Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Darben habe ich mir einige Kreuzer abgespart an
der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir
ein Stückchen Kuchen kaufen lassen, weil bei mir
zu Hause Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli-
ches ist, und ich gern einmal solch einen Eindruck
des Besonderen, des Festlichen haben möchte. Ne-
benher -- nun, es ist gelungen, und ich will mir
den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei-
nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge-
schlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubst nicht,
wie viel ich Schmerz habe bei Beschreibung jener
ersten Gefängnißzeit, weil sie mir jetzt so bunt und
reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar-
nach zurücksehne, wie nach einem Eldorado. So
giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und
Armuth, und über den glücklichern Genossen geht
des Darbenden Wunsch nicht hinaus; ich bin so
weit gedrückt, daß ich das Berauschende einer tota-
len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem
Zustande schmachte, wo keine Blende vor dem Fen-
ster ist, wo ich rauchen, lesen, am Ende gar schrei-
ben durfte, schreiben mit ordentlicher Dinte, wirk-
lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;

Darben habe ich mir einige Kreuzer abgeſpart an
der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir
ein Stückchen Kuchen kaufen laſſen, weil bei mir
zu Hauſe Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli-
ches iſt, und ich gern einmal ſolch einen Eindruck
des Beſonderen, des Feſtlichen haben möchte. Ne-
benher — nun, es iſt gelungen, und ich will mir
den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei-
nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge-
ſchlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubſt nicht,
wie viel ich Schmerz habe bei Beſchreibung jener
erſten Gefängnißzeit, weil ſie mir jetzt ſo bunt und
reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar-
nach zurückſehne, wie nach einem Eldorado. So
giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und
Armuth, und über den glücklichern Genoſſen geht
des Darbenden Wunſch nicht hinaus; ich bin ſo
weit gedrückt, daß ich das Berauſchende einer tota-
len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem
Zuſtande ſchmachte, wo keine Blende vor dem Fen-
ſter iſt, wo ich rauchen, leſen, am Ende gar ſchrei-
ben durfte, ſchreiben mit ordentlicher Dinte, wirk-
lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="86"/>
Darben habe ich mir einige Kreuzer abge&#x017F;part an<lb/>
der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir<lb/>
ein Stückchen Kuchen kaufen la&#x017F;&#x017F;en, weil bei mir<lb/>
zu Hau&#x017F;e Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli-<lb/>
ches i&#x017F;t, und ich gern einmal &#x017F;olch einen Eindruck<lb/>
des Be&#x017F;onderen, des Fe&#x017F;tlichen haben möchte. Ne-<lb/>
benher &#x2014; nun, es i&#x017F;t gelungen, und ich will mir<lb/>
den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei-<lb/>
nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge-<lb/>
&#x017F;chlagen, was ich jetzt benütze. Du glaub&#x017F;t nicht,<lb/>
wie viel ich Schmerz habe bei Be&#x017F;chreibung jener<lb/>
er&#x017F;ten Gefängnißzeit, weil &#x017F;ie mir jetzt &#x017F;o bunt und<lb/>
reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar-<lb/>
nach zurück&#x017F;ehne, wie nach einem Eldorado. So<lb/>
giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und<lb/>
Armuth, und über den glücklichern Geno&#x017F;&#x017F;en geht<lb/>
des Darbenden Wun&#x017F;ch nicht hinaus; ich bin &#x017F;o<lb/>
weit gedrückt, daß ich das Berau&#x017F;chende einer tota-<lb/>
len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem<lb/>
Zu&#x017F;tande &#x017F;chmachte, wo keine Blende vor dem Fen-<lb/>
&#x017F;ter i&#x017F;t, wo ich rauchen, le&#x017F;en, am Ende gar &#x017F;chrei-<lb/>
ben durfte, &#x017F;chreiben mit ordentlicher Dinte, wirk-<lb/>
lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0094] Darben habe ich mir einige Kreuzer abgeſpart an der Rechnung, welche der Wärter führt, und mir ein Stückchen Kuchen kaufen laſſen, weil bei mir zu Hauſe Kuchen etwas Sonntägliches, Feiertägli- ches iſt, und ich gern einmal ſolch einen Eindruck des Beſonderen, des Feſtlichen haben möchte. Ne- benher — nun, es iſt gelungen, und ich will mir den Platz nicht verringern durch Erzählung der klei- nen Jntrigue: der Kuchen war in Papier einge- ſchlagen, was ich jetzt benütze. Du glaubſt nicht, wie viel ich Schmerz habe bei Beſchreibung jener erſten Gefängnißzeit, weil ſie mir jetzt ſo bunt und reich vorkommt gegen die jetzige, weil ich mich dar- nach zurückſehne, wie nach einem Eldorado. So giebt es auch unter den Bettlern Reichthum und Armuth, und über den glücklichern Genoſſen geht des Darbenden Wunſch nicht hinaus; ich bin ſo weit gedrückt, daß ich das Berauſchende einer tota- len Freiheit gar nicht mehr hoffe, nur nach jenem Zuſtande ſchmachte, wo keine Blende vor dem Fen- ſter iſt, wo ich rauchen, leſen, am Ende gar ſchrei- ben durfte, ſchreiben mit ordentlicher Dinte, wirk- lichen Federn und auf ganz reines weißes Papier;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/94
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/94>, abgerufen am 16.05.2024.