieden; des Alten Zorn<lb/>
&#x017F;tieg auf das Höch&#x017F;te &#x2014; da kamen die &#x017F;uchenden<lb/>
Ru&#x017F;&#x017F;en auf &#x017F;ie zu, wahr&#x017F;cheinlich aufmerk&#x017F;am ge-<lb/>
macht durch die lauten Worte des Zwiege&#x017F;prächs.<lb/>
Mana&#x017F;&#x017F;e drückte &#x017F;chnell &#x017F;einen Kopf in den Schooß<lb/>
&#x017F;eines Sohnes, und bedeutete die&#x017F;en lei&#x017F;e, &#x017F;ich &#x017F;till<lb/>
zu verhalten. Aber obwohl die Ru&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon dicht<lb/>
am Graben waren, &#x017F;o konnte er es doch nicht unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;eine heftige Entrü&#x017F;tung fortzumurmeln über<lb/>
die Thorheit Joels; wie ein gereizter Hund lei&#x017F;e<lb/>
fortknurrt, wenn er nicht mehr bellen darf.</p><lb/>
          <p>Die Ru&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tanden am Graben und horchten &#x2014;<lb/>
Mana&#x017F;&#x017F;e regte &#x017F;ich nicht mehr; &#x017F;ie wendeten &#x017F;ich<lb/>
nach einer andern Seite.</p><lb/>
          <p>Bald erhob &#x017F;ich der vorige Streit zwi&#x017F;chen Vater<lb/>
und Sohn auf&#x2019;s Neue &#x2014; Mana&#x017F;&#x017F;e raufte &#x017F;ich den<lb/>
Bart, und &#x017F;chlug bald nach Joel, bald &#x017F;treichelte<lb/>
er ihn. Er fand in &#x017F;einem Kopfe nicht die klein&#x017F;te<lb/>
Be&#x017F;chönigung für &#x017F;olchen Wahn&#x017F;inn, und dies brachte<lb/>
ihn immer von Neuem außer &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Joel aber blieb uner&#x017F;chüttert, und &#x017F;o mußte der<lb/>
Alte endlich weichen, wenn er den eignen Sohn<lb/>
nicht &#x017F;einem traurigen Schick&#x017F;al überla&#x017F;&#x017F;en wollte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] Joel weigerte ſich entſchieden; des Alten Zorn ſtieg auf das Höchſte — da kamen die ſuchenden Ruſſen auf ſie zu, wahrſcheinlich aufmerkſam ge- macht durch die lauten Worte des Zwiegeſprächs. Manaſſe drückte ſchnell ſeinen Kopf in den Schooß ſeines Sohnes, und bedeutete dieſen leiſe, ſich ſtill zu verhalten. Aber obwohl die Ruſſen ſchon dicht am Graben waren, ſo konnte er es doch nicht unter- laſſen, ſeine heftige Entrüſtung fortzumurmeln über die Thorheit Joels; wie ein gereizter Hund leiſe fortknurrt, wenn er nicht mehr bellen darf. Die Ruſſen ſtanden am Graben und horchten — Manaſſe regte ſich nicht mehr; ſie wendeten ſich nach einer andern Seite. Bald erhob ſich der vorige Streit zwiſchen Vater und Sohn auf’s Neue — Manaſſe raufte ſich den Bart, und ſchlug bald nach Joel, bald ſtreichelte er ihn. Er fand in ſeinem Kopfe nicht die kleinſte Beſchönigung für ſolchen Wahnſinn, und dies brachte ihn immer von Neuem außer ſich. Joel aber blieb unerſchüttert, und ſo mußte der Alte endlich weichen, wenn er den eignen Sohn nicht ſeinem traurigen Schickſal überlaſſen wollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/25
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/25>, abgerufen am 04.12.2024.