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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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ewig hinaus; ich fühle den Drang dazu, und ich
will ihn befriedigen. Was Gesetz, was Regel!
Wenn sie mir in den Weg treten, so sind sie mir
im Wege und ich stoße sie bei Seite. Es ist ein
reiner Zufall, daß ich in eine demokratisch-revolu-
tionaire Zeit gerathen bin, bestünde jetzt die Fronde,
so hielt' ich mich zu diesem aristokratischen Aufstande,
wäre ich ein Louis quatorze, ein Stuart, ich trieb's
nicht sanfter denn diese, sondern heftiger. Tüchtige
Revolutionairs sind immer vom persönlichen Drange
gestachelt, schwache und furchtsame bedecken diesen
Drang mit Prinzipien und Grundsätzen, daraus
entstehen blos die Parteien, deren sich der wirkliche,
ursprüngliche Revolutionair und Held bemächtigt,
um seinem Triebe kräftiger zu genügen. Das Prinzip
ist eine Waffe, der Furchtsame macht sie sich zum
Dogma, weil sich die meisten Leute vor sich selber
fürchten. Jch lüge mir und lüge Dir, wenn ich
mich in Raisonnements ergehe, denn meiner eigent-
lichen Seele sind sie alle fremd; im Grunde suche
ich nur die That, und das heißt nur Poesie, hinter
der That und mit ihr heische ich sicherlich die Macht,
alles Uebrige ist nur die Kleidung, woran ich mich

ewig hinaus; ich fühle den Drang dazu, und ich
will ihn befriedigen. Was Geſetz, was Regel!
Wenn ſie mir in den Weg treten, ſo ſind ſie mir
im Wege und ich ſtoße ſie bei Seite. Es iſt ein
reiner Zufall, daß ich in eine demokratiſch-revolu-
tionaire Zeit gerathen bin, beſtünde jetzt die Fronde,
ſo hielt’ ich mich zu dieſem ariſtokratiſchen Aufſtande,
wäre ich ein Louis quatorze, ein Stuart, ich trieb’s
nicht ſanfter denn dieſe, ſondern heftiger. Tüchtige
Revolutionairs ſind immer vom perſönlichen Drange
geſtachelt, ſchwache und furchtſame bedecken dieſen
Drang mit Prinzipien und Grundſätzen, daraus
entſtehen blos die Parteien, deren ſich der wirkliche,
urſprüngliche Revolutionair und Held bemächtigt,
um ſeinem Triebe kräftiger zu genügen. Das Prinzip
iſt eine Waffe, der Furchtſame macht ſie ſich zum
Dogma, weil ſich die meiſten Leute vor ſich ſelber
fürchten. Jch lüge mir und lüge Dir, wenn ich
mich in Raiſonnements ergehe, denn meiner eigent-
lichen Seele ſind ſie alle fremd; im Grunde ſuche
ich nur die That, und das heißt nur Poeſie, hinter
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[50/0058] ewig hinaus; ich fühle den Drang dazu, und ich will ihn befriedigen. Was Geſetz, was Regel! Wenn ſie mir in den Weg treten, ſo ſind ſie mir im Wege und ich ſtoße ſie bei Seite. Es iſt ein reiner Zufall, daß ich in eine demokratiſch-revolu- tionaire Zeit gerathen bin, beſtünde jetzt die Fronde, ſo hielt’ ich mich zu dieſem ariſtokratiſchen Aufſtande, wäre ich ein Louis quatorze, ein Stuart, ich trieb’s nicht ſanfter denn dieſe, ſondern heftiger. Tüchtige Revolutionairs ſind immer vom perſönlichen Drange geſtachelt, ſchwache und furchtſame bedecken dieſen Drang mit Prinzipien und Grundſätzen, daraus entſtehen blos die Parteien, deren ſich der wirkliche, urſprüngliche Revolutionair und Held bemächtigt, um ſeinem Triebe kräftiger zu genügen. Das Prinzip iſt eine Waffe, der Furchtſame macht ſie ſich zum Dogma, weil ſich die meiſten Leute vor ſich ſelber fürchten. Jch lüge mir und lüge Dir, wenn ich mich in Raiſonnements ergehe, denn meiner eigent- lichen Seele ſind ſie alle fremd; im Grunde ſuche ich nur die That, und das heißt nur Poeſie, hinter der That und mit ihr heiſche ich ſicherlich die Macht, alles Uebrige iſt nur die Kleidung, woran ich mich

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/58>, abgerufen am 23.11.2024.