Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
3.
Valerius an Hippolyt.

Gott weiß, ob Du jemals diese Zeilen erhältst,
Gott weiß, ob Du sie lesen kannst! Jch kritzle sie
mit einem Bleistifte auf kleine Papierstückchen, die
ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die
zum Theil ganz schmutzig sind -- ich bin im Ge-
fängnisse, und daß ich endlich so viel erreicht habe,
heimlich des Tags einige Zeilen aufzuschreiben, ist
ein überschwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange
Monde sind ohne ihn vorübergezogen, langsam, lang-
sam, ach wie bleiche ausgehungerte Wesen, Freund,
wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich
darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken
aufschreiben zu dürfen, der sich aus der Gedanken-
qual, die sich unerlös't, furienartig in dem Versto-

3.
Valerius an Hippolyt.

Gott weiß, ob Du jemals dieſe Zeilen erhältſt,
Gott weiß, ob Du ſie leſen kannſt! Jch kritzle ſie
mit einem Bleiſtifte auf kleine Papierſtückchen, die
ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die
zum Theil ganz ſchmutzig ſind — ich bin im Ge-
fängniſſe, und daß ich endlich ſo viel erreicht habe,
heimlich des Tags einige Zeilen aufzuſchreiben, iſt
ein überſchwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange
Monde ſind ohne ihn vorübergezogen, langſam, lang-
ſam, ach wie bleiche ausgehungerte Weſen, Freund,
wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich
darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken
aufſchreiben zu dürfen, der ſich aus der Gedanken-
qual, die ſich unerlöſ’t, furienartig in dem Verſto-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0075" n="[67]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">3.<lb/>
Valerius an Hippolyt.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>ott weiß, ob Du jemals die&#x017F;e Zeilen erhält&#x017F;t,<lb/>
Gott weiß, ob Du &#x017F;ie le&#x017F;en kann&#x017F;t! Jch kritzle &#x017F;ie<lb/>
mit einem Blei&#x017F;tifte auf kleine Papier&#x017F;tückchen, die<lb/>
ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die<lb/>
zum Theil ganz &#x017F;chmutzig &#x017F;ind &#x2014; ich bin im Ge-<lb/>
fängni&#x017F;&#x017F;e, und daß ich endlich &#x017F;o viel erreicht habe,<lb/>
heimlich des Tags einige Zeilen aufzu&#x017F;chreiben, i&#x017F;t<lb/>
ein über&#x017F;chwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange<lb/>
Monde &#x017F;ind ohne ihn vorübergezogen, lang&#x017F;am, lang-<lb/>
&#x017F;am, ach wie bleiche ausgehungerte We&#x017F;en, Freund,<lb/>
wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich<lb/>
darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken<lb/>
auf&#x017F;chreiben zu dürfen, der &#x017F;ich aus der Gedanken-<lb/>
qual, die &#x017F;ich unerlö&#x017F;&#x2019;t, furienartig in dem Ver&#x017F;to-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[67]/0075] 3. Valerius an Hippolyt. Gott weiß, ob Du jemals dieſe Zeilen erhältſt, Gott weiß, ob Du ſie leſen kannſt! Jch kritzle ſie mit einem Bleiſtifte auf kleine Papierſtückchen, die ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die zum Theil ganz ſchmutzig ſind — ich bin im Ge- fängniſſe, und daß ich endlich ſo viel erreicht habe, heimlich des Tags einige Zeilen aufzuſchreiben, iſt ein überſchwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange Monde ſind ohne ihn vorübergezogen, langſam, lang- ſam, ach wie bleiche ausgehungerte Weſen, Freund, wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken aufſchreiben zu dürfen, der ſich aus der Gedanken- qual, die ſich unerlöſ’t, furienartig in dem Verſto-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/75
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. [67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/75>, abgerufen am 16.05.2024.