chert, daß man die Gleichgesinnten von Jhnen zu erfahren sucht, von Jhrer bekannten Lebensthätigkeit auf unbekannte schließt, und deren mächtig zu wer- den trachtet. So kam's in Gang, was man eine Untersuchung nennt; wie human dieser Mann gegen mich war, habe ich später mit großer Betrübniß eingesehen, mit Betrübniß darüber, daß ich ihn nicht behielt. Den zweiten Tag war mir schon unruhiger im Gefängnisse zu Muthe. Die erste Jllusion, daß es in ein Paar Stunden vorüber sein könne, war vorüber, mit der Gegenwart fiel nun auch die un- sichre Zukunft lastend auf mich, mein eignes Jn- teresse erschien mir so bedroht, daß mir die Jnter- essen der Bücher, welche mir der gütige Jnquirent geliehen hatte, fremd und künstlich gemacht vor- kamen, ich hatte keine Ruhe zur Lektüre. Jch erinnere mich, daß mir eine einzige Stelle von vie- lem Gelesenen einen Eindruck machte, die stand in "Deppings Erinnerungen aus Paris," er schildert einen glücklichen Menschen und sagt: zum Zeichen, daß er wirklich Glück hatte, wurde er auch von einem tüchtigen Unglück betroffen. Diese Stelle war mir ein wirklicher Trost; die Dichter, welche
chert, daß man die Gleichgeſinnten von Jhnen zu erfahren ſucht, von Jhrer bekannten Lebensthätigkeit auf unbekannte ſchließt, und deren mächtig zu wer- den trachtet. So kam’s in Gang, was man eine Unterſuchung nennt; wie human dieſer Mann gegen mich war, habe ich ſpäter mit großer Betrübniß eingeſehen, mit Betrübniß darüber, daß ich ihn nicht behielt. Den zweiten Tag war mir ſchon unruhiger im Gefängniſſe zu Muthe. Die erſte Jlluſion, daß es in ein Paar Stunden vorüber ſein könne, war vorüber, mit der Gegenwart fiel nun auch die un- ſichre Zukunft laſtend auf mich, mein eignes Jn- tereſſe erſchien mir ſo bedroht, daß mir die Jnter- eſſen der Bücher, welche mir der gütige Jnquirent geliehen hatte, fremd und künſtlich gemacht vor- kamen, ich hatte keine Ruhe zur Lektüre. Jch erinnere mich, daß mir eine einzige Stelle von vie- lem Geleſenen einen Eindruck machte, die ſtand in „Deppings Erinnerungen aus Paris,“ er ſchildert einen glücklichen Menſchen und ſagt: zum Zeichen, daß er wirklich Glück hatte, wurde er auch von einem tüchtigen Unglück betroffen. Dieſe Stelle war mir ein wirklicher Troſt; die Dichter, welche
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chert, daß man die Gleichgeſinnten von Jhnen zu
erfahren ſucht, von Jhrer bekannten Lebensthätigkeit
auf unbekannte ſchließt, und deren mächtig zu wer-
den trachtet. So kam’s in Gang, was man eine
Unterſuchung nennt; wie human dieſer Mann gegen
mich war, habe ich ſpäter mit großer Betrübniß
eingeſehen, mit Betrübniß darüber, daß ich ihn nicht
behielt. Den zweiten Tag war mir ſchon unruhiger
im Gefängniſſe zu Muthe. Die erſte Jlluſion, daß
es in ein Paar Stunden vorüber ſein könne, war
vorüber, mit der Gegenwart fiel nun auch die un-
ſichre Zukunft laſtend auf mich, mein eignes Jn-
tereſſe erſchien mir ſo bedroht, daß mir die Jnter-
eſſen der Bücher, welche mir der gütige Jnquirent
geliehen hatte, fremd und künſtlich gemacht vor-
kamen, ich hatte keine Ruhe zur Lektüre. Jch
erinnere mich, daß mir eine einzige Stelle von vie-
lem Geleſenen einen Eindruck machte, die ſtand in
„Deppings Erinnerungen aus Paris,“ er ſchildert
einen glücklichen Menſchen und ſagt: zum Zeichen,
daß er wirklich Glück hatte, wurde er auch von
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war mir ein wirklicher Troſt; die Dichter, welche
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/87>, abgerufen am 26.11.2024.
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