Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.Aber in dem einen Punkte war er wie die besten: Selbst diese Eigenschaft hatte für Valerius etwas Aber in dem einen Punkte war er wie die beſten: Selbſt dieſe Eigenſchaft hatte für Valerius etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" n="50"/> <p>Aber in dem einen Punkte war er wie die beſten:<lb/> Alles ward hingegeben für Polen, Alles auf’s Spiel<lb/> geſetzt — der Graf brauchte nur ſeltner das Wort<lb/> „Vaterland,“ er ſprach vom Königreiche <hi rendition="#g">Polen</hi>.</p><lb/> <p>Selbſt dieſe Eigenſchaft hatte für Valerius etwas<lb/> Unheimliches. Dies Gefühl ward noch geſteigert<lb/> durch die Mutter des Grafen, welche bald darauf<lb/> eintrat. Es war eine Matrone von achtzig Jahren,<lb/> aber ſie trug ihre hohe Figur noch kerzengerade, und<lb/> ihr ſtarres, magres Geſicht war noch voll angefan-<lb/> gener Erzählungen von früherer außerordentlicher<lb/> Schönheit. Sie machte den Eindruck eines Ge-<lb/> ſpenſtes auf Valerius, denn ſie war ſchwarz gekleidet<lb/> vom Scheitel bis zur Zehe, und ihre Manieren waren<lb/> ſteif und förmlich, wie man ſie an alten ſpaniſchen<lb/> und franzöſiſchen Hofdamen beſchreibt. Eine kurze<lb/> Rede, welche ſie an ihn richtete, und worin ſie im<lb/> Namen der Nation dankte, daß er aus fremdem<lb/> Lande zum polniſchen Kriege gekommen ſei, machte<lb/> einen peinlichen Eindruck auf den Deutſchen. Die<lb/> Worte kamen wie aus dem Grabe und waren kühl<lb/> wie die Luft der Grüfte. Und doch war dieſe Frau<lb/> eigentlich das Ehrwürdigſte, was man ſehen konnte.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
Aber in dem einen Punkte war er wie die beſten:
Alles ward hingegeben für Polen, Alles auf’s Spiel
geſetzt — der Graf brauchte nur ſeltner das Wort
„Vaterland,“ er ſprach vom Königreiche Polen.
Selbſt dieſe Eigenſchaft hatte für Valerius etwas
Unheimliches. Dies Gefühl ward noch geſteigert
durch die Mutter des Grafen, welche bald darauf
eintrat. Es war eine Matrone von achtzig Jahren,
aber ſie trug ihre hohe Figur noch kerzengerade, und
ihr ſtarres, magres Geſicht war noch voll angefan-
gener Erzählungen von früherer außerordentlicher
Schönheit. Sie machte den Eindruck eines Ge-
ſpenſtes auf Valerius, denn ſie war ſchwarz gekleidet
vom Scheitel bis zur Zehe, und ihre Manieren waren
ſteif und förmlich, wie man ſie an alten ſpaniſchen
und franzöſiſchen Hofdamen beſchreibt. Eine kurze
Rede, welche ſie an ihn richtete, und worin ſie im
Namen der Nation dankte, daß er aus fremdem
Lande zum polniſchen Kriege gekommen ſei, machte
einen peinlichen Eindruck auf den Deutſchen. Die
Worte kamen wie aus dem Grabe und waren kühl
wie die Luft der Grüfte. Und doch war dieſe Frau
eigentlich das Ehrwürdigſte, was man ſehen konnte.
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