Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser zum Luxus, zum gefälligen Reize, wie weite
Strecken liegen zwischen alle dem, und diese ganze,
große Strecke liegt zwischen mir und der Welt!
Jch liege hier im Staube, Schmutz, in der küm-
merlichen Ernährung, und strecke Hand und Wunsch
aus nach einem seidnen Gewande wie der Bettler
nach einem Goldstücke. Bin ich derselbe, dem eine
Fürstin in den Armen gelegen, der Prachtgewänder
zerrissen hat? Ein Fetzen davon könnte mir jetzt einen
glücklichen Tag machen. Oft hab' ich solche Gelüste
verhöhnt, weil sie die Harmonie eines Zustandes,
und auch der unterste hat eine, weil sie diesen Ein-
klang zerstörten, weil sie krankhaft seien. O wie
grausam war ich in solchen Worten, die todte Regel
ist eben die Prosa, der Tod; -- könnt' ich meine
Hand jetzt nur einen Augenblick auf einen Seiden-
stoff legen, um an dem feinen glatten Stoffe zu
empfinden, es giebt noch Reiz und Schönheit in
der Welt!



Der Papiervorrath war zu Ende, und es ist
wieder eine lange Pause eingetreten; durch rüstiges

dieſer zum Luxus, zum gefälligen Reize, wie weite
Strecken liegen zwiſchen alle dem, und dieſe ganze,
große Strecke liegt zwiſchen mir und der Welt!
Jch liege hier im Staube, Schmutz, in der küm-
merlichen Ernährung, und ſtrecke Hand und Wunſch
aus nach einem ſeidnen Gewande wie der Bettler
nach einem Goldſtücke. Bin ich derſelbe, dem eine
Fürſtin in den Armen gelegen, der Prachtgewänder
zerriſſen hat? Ein Fetzen davon könnte mir jetzt einen
glücklichen Tag machen. Oft hab’ ich ſolche Gelüſte
verhöhnt, weil ſie die Harmonie eines Zuſtandes,
und auch der unterſte hat eine, weil ſie dieſen Ein-
klang zerſtörten, weil ſie krankhaft ſeien. O wie
grauſam war ich in ſolchen Worten, die todte Regel
iſt eben die Proſa, der Tod; — könnt’ ich meine
Hand jetzt nur einen Augenblick auf einen Seiden-
ſtoff legen, um an dem feinen glatten Stoffe zu
empfinden, es giebt noch Reiz und Schönheit in
der Welt!



Der Papiervorrath war zu Ende, und es iſt
wieder eine lange Pauſe eingetreten; durch rüſtiges

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="85"/>
die&#x017F;er zum Luxus, zum gefälligen Reize, wie weite<lb/>
Strecken liegen zwi&#x017F;chen alle dem, und die&#x017F;e ganze,<lb/>
große Strecke liegt zwi&#x017F;chen mir und der Welt!<lb/>
Jch liege hier im Staube, Schmutz, in der küm-<lb/>
merlichen Ernährung, und &#x017F;trecke Hand und Wun&#x017F;ch<lb/>
aus nach einem &#x017F;eidnen Gewande wie der Bettler<lb/>
nach einem Gold&#x017F;tücke. Bin ich der&#x017F;elbe, dem eine<lb/>
Für&#x017F;tin in den Armen gelegen, der Prachtgewänder<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;en hat? Ein Fetzen davon könnte mir jetzt einen<lb/>
glücklichen Tag machen. Oft hab&#x2019; ich &#x017F;olche Gelü&#x017F;te<lb/>
verhöhnt, weil &#x017F;ie die Harmonie eines Zu&#x017F;tandes,<lb/>
und auch der unter&#x017F;te hat eine, weil &#x017F;ie die&#x017F;en Ein-<lb/>
klang zer&#x017F;törten, weil &#x017F;ie krankhaft &#x017F;eien. O wie<lb/>
grau&#x017F;am war ich in &#x017F;olchen Worten, die todte Regel<lb/>
i&#x017F;t eben die Pro&#x017F;a, der Tod; &#x2014; könnt&#x2019; ich meine<lb/>
Hand jetzt nur einen Augenblick auf einen Seiden-<lb/>
&#x017F;toff legen, um an dem feinen glatten Stoffe zu<lb/>
empfinden, es giebt noch Reiz und Schönheit in<lb/>
der Welt!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Der Papiervorrath war zu Ende, und es i&#x017F;t<lb/>
wieder eine lange Pau&#x017F;e eingetreten; durch rü&#x017F;tiges<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0093] dieſer zum Luxus, zum gefälligen Reize, wie weite Strecken liegen zwiſchen alle dem, und dieſe ganze, große Strecke liegt zwiſchen mir und der Welt! Jch liege hier im Staube, Schmutz, in der küm- merlichen Ernährung, und ſtrecke Hand und Wunſch aus nach einem ſeidnen Gewande wie der Bettler nach einem Goldſtücke. Bin ich derſelbe, dem eine Fürſtin in den Armen gelegen, der Prachtgewänder zerriſſen hat? Ein Fetzen davon könnte mir jetzt einen glücklichen Tag machen. Oft hab’ ich ſolche Gelüſte verhöhnt, weil ſie die Harmonie eines Zuſtandes, und auch der unterſte hat eine, weil ſie dieſen Ein- klang zerſtörten, weil ſie krankhaft ſeien. O wie grauſam war ich in ſolchen Worten, die todte Regel iſt eben die Proſa, der Tod; — könnt’ ich meine Hand jetzt nur einen Augenblick auf einen Seiden- ſtoff legen, um an dem feinen glatten Stoffe zu empfinden, es giebt noch Reiz und Schönheit in der Welt! Der Papiervorrath war zu Ende, und es iſt wieder eine lange Pauſe eingetreten; durch rüſtiges

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/93
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/93>, abgerufen am 16.05.2024.