Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

aber der Wärter gestattet eine solche Ausdehnung
nicht, er hat noch 30 Andere zu füttern, und Ge-
schirr und Besteck müssen gleich wieder fort, damit
ich keinen Mißbrauch damit treibe. Die Thür ras-
selt zu, es ist zwölf, sieben Stunden breiten sich
vor mir aus, sie wollen durchgebracht sein, dann
kommt eben so flüchtig das Bischen Abendessen;
dann sind neue Gedanken zu suchen für den Abend,
ehe der Schlaf zu finden ist, welcher dem Gefan-
genen ohne Bewegung und Luft so träge sich nä-
hert, so unmuthig! Und das ist nur ein Tag, und
so reiht sich ausdruckslos einer an den andern, bis
man eben verrückt wird von den unbeschäftigten
Gedanken, oder starr sich wie das Thier der Wüste
in den Winkel hockt.



Könnt' ich Dir nur folgerecht erzählen, das
würde mir nützlich sein; es drängt und bäumt sich
von Gedanken Alles so durcheinander, daß ich nicht
weiß, wornach ich greifen soll, und ich zittre, daß
man meinen Bleistift oder die beschriebenen Papier-
stücken entdeckt, und ich wieder in die alte Wüste

aber der Wärter geſtattet eine ſolche Ausdehnung
nicht, er hat noch 30 Andere zu füttern, und Ge-
ſchirr und Beſteck müſſen gleich wieder fort, damit
ich keinen Mißbrauch damit treibe. Die Thür raſ-
ſelt zu, es iſt zwölf, ſieben Stunden breiten ſich
vor mir aus, ſie wollen durchgebracht ſein, dann
kommt eben ſo flüchtig das Bischen Abendeſſen;
dann ſind neue Gedanken zu ſuchen für den Abend,
ehe der Schlaf zu finden iſt, welcher dem Gefan-
genen ohne Bewegung und Luft ſo träge ſich nä-
hert, ſo unmuthig! Und das iſt nur ein Tag, und
ſo reiht ſich ausdruckslos einer an den andern, bis
man eben verrückt wird von den unbeſchäftigten
Gedanken, oder ſtarr ſich wie das Thier der Wüſte
in den Winkel hockt.



Könnt’ ich Dir nur folgerecht erzählen, das
würde mir nützlich ſein; es drängt und bäumt ſich
von Gedanken Alles ſo durcheinander, daß ich nicht
weiß, wornach ich greifen ſoll, und ich zittre, daß
man meinen Bleiſtift oder die beſchriebenen Papier-
ſtücken entdeckt, und ich wieder in die alte Wüſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="71"/>
aber der Wärter ge&#x017F;tattet eine &#x017F;olche Ausdehnung<lb/>
nicht, er hat noch <hi rendition="#b">30</hi> Andere zu füttern, und Ge-<lb/>
&#x017F;chirr und Be&#x017F;teck mü&#x017F;&#x017F;en gleich wieder fort, damit<lb/>
ich keinen Mißbrauch damit treibe. Die Thür ra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elt zu, es i&#x017F;t zwölf, &#x017F;ieben Stunden breiten &#x017F;ich<lb/>
vor mir aus, &#x017F;ie wollen durchgebracht &#x017F;ein, dann<lb/>
kommt eben &#x017F;o flüchtig das Bischen Abende&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
dann &#x017F;ind neue Gedanken zu &#x017F;uchen für den Abend,<lb/>
ehe der Schlaf zu finden i&#x017F;t, welcher dem Gefan-<lb/>
genen ohne Bewegung und Luft &#x017F;o träge &#x017F;ich nä-<lb/>
hert, &#x017F;o unmuthig! Und das i&#x017F;t nur ein Tag, und<lb/>
&#x017F;o reiht &#x017F;ich ausdruckslos einer an den andern, bis<lb/>
man eben verrückt wird von den unbe&#x017F;chäftigten<lb/>
Gedanken, oder &#x017F;tarr &#x017F;ich wie das Thier der Wü&#x017F;te<lb/>
in den Winkel hockt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Könnt&#x2019; ich Dir nur folgerecht erzählen, das<lb/>
würde mir nützlich &#x017F;ein; es drängt und bäumt &#x017F;ich<lb/>
von Gedanken Alles &#x017F;o durcheinander, daß ich nicht<lb/>
weiß, wornach ich greifen &#x017F;oll, und ich zittre, daß<lb/>
man meinen Blei&#x017F;tift oder die be&#x017F;chriebenen Papier-<lb/>
&#x017F;tücken entdeckt, und ich wieder in die alte Wü&#x017F;te<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] aber der Wärter geſtattet eine ſolche Ausdehnung nicht, er hat noch 30 Andere zu füttern, und Ge- ſchirr und Beſteck müſſen gleich wieder fort, damit ich keinen Mißbrauch damit treibe. Die Thür raſ- ſelt zu, es iſt zwölf, ſieben Stunden breiten ſich vor mir aus, ſie wollen durchgebracht ſein, dann kommt eben ſo flüchtig das Bischen Abendeſſen; dann ſind neue Gedanken zu ſuchen für den Abend, ehe der Schlaf zu finden iſt, welcher dem Gefan- genen ohne Bewegung und Luft ſo träge ſich nä- hert, ſo unmuthig! Und das iſt nur ein Tag, und ſo reiht ſich ausdruckslos einer an den andern, bis man eben verrückt wird von den unbeſchäftigten Gedanken, oder ſtarr ſich wie das Thier der Wüſte in den Winkel hockt. Könnt’ ich Dir nur folgerecht erzählen, das würde mir nützlich ſein; es drängt und bäumt ſich von Gedanken Alles ſo durcheinander, daß ich nicht weiß, wornach ich greifen ſoll, und ich zittre, daß man meinen Bleiſtift oder die beſchriebenen Papier- ſtücken entdeckt, und ich wieder in die alte Wüſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/79
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/79>, abgerufen am 16.05.2024.