Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

sie damals sonnenfröhlich da! Wir haben unsern
Fuß hineingesetzt, und der Dämon ist auf unsern
Schultern gekommen -- jetzt ist sie verwüstet.

Jch muß der Welt nicht mehr Gesicht zu Ge-
sicht gegenüber stehn, denn wo ich hinblicke, richt'
ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo
kein Glück mehr ist, da ist der Tod, Glück ist eben
das richtige Verhältniß. Jch hab's verloren --
pah! ich muß doch weiter.

Mit welcher Mühe entrinn' ich der alten Lady,
der verzweifelnden, über ungewisse Verlassenheit hin-
starrenden Anna! So jung, so roth, so lebens-
warm, so vertrauend, so hingebend, so schön, so
gut, so lieb und so vernichtet! Wenn's mich rührt,
Valerius, wie muß es sein!

Geht's nicht auch mit mir zu Ende? Jch er-
schrecke, ich fliehe, ich bedaure -- wie will das in
mein Leben passen?

Sie verfolgen mich, diese unglücklichen Weiber,
ich soll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach
Auskunft suchen über Lord Henry.

Die stolzen, schweigsamen Ladies, diese schwarz
gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-

ſie damals ſonnenfröhlich da! Wir haben unſern
Fuß hineingeſetzt, und der Dämon iſt auf unſern
Schultern gekommen — jetzt iſt ſie verwüſtet.

Jch muß der Welt nicht mehr Geſicht zu Ge-
ſicht gegenüber ſtehn, denn wo ich hinblicke, richt’
ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo
kein Glück mehr iſt, da iſt der Tod, Glück iſt eben
das richtige Verhältniß. Jch hab’s verloren —
pah! ich muß doch weiter.

Mit welcher Mühe entrinn’ ich der alten Lady,
der verzweifelnden, über ungewiſſe Verlaſſenheit hin-
ſtarrenden Anna! So jung, ſo roth, ſo lebens-
warm, ſo vertrauend, ſo hingebend, ſo ſchön, ſo
gut, ſo lieb und ſo vernichtet! Wenn’s mich rührt,
Valerius, wie muß es ſein!

Geht’s nicht auch mit mir zu Ende? Jch er-
ſchrecke, ich fliehe, ich bedaure — wie will das in
mein Leben paſſen?

Sie verfolgen mich, dieſe unglücklichen Weiber,
ich ſoll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach
Auskunft ſuchen über Lord Henry.

Die ſtolzen, ſchweigſamen Ladies, dieſe ſchwarz
gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0251" n="243"/>
&#x017F;ie damals &#x017F;onnenfröhlich da! Wir haben un&#x017F;ern<lb/>
Fuß hineinge&#x017F;etzt, und der Dämon i&#x017F;t auf un&#x017F;ern<lb/>
Schultern gekommen &#x2014; jetzt i&#x017F;t &#x017F;ie verwü&#x017F;tet.</p><lb/>
          <p>Jch muß der Welt nicht mehr Ge&#x017F;icht zu Ge-<lb/>
&#x017F;icht gegenüber &#x017F;tehn, denn wo ich hinblicke, richt&#x2019;<lb/>
ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo<lb/>
kein Glück mehr i&#x017F;t, da i&#x017F;t der Tod, Glück i&#x017F;t eben<lb/>
das richtige Verhältniß. Jch hab&#x2019;s verloren &#x2014;<lb/>
pah! ich muß doch weiter.</p><lb/>
          <p>Mit welcher Mühe entrinn&#x2019; ich der alten Lady,<lb/>
der verzweifelnden, über ungewi&#x017F;&#x017F;e Verla&#x017F;&#x017F;enheit hin-<lb/>
&#x017F;tarrenden Anna! So jung, &#x017F;o roth, &#x017F;o lebens-<lb/>
warm, &#x017F;o vertrauend, &#x017F;o hingebend, &#x017F;o &#x017F;chön, &#x017F;o<lb/>
gut, &#x017F;o lieb und &#x017F;o vernichtet! Wenn&#x2019;s mich rührt,<lb/>
Valerius, wie muß es &#x017F;ein!</p><lb/>
          <p>Geht&#x2019;s nicht auch mit mir zu Ende? Jch er-<lb/>
&#x017F;chrecke, ich fliehe, ich bedaure &#x2014; wie will das in<lb/>
mein Leben pa&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>Sie verfolgen mich, die&#x017F;e unglücklichen Weiber,<lb/>
ich &#x017F;oll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach<lb/>
Auskunft &#x017F;uchen über Lord Henry.</p><lb/>
          <p>Die &#x017F;tolzen, &#x017F;chweig&#x017F;amen Ladies, die&#x017F;e &#x017F;chwarz<lb/>
gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0251] ſie damals ſonnenfröhlich da! Wir haben unſern Fuß hineingeſetzt, und der Dämon iſt auf unſern Schultern gekommen — jetzt iſt ſie verwüſtet. Jch muß der Welt nicht mehr Geſicht zu Ge- ſicht gegenüber ſtehn, denn wo ich hinblicke, richt’ ich Unglück an, oder helfe es anrichten. Und wo kein Glück mehr iſt, da iſt der Tod, Glück iſt eben das richtige Verhältniß. Jch hab’s verloren — pah! ich muß doch weiter. Mit welcher Mühe entrinn’ ich der alten Lady, der verzweifelnden, über ungewiſſe Verlaſſenheit hin- ſtarrenden Anna! So jung, ſo roth, ſo lebens- warm, ſo vertrauend, ſo hingebend, ſo ſchön, ſo gut, ſo lieb und ſo vernichtet! Wenn’s mich rührt, Valerius, wie muß es ſein! Geht’s nicht auch mit mir zu Ende? Jch er- ſchrecke, ich fliehe, ich bedaure — wie will das in mein Leben paſſen? Sie verfolgen mich, dieſe unglücklichen Weiber, ich ſoll ihnen Auskunft geben, oder mit ihnen nach Auskunft ſuchen über Lord Henry. Die ſtolzen, ſchweigſamen Ladies, dieſe ſchwarz gebundenen Velinbücher, welche die Sitte mit gold-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/251
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/251>, abgerufen am 31.10.2024.