Gallerie umher, möchte zuschauen, wer da wollte. Jn jenem kleinen Hofe sah ich einen langen Beam- ten stets an einem Pulte stehn und schreiben, und ich bildete mir steif und fest ein, der schriebe meine Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief schreiben; es war mir stets auffallend, daß der Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her- untersah. Gott weiß, was der lange Mann geschrie- ben hat, aber er hätte etwas viel Besseres schreiben können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung und Romantik gab's da drüben in dem Gefängnisse! Jetzt empfinde ich es erst in dieser Oede und Ent- behrniß, wie man erst sieht, daß man Blut hat, wenn man's verliert. Auf den kleinen Hof ging auch ein Flurfenster, wo Fremde zuweilen erschie- nen, wahrscheinlich solche, die etwas petitioniren wollten. Da fand sich denn wohl auch eine Dame ein, mitunter auch eine schöne in seidnem Gewande, mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel, könnt' ich doch in meinem Leben noch einmal eine schöne Dame mit seidnem Gewande und Schleier sehen! Vom kläglichen Bedürfnisse zum Auskom- men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von
Gallerie umher, möchte zuſchauen, wer da wollte. Jn jenem kleinen Hofe ſah ich einen langen Beam- ten ſtets an einem Pulte ſtehn und ſchreiben, und ich bildete mir ſteif und feſt ein, der ſchriebe meine Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief ſchreiben; es war mir ſtets auffallend, daß der Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her- unterſah. Gott weiß, was der lange Mann geſchrie- ben hat, aber er hätte etwas viel Beſſeres ſchreiben können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung und Romantik gab’s da drüben in dem Gefängniſſe! Jetzt empfinde ich es erſt in dieſer Oede und Ent- behrniß, wie man erſt ſieht, daß man Blut hat, wenn man’s verliert. Auf den kleinen Hof ging auch ein Flurfenſter, wo Fremde zuweilen erſchie- nen, wahrſcheinlich ſolche, die etwas petitioniren wollten. Da fand ſich denn wohl auch eine Dame ein, mitunter auch eine ſchöne in ſeidnem Gewande, mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel, könnt’ ich doch in meinem Leben noch einmal eine ſchöne Dame mit ſeidnem Gewande und Schleier ſehen! Vom kläglichen Bedürfniſſe zum Auskom- men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von
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Gallerie umher, möchte zuſchauen, wer da wollte.
Jn jenem kleinen Hofe ſah ich einen langen Beam-
ten ſtets an einem Pulte ſtehn und ſchreiben, und
ich bildete mir ſteif und feſt ein, der ſchriebe meine
Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief
ſchreiben; es war mir ſtets auffallend, daß der
Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her-
unterſah. Gott weiß, was der lange Mann geſchrie-
ben hat, aber er hätte etwas viel Beſſeres ſchreiben
können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung
und Romantik gab’s da drüben in dem Gefängniſſe!
Jetzt empfinde ich es erſt in dieſer Oede und Ent-
behrniß, wie man erſt ſieht, daß man Blut hat,
wenn man’s verliert. Auf den kleinen Hof ging
auch ein Flurfenſter, wo Fremde zuweilen erſchie-
nen, wahrſcheinlich ſolche, die etwas petitioniren
wollten. Da fand ſich denn wohl auch eine Dame
ein, mitunter auch eine ſchöne in ſeidnem Gewande,
mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel,
könnt’ ich doch in meinem Leben noch einmal eine
ſchöne Dame mit ſeidnem Gewande und Schleier
ſehen! Vom kläglichen Bedürfniſſe zum Auskom-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/92>, abgerufen am 26.11.2024.
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