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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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Am andern Morgen war Camilla verschwunden;
der Thorschreiber hatte sie mit einem Bündel unter
dem Arme bei grauendem Tage fortwandern sehn;
ich schickte Boten nach allen Richtungen, ich jagte
selbst nach allen Seiten, umsonst. Und ich wußte
obenein, daß sie mittellos hinausgegangen war in
die fremde, feindliche Welt, ich war in Verzweif-
lung. Ein Zettel allein auf meinem Nachttische
war mir geblieben, folgender:

"Du hast nicht das Wesen, Valerius, ein
illegales Verhältniß zu ertragen, Du leidest,
Du sollst aber glücklich sein. Jch gehe, folge
mir nicht, mein Lieber, es giebt nichts Gutes
für Dich, wenn Du mich fändest. Meiner
herzinnigsten, unverbrüchlichsten Liebe für Zeit
und Ewigkeit sei ganz gewiß; suche Dir ein
Eheweib, sie wird Dich beglücken. Du schläfst
fest, während ich dies schreibe, ich küsse Dich
noch einmal leise, und schlucke den Thränen-
strom hinunter, damit er Dich nicht wecke;
dann geh' ich für immer. Bis an meinen

Am andern Morgen war Camilla verſchwunden;
der Thorſchreiber hatte ſie mit einem Bündel unter
dem Arme bei grauendem Tage fortwandern ſehn;
ich ſchickte Boten nach allen Richtungen, ich jagte
ſelbſt nach allen Seiten, umſonſt. Und ich wußte
obenein, daß ſie mittellos hinausgegangen war in
die fremde, feindliche Welt, ich war in Verzweif-
lung. Ein Zettel allein auf meinem Nachttiſche
war mir geblieben, folgender:

„Du haſt nicht das Weſen, Valerius, ein
illegales Verhältniß zu ertragen, Du leideſt,
Du ſollſt aber glücklich ſein. Jch gehe, folge
mir nicht, mein Lieber, es giebt nichts Gutes
für Dich, wenn Du mich fändeſt. Meiner
herzinnigſten, unverbrüchlichſten Liebe für Zeit
und Ewigkeit ſei ganz gewiß; ſuche Dir ein
Eheweib, ſie wird Dich beglücken. Du ſchläfſt
feſt, während ich dies ſchreibe, ich küſſe Dich
noch einmal leiſe, und ſchlucke den Thränen-
ſtrom hinunter, damit er Dich nicht wecke;
dann geh’ ich für immer. Bis an meinen

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[263/0271] Am andern Morgen war Camilla verſchwunden; der Thorſchreiber hatte ſie mit einem Bündel unter dem Arme bei grauendem Tage fortwandern ſehn; ich ſchickte Boten nach allen Richtungen, ich jagte ſelbſt nach allen Seiten, umſonſt. Und ich wußte obenein, daß ſie mittellos hinausgegangen war in die fremde, feindliche Welt, ich war in Verzweif- lung. Ein Zettel allein auf meinem Nachttiſche war mir geblieben, folgender: „Du haſt nicht das Weſen, Valerius, ein illegales Verhältniß zu ertragen, Du leideſt, Du ſollſt aber glücklich ſein. Jch gehe, folge mir nicht, mein Lieber, es giebt nichts Gutes für Dich, wenn Du mich fändeſt. Meiner herzinnigſten, unverbrüchlichſten Liebe für Zeit und Ewigkeit ſei ganz gewiß; ſuche Dir ein Eheweib, ſie wird Dich beglücken. Du ſchläfſt feſt, während ich dies ſchreibe, ich küſſe Dich noch einmal leiſe, und ſchlucke den Thränen- ſtrom hinunter, damit er Dich nicht wecke; dann geh’ ich für immer. Bis an meinen

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/271>, abgerufen am 22.11.2024.