Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Du glaubst übrigens nicht, welch eine reizende
Figur bei dem Allen die geraubte Margarita spielte
in meiner Phantasie -- das schlanke, noch so mäd-
chenhafte Geschöpf, welch eine ursprüngliche Tragik
mußte sich ausdrücken auf diesem zarten, ausdrucks-
vollen Gesichte, wenn sie gegen die Brutalität eines
verhaßten Entführers in Kampf und Sträuben gerieth!

Das Erste, was mir in Ostende aufstieß, war
-- ich traute meinen Augen nicht, und schlug mir
die Täuschung aus dem Sinne -- es war Giacomo!
Eine solche Erscheinung huschte im Gedränge des
Hafendammes an mir vorüber wie ein Schatten,
ich griff darnach, aber sie war auch im lichtlosen
Gewühle der Menge wie ein Schatten verwischt.

Jn den Gasthöfen, bei allen abgehenden Schiffen
erkundigte ich mich umsonst; kindisch, daß ich mich
nie in meinem Leben an die Polizei wenden mag
-- Du hast gewiß Recht, daß sie ein heilsam, noth-
wendig Jnstitut ist, so wie die Welt eben steht und
liegt; mir widerstrebt aber jedes Jnstitut, was blos
da ist, den natürlichen, ursprünglichen Aeußerungen
der Menschheit aufzupassen, die immerwährende,
lebendige Erinnerung, daß wir nur nach dem Schema

Du glaubſt übrigens nicht, welch eine reizende
Figur bei dem Allen die geraubte Margarita ſpielte
in meiner Phantaſie — das ſchlanke, noch ſo mäd-
chenhafte Geſchöpf, welch eine urſprüngliche Tragik
mußte ſich ausdrücken auf dieſem zarten, ausdrucks-
vollen Geſichte, wenn ſie gegen die Brutalität eines
verhaßten Entführers in Kampf und Sträuben gerieth!

Das Erſte, was mir in Oſtende aufſtieß, war
— ich traute meinen Augen nicht, und ſchlug mir
die Täuſchung aus dem Sinne — es war Giacomo!
Eine ſolche Erſcheinung huſchte im Gedränge des
Hafendammes an mir vorüber wie ein Schatten,
ich griff darnach, aber ſie war auch im lichtloſen
Gewühle der Menge wie ein Schatten verwiſcht.

Jn den Gaſthöfen, bei allen abgehenden Schiffen
erkundigte ich mich umſonſt; kindiſch, daß ich mich
nie in meinem Leben an die Polizei wenden mag
— Du haſt gewiß Recht, daß ſie ein heilſam, noth-
wendig Jnſtitut iſt, ſo wie die Welt eben ſteht und
liegt; mir widerſtrebt aber jedes Jnſtitut, was blos
da iſt, den natürlichen, urſprünglichen Aeußerungen
der Menſchheit aufzupaſſen, die immerwährende,
lebendige Erinnerung, daß wir nur nach dem Schema

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0067" n="59"/>
          <p>Du glaub&#x017F;t übrigens nicht, welch eine reizende<lb/>
Figur bei dem Allen die geraubte Margarita &#x017F;pielte<lb/>
in meiner Phanta&#x017F;ie &#x2014; das &#x017F;chlanke, noch &#x017F;o mäd-<lb/>
chenhafte Ge&#x017F;chöpf, welch eine ur&#x017F;prüngliche Tragik<lb/>
mußte &#x017F;ich ausdrücken auf die&#x017F;em zarten, ausdrucks-<lb/>
vollen Ge&#x017F;ichte, wenn &#x017F;ie gegen die Brutalität eines<lb/>
verhaßten Entführers in Kampf und Sträuben gerieth!</p><lb/>
          <p>Das Er&#x017F;te, was mir in O&#x017F;tende auf&#x017F;tieß, war<lb/>
&#x2014; ich traute meinen Augen nicht, und &#x017F;chlug mir<lb/>
die Täu&#x017F;chung aus dem Sinne &#x2014; es war Giacomo!<lb/>
Eine &#x017F;olche Er&#x017F;cheinung hu&#x017F;chte im Gedränge des<lb/>
Hafendammes an mir vorüber wie ein Schatten,<lb/>
ich griff darnach, aber &#x017F;ie war auch im lichtlo&#x017F;en<lb/>
Gewühle der Menge wie ein Schatten verwi&#x017F;cht.</p><lb/>
          <p>Jn den Ga&#x017F;thöfen, bei allen abgehenden Schiffen<lb/>
erkundigte ich mich um&#x017F;on&#x017F;t; kindi&#x017F;ch, daß ich mich<lb/>
nie in meinem Leben an die Polizei wenden mag<lb/>
&#x2014; Du ha&#x017F;t gewiß Recht, daß &#x017F;ie ein heil&#x017F;am, noth-<lb/>
wendig Jn&#x017F;titut i&#x017F;t, &#x017F;o wie die Welt eben &#x017F;teht und<lb/>
liegt; mir wider&#x017F;trebt aber jedes Jn&#x017F;titut, was blos<lb/>
da i&#x017F;t, den natürlichen, ur&#x017F;prünglichen Aeußerungen<lb/>
der Men&#x017F;chheit aufzupa&#x017F;&#x017F;en, die immerwährende,<lb/>
lebendige Erinnerung, daß wir nur nach dem Schema<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Du glaubſt übrigens nicht, welch eine reizende Figur bei dem Allen die geraubte Margarita ſpielte in meiner Phantaſie — das ſchlanke, noch ſo mäd- chenhafte Geſchöpf, welch eine urſprüngliche Tragik mußte ſich ausdrücken auf dieſem zarten, ausdrucks- vollen Geſichte, wenn ſie gegen die Brutalität eines verhaßten Entführers in Kampf und Sträuben gerieth! Das Erſte, was mir in Oſtende aufſtieß, war — ich traute meinen Augen nicht, und ſchlug mir die Täuſchung aus dem Sinne — es war Giacomo! Eine ſolche Erſcheinung huſchte im Gedränge des Hafendammes an mir vorüber wie ein Schatten, ich griff darnach, aber ſie war auch im lichtloſen Gewühle der Menge wie ein Schatten verwiſcht. Jn den Gaſthöfen, bei allen abgehenden Schiffen erkundigte ich mich umſonſt; kindiſch, daß ich mich nie in meinem Leben an die Polizei wenden mag — Du haſt gewiß Recht, daß ſie ein heilſam, noth- wendig Jnſtitut iſt, ſo wie die Welt eben ſteht und liegt; mir widerſtrebt aber jedes Jnſtitut, was blos da iſt, den natürlichen, urſprünglichen Aeußerungen der Menſchheit aufzupaſſen, die immerwährende, lebendige Erinnerung, daß wir nur nach dem Schema

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/67
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/67>, abgerufen am 16.05.2024.