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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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welche in der Welt existirt, ist ja in den ersten
tausend Jahren der Welt aufgefunden worden, das
Verhältniß, in welches diese Beziehungen zu einan-
der gebracht werden, dies allein ist das Neue, das
Reizende, ist die Aufgabe. So war denn der weise
Gärtner dem Gutsherrn ein Wunder, ich mußte
auf's Schloß, mußte einen großen Theil der Ver-
waltung übernehmen; mein Regiment über Obst-
bäume und den Bauer wuchs solchergestalt reißend,
der Schloßherr, jung und wacker, hat es mir nach
und nach über sich selbst eingeräumt, er weiß, daß
ich kein Gärtner bin, daß ich eine bewegte Geschichte
habe, aber wir schweigen darüber. Die Polizei aus
jenem Staate drüben, die mich für den Mörder
Constantin's und Julien's hält, soll mich nicht
quälen, und ich will deshalb in der Stille bleiben.
Diesem über mir schaukelnden Schwerte, was meine
Bewegung bannt, sehe ich ruhig zu; früher aller-
dings hätte ich dies nicht vermocht: wer aber resig-
nirt hat, ist viel stärker, als wer Alles besitzt. Ein
Durchreisender kann mich allerdings erkennen, de-
nunciren, aber ich denke, es wird nicht geschehen.

welche in der Welt exiſtirt, iſt ja in den erſten
tauſend Jahren der Welt aufgefunden worden, das
Verhältniß, in welches dieſe Beziehungen zu einan-
der gebracht werden, dies allein iſt das Neue, das
Reizende, iſt die Aufgabe. So war denn der weiſe
Gärtner dem Gutsherrn ein Wunder, ich mußte
auf’s Schloß, mußte einen großen Theil der Ver-
waltung übernehmen; mein Regiment über Obſt-
bäume und den Bauer wuchs ſolchergeſtalt reißend,
der Schloßherr, jung und wacker, hat es mir nach
und nach über ſich ſelbſt eingeräumt, er weiß, daß
ich kein Gärtner bin, daß ich eine bewegte Geſchichte
habe, aber wir ſchweigen darüber. Die Polizei aus
jenem Staate drüben, die mich für den Mörder
Conſtantin’s und Julien’s hält, ſoll mich nicht
quälen, und ich will deshalb in der Stille bleiben.
Dieſem über mir ſchaukelnden Schwerte, was meine
Bewegung bannt, ſehe ich ruhig zu; früher aller-
dings hätte ich dies nicht vermocht: wer aber reſig-
nirt hat, iſt viel ſtärker, als wer Alles beſitzt. Ein
Durchreiſender kann mich allerdings erkennen, de-
nunciren, aber ich denke, es wird nicht geſchehen.

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[255/0263] welche in der Welt exiſtirt, iſt ja in den erſten tauſend Jahren der Welt aufgefunden worden, das Verhältniß, in welches dieſe Beziehungen zu einan- der gebracht werden, dies allein iſt das Neue, das Reizende, iſt die Aufgabe. So war denn der weiſe Gärtner dem Gutsherrn ein Wunder, ich mußte auf’s Schloß, mußte einen großen Theil der Ver- waltung übernehmen; mein Regiment über Obſt- bäume und den Bauer wuchs ſolchergeſtalt reißend, der Schloßherr, jung und wacker, hat es mir nach und nach über ſich ſelbſt eingeräumt, er weiß, daß ich kein Gärtner bin, daß ich eine bewegte Geſchichte habe, aber wir ſchweigen darüber. Die Polizei aus jenem Staate drüben, die mich für den Mörder Conſtantin’s und Julien’s hält, ſoll mich nicht quälen, und ich will deshalb in der Stille bleiben. Dieſem über mir ſchaukelnden Schwerte, was meine Bewegung bannt, ſehe ich ruhig zu; früher aller- dings hätte ich dies nicht vermocht: wer aber reſig- nirt hat, iſt viel ſtärker, als wer Alles beſitzt. Ein Durchreiſender kann mich allerdings erkennen, de- nunciren, aber ich denke, es wird nicht geſchehen.

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/263>, abgerufen am 25.11.2024.