Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

drei Kategorieen. Rußland ist nur ein Gewicht durch
seine specifische Schwere, und eine rein politische
Macht; Jtalien ist französisch da, wo es sich den
neuen Forderungen der Kultur anschließt, sogar im
Reich der Künste ist es nur noch ein Museum.
Teutsche und französische Maler, teutsche und fran-
zösische Musiker sind so groß und mitunter größer
als die italienischen.

Du glaubst gar nicht, wie ich all die Redens-
arten satt habe, selbst wenn ich sie selber mache,
selbst wenn ich sie Dir gegenüber mache! Wahrhaftig,
aufrichtig zu sein ist doch über die Maaßen schwer;
es spricht ein gelernter, gebildeter Mensch in uns,
der wenigstens bei mir immer noch etwas ganz
Anderes ist, als ich selber. Ganz eigentlich lebt
ein so tiefer bestialischer Drang in mir, der Dich
entsetzen würde, fänd' ich einmal die ganz rücksichts-
losen Worte dafür. Herrschen will ich, despotisch
herrschen, das ist Alles, und ich verarge es keinem
Staate, keinem Herrn, wenn er für abstrakte For-
derungen auch nicht den kleinsten Zipfel seiner Macht
hingiebt, die Macht ist Alles, die Kraft, die Ge-
walt! erfindet Tausenderlei, darauf kommt es doch

V. 3

drei Kategorieen. Rußland iſt nur ein Gewicht durch
ſeine ſpecifiſche Schwere, und eine rein politiſche
Macht; Jtalien iſt franzöſiſch da, wo es ſich den
neuen Forderungen der Kultur anſchließt, ſogar im
Reich der Künſte iſt es nur noch ein Muſeum.
Teutſche und franzöſiſche Maler, teutſche und fran-
zöſiſche Muſiker ſind ſo groß und mitunter größer
als die italieniſchen.

Du glaubſt gar nicht, wie ich all die Redens-
arten ſatt habe, ſelbſt wenn ich ſie ſelber mache,
ſelbſt wenn ich ſie Dir gegenüber mache! Wahrhaftig,
aufrichtig zu ſein iſt doch über die Maaßen ſchwer;
es ſpricht ein gelernter, gebildeter Menſch in uns,
der wenigſtens bei mir immer noch etwas ganz
Anderes iſt, als ich ſelber. Ganz eigentlich lebt
ein ſo tiefer beſtialiſcher Drang in mir, der Dich
entſetzen würde, fänd’ ich einmal die ganz rückſichts-
loſen Worte dafür. Herrſchen will ich, deſpotiſch
herrſchen, das iſt Alles, und ich verarge es keinem
Staate, keinem Herrn, wenn er für abſtrakte For-
derungen auch nicht den kleinſten Zipfel ſeiner Macht
hingiebt, die Macht iſt Alles, die Kraft, die Ge-
walt! erfindet Tauſenderlei, darauf kommt es doch

V. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="49"/>
drei Kategorieen. Rußland i&#x017F;t nur ein Gewicht durch<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;pecifi&#x017F;che Schwere, und eine rein politi&#x017F;che<lb/>
Macht; Jtalien i&#x017F;t franzö&#x017F;i&#x017F;ch da, wo es &#x017F;ich den<lb/>
neuen Forderungen der Kultur an&#x017F;chließt, &#x017F;ogar im<lb/>
Reich der Kün&#x017F;te i&#x017F;t es nur noch ein Mu&#x017F;eum.<lb/>
Teut&#x017F;che und franzö&#x017F;i&#x017F;che Maler, teut&#x017F;che und fran-<lb/>&#x017F;i&#x017F;che Mu&#x017F;iker &#x017F;ind &#x017F;o groß und mitunter größer<lb/>
als die italieni&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Du glaub&#x017F;t gar nicht, wie ich all die Redens-<lb/>
arten &#x017F;att habe, &#x017F;elb&#x017F;t wenn ich &#x017F;ie &#x017F;elber mache,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn ich &#x017F;ie Dir gegenüber mache! Wahrhaftig,<lb/>
aufrichtig zu &#x017F;ein i&#x017F;t doch über die Maaßen &#x017F;chwer;<lb/>
es &#x017F;pricht ein gelernter, gebildeter Men&#x017F;ch in uns,<lb/>
der wenig&#x017F;tens bei mir immer noch etwas ganz<lb/>
Anderes i&#x017F;t, als ich &#x017F;elber. Ganz eigentlich lebt<lb/>
ein &#x017F;o tiefer be&#x017F;tiali&#x017F;cher Drang in mir, der Dich<lb/>
ent&#x017F;etzen würde, fänd&#x2019; ich einmal die ganz rück&#x017F;ichts-<lb/>
lo&#x017F;en Worte dafür. Herr&#x017F;chen will ich, de&#x017F;poti&#x017F;ch<lb/>
herr&#x017F;chen, das i&#x017F;t Alles, und ich verarge es keinem<lb/>
Staate, keinem Herrn, wenn er für ab&#x017F;trakte For-<lb/>
derungen auch nicht den klein&#x017F;ten Zipfel &#x017F;einer Macht<lb/>
hingiebt, die Macht i&#x017F;t Alles, die Kraft, die Ge-<lb/>
walt! erfindet Tau&#x017F;enderlei, darauf kommt es doch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">V.</hi> 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0057] drei Kategorieen. Rußland iſt nur ein Gewicht durch ſeine ſpecifiſche Schwere, und eine rein politiſche Macht; Jtalien iſt franzöſiſch da, wo es ſich den neuen Forderungen der Kultur anſchließt, ſogar im Reich der Künſte iſt es nur noch ein Muſeum. Teutſche und franzöſiſche Maler, teutſche und fran- zöſiſche Muſiker ſind ſo groß und mitunter größer als die italieniſchen. Du glaubſt gar nicht, wie ich all die Redens- arten ſatt habe, ſelbſt wenn ich ſie ſelber mache, ſelbſt wenn ich ſie Dir gegenüber mache! Wahrhaftig, aufrichtig zu ſein iſt doch über die Maaßen ſchwer; es ſpricht ein gelernter, gebildeter Menſch in uns, der wenigſtens bei mir immer noch etwas ganz Anderes iſt, als ich ſelber. Ganz eigentlich lebt ein ſo tiefer beſtialiſcher Drang in mir, der Dich entſetzen würde, fänd’ ich einmal die ganz rückſichts- loſen Worte dafür. Herrſchen will ich, deſpotiſch herrſchen, das iſt Alles, und ich verarge es keinem Staate, keinem Herrn, wenn er für abſtrakte For- derungen auch nicht den kleinſten Zipfel ſeiner Macht hingiebt, die Macht iſt Alles, die Kraft, die Ge- walt! erfindet Tauſenderlei, darauf kommt es doch V. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/57
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/57>, abgerufen am 23.11.2024.