Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Gallerie umher, möchte zuschauen, wer da wollte.
Jn jenem kleinen Hofe sah ich einen langen Beam-
ten stets an einem Pulte stehn und schreiben, und
ich bildete mir steif und fest ein, der schriebe meine
Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief
schreiben; es war mir stets auffallend, daß der
Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her-
untersah. Gott weiß, was der lange Mann geschrie-
ben hat, aber er hätte etwas viel Besseres schreiben
können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung
und Romantik gab's da drüben in dem Gefängnisse!
Jetzt empfinde ich es erst in dieser Oede und Ent-
behrniß, wie man erst sieht, daß man Blut hat,
wenn man's verliert. Auf den kleinen Hof ging
auch ein Flurfenster, wo Fremde zuweilen erschie-
nen, wahrscheinlich solche, die etwas petitioniren
wollten. Da fand sich denn wohl auch eine Dame
ein, mitunter auch eine schöne in seidnem Gewande,
mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel,
könnt' ich doch in meinem Leben noch einmal eine
schöne Dame mit seidnem Gewande und Schleier
sehen! Vom kläglichen Bedürfnisse zum Auskom-
men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von

Gallerie umher, möchte zuſchauen, wer da wollte.
Jn jenem kleinen Hofe ſah ich einen langen Beam-
ten ſtets an einem Pulte ſtehn und ſchreiben, und
ich bildete mir ſteif und feſt ein, der ſchriebe meine
Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief
ſchreiben; es war mir ſtets auffallend, daß der
Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her-
unterſah. Gott weiß, was der lange Mann geſchrie-
ben hat, aber er hätte etwas viel Beſſeres ſchreiben
können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung
und Romantik gab’s da drüben in dem Gefängniſſe!
Jetzt empfinde ich es erſt in dieſer Oede und Ent-
behrniß, wie man erſt ſieht, daß man Blut hat,
wenn man’s verliert. Auf den kleinen Hof ging
auch ein Flurfenſter, wo Fremde zuweilen erſchie-
nen, wahrſcheinlich ſolche, die etwas petitioniren
wollten. Da fand ſich denn wohl auch eine Dame
ein, mitunter auch eine ſchöne in ſeidnem Gewande,
mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel,
könnt’ ich doch in meinem Leben noch einmal eine
ſchöne Dame mit ſeidnem Gewande und Schleier
ſehen! Vom kläglichen Bedürfniſſe zum Auskom-
men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="84"/>
Gallerie umher, möchte zu&#x017F;chauen, wer da wollte.<lb/>
Jn jenem kleinen Hofe &#x017F;ah ich einen langen Beam-<lb/>
ten &#x017F;tets an einem Pulte &#x017F;tehn und &#x017F;chreiben, und<lb/>
ich bildete mir &#x017F;teif und fe&#x017F;t ein, der &#x017F;chriebe meine<lb/>
Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief<lb/>
&#x017F;chreiben; es war mir &#x017F;tets auffallend, daß der<lb/>
Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her-<lb/>
unter&#x017F;ah. Gott weiß, was der lange Mann ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben hat, aber er hätte etwas viel Be&#x017F;&#x017F;eres &#x017F;chreiben<lb/>
können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung<lb/>
und Romantik gab&#x2019;s da drüben in dem Gefängni&#x017F;&#x017F;e!<lb/>
Jetzt empfinde ich es er&#x017F;t in die&#x017F;er Oede und Ent-<lb/>
behrniß, wie man er&#x017F;t &#x017F;ieht, daß man Blut hat,<lb/>
wenn man&#x2019;s verliert. Auf den kleinen Hof ging<lb/>
auch ein Flurfen&#x017F;ter, wo Fremde zuweilen er&#x017F;chie-<lb/>
nen, wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;olche, die etwas petitioniren<lb/>
wollten. Da fand &#x017F;ich denn wohl auch eine Dame<lb/>
ein, mitunter auch eine &#x017F;chöne in &#x017F;eidnem Gewande,<lb/>
mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel,<lb/>
könnt&#x2019; ich doch in meinem Leben noch einmal eine<lb/>
&#x017F;chöne Dame mit &#x017F;eidnem Gewande und Schleier<lb/>
&#x017F;ehen! Vom kläglichen Bedürfni&#x017F;&#x017F;e zum Auskom-<lb/>
men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0092] Gallerie umher, möchte zuſchauen, wer da wollte. Jn jenem kleinen Hofe ſah ich einen langen Beam- ten ſtets an einem Pulte ſtehn und ſchreiben, und ich bildete mir ſteif und feſt ein, der ſchriebe meine Sache, und er müßte nun bald meinen Freibrief ſchreiben; es war mir ſtets auffallend, daß der Mann nicht mit größerem Antheile auf mich her- unterſah. Gott weiß, was der lange Mann geſchrie- ben hat, aber er hätte etwas viel Beſſeres ſchreiben können. Ueberhaupt, ach, wie viel Anknüpfung und Romantik gab’s da drüben in dem Gefängniſſe! Jetzt empfinde ich es erſt in dieſer Oede und Ent- behrniß, wie man erſt ſieht, daß man Blut hat, wenn man’s verliert. Auf den kleinen Hof ging auch ein Flurfenſter, wo Fremde zuweilen erſchie- nen, wahrſcheinlich ſolche, die etwas petitioniren wollten. Da fand ſich denn wohl auch eine Dame ein, mitunter auch eine ſchöne in ſeidnem Gewande, mit einem Schleier. Ach, Du lieber Himmel, könnt’ ich doch in meinem Leben noch einmal eine ſchöne Dame mit ſeidnem Gewande und Schleier ſehen! Vom kläglichen Bedürfniſſe zum Auskom- men, vom Auskommen zur Wohlhäbigkeit, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/92
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/92>, abgerufen am 26.11.2024.