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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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"Was soll ich Jhnen mehr erzählen? mit jenem
Worte ist Alles gesagt. Jch bin blind von Kindes-
beinen auf -- nicht genug: ich bin taub geboren
-- nicht genug: meine Zunge ist lahm, und lernt
nicht sprechen. -- Solche Menschen nennt man
elend, aber viel größeres Elend liegt in den drei
Worten: ich bin ein Jude. Jene sehen und hören
nichts von der Schönheit der Welt, sie wissen nicht,
was sie entbehren. Wir sehen und hören und dür-
fen nicht genießen. Es giebt kein größeres Unglück,
als verachtet zu sein, nicht wahr? -- Doch, doch
-- das Unglück, einem verachteten Volke anzuge-
hören, ist noch ein größeres. Verbirg Dich jenseits
der Meere, fliehe auf den Flügeln der Abendröthe
in die Nacht hinein -- wo Du einen Menschen
findest, hörst Du die drei fürchterlichen Worte: Er
ist ein Jude!" -- --

-- Mein Vater ließ mich Alles lernen, was
ich erlernen wollte. Die Wissenschaft tröstet nicht,
aber sie hilft. Damals war er noch sanfter, aber
mit dem Alter stieg sein Unglück, weil seine Schwäche
stieg. Seit einiger Zeit gehört er zu der überspann-
ten Sekte, welche sie Chassidim nennen, und ist

„Was ſoll ich Jhnen mehr erzählen? mit jenem
Worte iſt Alles geſagt. Jch bin blind von Kindes-
beinen auf — nicht genug: ich bin taub geboren
— nicht genug: meine Zunge iſt lahm, und lernt
nicht ſprechen. — Solche Menſchen nennt man
elend, aber viel größeres Elend liegt in den drei
Worten: ich bin ein Jude. Jene ſehen und hören
nichts von der Schönheit der Welt, ſie wiſſen nicht,
was ſie entbehren. Wir ſehen und hören und dür-
fen nicht genießen. Es giebt kein größeres Unglück,
als verachtet zu ſein, nicht wahr? — Doch, doch
— das Unglück, einem verachteten Volke anzuge-
hören, iſt noch ein größeres. Verbirg Dich jenſeits
der Meere, fliehe auf den Flügeln der Abendröthe
in die Nacht hinein — wo Du einen Menſchen
findeſt, hörſt Du die drei fürchterlichen Worte: Er
iſt ein Jude!“ — —

— Mein Vater ließ mich Alles lernen, was
ich erlernen wollte. Die Wiſſenſchaft tröſtet nicht,
aber ſie hilft. Damals war er noch ſanfter, aber
mit dem Alter ſtieg ſein Unglück, weil ſeine Schwäche
ſtieg. Seit einiger Zeit gehört er zu der überſpann-
ten Sekte, welche ſie Chaſſidim nennen, und iſt

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[69/0079] „Was ſoll ich Jhnen mehr erzählen? mit jenem Worte iſt Alles geſagt. Jch bin blind von Kindes- beinen auf — nicht genug: ich bin taub geboren — nicht genug: meine Zunge iſt lahm, und lernt nicht ſprechen. — Solche Menſchen nennt man elend, aber viel größeres Elend liegt in den drei Worten: ich bin ein Jude. Jene ſehen und hören nichts von der Schönheit der Welt, ſie wiſſen nicht, was ſie entbehren. Wir ſehen und hören und dür- fen nicht genießen. Es giebt kein größeres Unglück, als verachtet zu ſein, nicht wahr? — Doch, doch — das Unglück, einem verachteten Volke anzuge- hören, iſt noch ein größeres. Verbirg Dich jenſeits der Meere, fliehe auf den Flügeln der Abendröthe in die Nacht hinein — wo Du einen Menſchen findeſt, hörſt Du die drei fürchterlichen Worte: Er iſt ein Jude!“ — — — Mein Vater ließ mich Alles lernen, was ich erlernen wollte. Die Wiſſenſchaft tröſtet nicht, aber ſie hilft. Damals war er noch ſanfter, aber mit dem Alter ſtieg ſein Unglück, weil ſeine Schwäche ſtieg. Seit einiger Zeit gehört er zu der überſpann- ten Sekte, welche ſie Chaſſidim nennen, und iſt

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/79>, abgerufen am 04.12.2024.