Gott weiß, ob Du jemals diese Zeilen erhältst, Gott weiß, ob Du sie lesen kannst! Jch kritzle sie mit einem Bleistifte auf kleine Papierstückchen, die ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die zum Theil ganz schmutzig sind -- ich bin im Ge- fängnisse, und daß ich endlich so viel erreicht habe, heimlich des Tags einige Zeilen aufzuschreiben, ist ein überschwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange Monde sind ohne ihn vorübergezogen, langsam, lang- sam, ach wie bleiche ausgehungerte Wesen, Freund, wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken aufschreiben zu dürfen, der sich aus der Gedanken- qual, die sich unerlös't, furienartig in dem Versto-
3. Valerius an Hippolyt.
Gott weiß, ob Du jemals dieſe Zeilen erhältſt, Gott weiß, ob Du ſie leſen kannſt! Jch kritzle ſie mit einem Bleiſtifte auf kleine Papierſtückchen, die ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die zum Theil ganz ſchmutzig ſind — ich bin im Ge- fängniſſe, und daß ich endlich ſo viel erreicht habe, heimlich des Tags einige Zeilen aufzuſchreiben, iſt ein überſchwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange Monde ſind ohne ihn vorübergezogen, langſam, lang- ſam, ach wie bleiche ausgehungerte Weſen, Freund, wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken aufſchreiben zu dürfen, der ſich aus der Gedanken- qual, die ſich unerlöſ’t, furienartig in dem Verſto-
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3.
Valerius an Hippolyt.
Gott weiß, ob Du jemals dieſe Zeilen erhältſt,
Gott weiß, ob Du ſie leſen kannſt! Jch kritzle ſie
mit einem Bleiſtifte auf kleine Papierſtückchen, die
ich durch den Zufall mitunter bekomme, und die
zum Theil ganz ſchmutzig ſind — ich bin im Ge-
fängniſſe, und daß ich endlich ſo viel erreicht habe,
heimlich des Tags einige Zeilen aufzuſchreiben, iſt
ein überſchwenglicher Vortheil. Lange Wochen, lange
Monde ſind ohne ihn vorübergezogen, langſam, lang-
ſam, ach wie bleiche ausgehungerte Weſen, Freund,
wie hab ich gelitten, wie leide ich! Was hätte ich
darum gegeben, Tags nur einen kleinen Gedanken
aufſchreiben zu dürfen, der ſich aus der Gedanken-
qual, die ſich unerlöſ’t, furienartig in dem Verſto-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. [67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/75>, abgerufen am 25.11.2024.
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