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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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schnell beim Wort genommen hat. Er hätte in den
nächsten acht Tagen in der Güte seines Herzens die
zweite, in den nächsten vierzehn Tagen die dritte
geheurathet. Jch habe neuerdings den Jungen lieb
gewonnen; Du erinnerst Dich, daß mir eine zeitlang
seine leichtsinnige Faselei, sein immerwährendes Lügen
völlig zuwider war. Er ist eigentlich noch ganz der-
selbe, aber bei dieser platten, Alles berechnenden Zeit
ist mir sein Leichtsinn eine Art von Poesie gewor-
den: der Junge bewegt sich fortwährend in der Welt
herum, als lebt' er noch zu König Arthurs Zeit;
alle Begebenheiten seines täglichen Verkehrs sind
zwar in seinem Munde nach den gewöhnlichen Be-
griffen Lügen, wenigstens Unwahrheiten, aber sie sind
romantisch, sie beleben das todte Einerlei unsers
geselligen Treibens. Und mir thut solch ein ver-
schollnes ritterliches Jnteresse manchmal so Noth,
daß ich froh bin, mich Leopolds Täuschungen hin-
geben zu können. -- Also, er sprang in's Zimmer,
während ich an Dich schrieb -- Hippolyt, schrie er,
spanisches Blut, Enkel des Cid, es giebt roman-
tische Geschäfte, noch siegen die Kaufleute nicht über
die alte herrliche Welt mit den bunten, unerwartet

V. 2

ſchnell beim Wort genommen hat. Er hätte in den
nächſten acht Tagen in der Güte ſeines Herzens die
zweite, in den nächſten vierzehn Tagen die dritte
geheurathet. Jch habe neuerdings den Jungen lieb
gewonnen; Du erinnerſt Dich, daß mir eine zeitlang
ſeine leichtſinnige Faſelei, ſein immerwährendes Lügen
völlig zuwider war. Er iſt eigentlich noch ganz der-
ſelbe, aber bei dieſer platten, Alles berechnenden Zeit
iſt mir ſein Leichtſinn eine Art von Poeſie gewor-
den: der Junge bewegt ſich fortwährend in der Welt
herum, als lebt’ er noch zu König Arthurs Zeit;
alle Begebenheiten ſeines täglichen Verkehrs ſind
zwar in ſeinem Munde nach den gewöhnlichen Be-
griffen Lügen, wenigſtens Unwahrheiten, aber ſie ſind
romantiſch, ſie beleben das todte Einerlei unſers
geſelligen Treibens. Und mir thut ſolch ein ver-
ſchollnes ritterliches Jntereſſe manchmal ſo Noth,
daß ich froh bin, mich Leopolds Täuſchungen hin-
geben zu können. — Alſo, er ſprang in’s Zimmer,
während ich an Dich ſchrieb — Hippolyt, ſchrie er,
ſpaniſches Blut, Enkel des Cid, es giebt roman-
tiſche Geſchäfte, noch ſiegen die Kaufleute nicht über
die alte herrliche Welt mit den bunten, unerwartet

V. 2
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[25/0033] ſchnell beim Wort genommen hat. Er hätte in den nächſten acht Tagen in der Güte ſeines Herzens die zweite, in den nächſten vierzehn Tagen die dritte geheurathet. Jch habe neuerdings den Jungen lieb gewonnen; Du erinnerſt Dich, daß mir eine zeitlang ſeine leichtſinnige Faſelei, ſein immerwährendes Lügen völlig zuwider war. Er iſt eigentlich noch ganz der- ſelbe, aber bei dieſer platten, Alles berechnenden Zeit iſt mir ſein Leichtſinn eine Art von Poeſie gewor- den: der Junge bewegt ſich fortwährend in der Welt herum, als lebt’ er noch zu König Arthurs Zeit; alle Begebenheiten ſeines täglichen Verkehrs ſind zwar in ſeinem Munde nach den gewöhnlichen Be- griffen Lügen, wenigſtens Unwahrheiten, aber ſie ſind romantiſch, ſie beleben das todte Einerlei unſers geſelligen Treibens. Und mir thut ſolch ein ver- ſchollnes ritterliches Jntereſſe manchmal ſo Noth, daß ich froh bin, mich Leopolds Täuſchungen hin- geben zu können. — Alſo, er ſprang in’s Zimmer, während ich an Dich ſchrieb — Hippolyt, ſchrie er, ſpaniſches Blut, Enkel des Cid, es giebt roman- tiſche Geſchäfte, noch ſiegen die Kaufleute nicht über die alte herrliche Welt mit den bunten, unerwartet V. 2

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/33>, abgerufen am 29.04.2024.